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BIHLIOTHDUC
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BiHLIOTHDTJC
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Denkscbrlften om Briefe
Charakteristik
Welt und Litteratur.
Ein Gdiflinairi doch reiliilill,
Und im Ende viiien'i AlK.
Fünfter Band.
Berlin.
Verlag von Alexander Dnncker.
1841.
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Denksclirlften und Briefe
Cbarakteristifc
Welt und Litteratur.
Holtiie. wil dll (rme Hen gibtal!
Dm lullliii sie dIui ScIlUcliKrDh'iL
Neue Folge.
Berlin.
Verlag von Alexander Dnncker.
1811.
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T ielfaehe Auffordernngeii sind Veranlass
snng geworden 9 eine nene Folge von
Denkschriften nnd Briefen erseheinen zu
lassen; für die Besitzer der frühem Bände
habe ich einen, besondem Titel znge-
ftigt^ der diesen- Band als Fortsetzung
bezeichnet; möge man ihn mit demsel-
ben Wohlwollen anfiiehmen, dessen sich
die ersten Bände zn erfreuen gehabt
, haben. Der Streit, ob Empfänger o^er
Schreiber, oder wer sonst, wenn diese todt
— VI —
sind^ das Recht hat, Briefe durch den
Druck zu veröffentlichen, ist noch nicht
geschlichtet; die Grenzlinie über das Er-
I
laubte und Unerlaubte hierbei zu ziehen,
mufs sehr schwer sein, da auch die Ge-
setzgebung, die schon lange auf ein sol-
ehfts QeBtti hknM^tibH^ hm jetzt iioeh idett
Aunit hut zu Stande kommen. k$«iiett. Der
Vorwiurf der Indiskretion ist mir Im jeUt
nledibl gemackt worden^ und iek haffe, auch
ior dciesem Bande k^iue Gelegenh^ dazu
gegeben m haben* Sollte man den Aft*
dnMsk freundsckaftlieker Briefe, die gerade
kdn aUgemeineB interesse kal«B^ tadelns^
UFfertfi finden, so frage mui' zuerst nack
Gründen ^ • itrajmüL est gOBehefaeii^ ehe man ^
ein Biehteramt anssnübe» siek ansehiekl;
— VII —
Kann man nicht durch Bekarnntmachung
Ton Briefen, die grofses Vertrauen, Freund-
sehalf; and herzliche iVeigung ausdrucken,
aufser dem Styl, der Denk- und CrefüUs-
weise, yomehmlich die Siimesitrt, den
Charakter des Schreibers der Welt vor
Augen stellen wollen , damit es seiner Zeit
bekannt werde, dafs derselbe Mann, der
in seinen Briefen nur Vertrauen und Liebe
aussprach, im Geheimen, wo er sich un-
entdeckt glaubte, Unglück und Ungemach
zu verhängen nicht Anstand nahm ? Unter
Umständen erscheint die VeröflTentlichung
vertraulicher Briefe demzufolge als ge-
rechte Nothwehr, und sie sind als Beweis-
mittel über Schuld und Unschuld von un-
ersetzlichem Werth. Das goldene: „Ler-
— VIII —
net gerecht sein^^ ist in keiner Zeit
mehr zu empfehlen gewesen , als gerade
in der unsrigen: denn auch das Geheim-
ste kommt ans Licht der Sonne.
Berlin, im Mai 1841.
JDr. Dorow.
Inhalt.
«. Briefe.
Seit«
Altenstein, Karl Freiherr you 3
Auteurietb, Job. Herrn. Ferd. von 126
Börne^ Ludwig 114
Broglie, Alberiine Herzogin Yon • •*, 18
Fefsler, Ig. Ans 124
Gans, Eduard 42
Goethe, Job. Wolfg. von 94
Hardenberg, Karl August Fürst von 190
Hoffmann, Ernst Tbeod. Amadeus 165
Iffland, Aug. Wilb 35
Immermann, Karl 133
Kant, Immanuel 161
Ludwig I., König von Baiern 245
Reinbold, Job. Gottb. von ..194
Reinbold, Karl Leonb. 151
Riebter, Jean Paul Fr. . ^ • 24
Schneider, Eulogius 121
Staegemann, Fr. Aug. von 223
Stabil -Holstein, August Baron von 13
X —
Stein, Karl Freihrrr vom . . .
Varabagen tod Enae, Karl Aug.
Woltmann, Karl Ludwig von
b. DenhaelirirteH.
BelraclitiiDgen über Hie Vereinigung der Intheriacbea
and rcformirten Kirehe. Rbein- nod MoBel-Depar-
lemect. 1801 25
Die SUdt Köln am Rbein in Bcziebnng zu den Alter-
(bümcrn der Provinz, mit Beilagen von Ilardcubcrg,
Wallraf u a, w 26
National -Bewalfaung und erste Iilee zu einer Land-
wehr in Praursen 29
DmeUfehler.
Briefe
Die mit einem ^ beseichneten Briefe gehören nicbt der
Sammlang des Herausgebers an.
« ^
Karl, Freiberr von Stein zum Altenstein.
(Kdnigl. Preussischer Staats -Minister.}
I
Geh. in Anspach den 7. Octobcr 1770,
gest. in Berlin den 14. Mai 1840.
/fum nähern Verständnifs der nachfolgenden Mit-
theilung a. ist Folgendes zu bemerken. Dem Pro*
fessor E. W. Hengstenberg wurde im Jahr 1826 die
Anfrage gestellt, ob er wohl dem Rufe zu einer
Professur der Theologie in Königsberg in Preufsen
Folge leisten würde. Hengstenberg lehnte den Ruf
unter Anfuhrung vielfacher Gründe ab, vcrsichemd,
dafs sein Wirkungskreis in Berlin „für die Sache
des Herrn", so wie für seine eigenen Gaben und
Neigungen, sehr angemessen sei, und sagt femer:
„es war von der Zeit an, da ich meine Wirksam-
keit an der hiesigen Universität begann, mein äufser-
stmr Wunsch, etwas thun zu können zur Wiederbe-
lebung des so sehr gesunkenen Studiums des Alten
Testaments, bei dessen Vernachlässigung die ganze
theologische Bildung unvollkommen bleiben mufs.
Ich habe mich bemüht, diesen Theil der Theologie,
die ganz zur Profangelehrsamkeit heral^ezogen ist,
1*
- 4 —
wieder als solchen darzustellen, indem ich bemiiht
war, meine eigenen Ueberzeugungen über den Zu-
sammenhang der göttlichen Heilsanstalten immer kla-
rer auszubilden und fester zu begründen, und es den
meiner Leitung Untergebenen zum innersten Bewufst-
sein zu bringen, dafs nur von dem Festhalten an
dem Ganzen der göttlichen Offenbarungen ein siche-
res, festes und christliches Leben und eine sichere
und feste theologische Wissenschaft ausgehen kön-
nen. In Berlin habe ich nun einen passenden Wir-
kungskreis gefunden; ich halte es daher für heilige
Pflicht, dafs Jeder, der einen festen Beruf erhalten
hat, denselben nicht eher aufgebe, als bis er die
Aussicht erhält, in einem gröfsem Wirkungskreise
mit gröüserm Segen wirken zu können. Diese Aus-
sicht würde ich in Königsberg keineswegs haben. ^'
Nachdem noch klimatische und ökonomische Rudi:
sichten gegen die Annahme der Professur angeführt
worden, wird der Ruf vollständig abgelehnt Von
des Ministers v. Altenstein eigener Handschrift fin*
det sich nun über diese Angelegenheit das unter a.
mitgetheilte Blatt vor, welches für die Charakteri-
stik dieses Staatsmanns wohl als wichtig zu bezeich-
nen ist
Der unter b. mitgetheilte Brief ist an den Geh.
Ober-Regierungsrath Dr. Joh. Schulze gleich nach
dem Tode Hegels geschrieben, gleichfalls eigenhän-
dig, wobei zu bemerken nicht unterlassen werden
kann, dafs Herr v. Altenstein sich sehr selten zu
^genhändigem Schreiben entschlofs. Dieser Brief
ist wohl als ein sprechendes Denkmal nicht allan
— 5 —
des humanen, menschenfreundlichen Herzens zu be-
trachten, sondern vorzüglich als ein offenes, klares
Aussprechen, wie Altenstein den berühmten Philoso-
phen verehrte und welche hohe Stelle er demselben
unter Deutschlands grofsen Männern angewiesen wis-
sen wollte.
Berlio, Juoi 1826.
Ich finde unter allen den von Herrn Hengsten-
berg angeführten Gründen gegen seine Versetzung
von hier nur einen erheblichen — den nämlich, dafs
er allein bemüht ist, hier' die Exegese des A. T.
nicht blos als Gegenstand der Profangelehrsamkeit-
zu behandeln — dafs also durch seinen Abgang eine
erhebliche Lücke entstehen würde. Dieser Grund
eignet sich aber mehr zum Bestimmungsgrund für
mich als für Herrn Hengstenb^g — ich erkenne
seine Erheblichkeit wohl an, allein auf meinem Stand-
punkt mu(s ich diese Lücke hier für weniger nadi-
theilig halten als die^ welche Herr Hengstenberg in
Königsbei^ auszufüllen bestimmt ist Hier erliält
die Profangelehrsamkeit, mit welcher die Exegese
des A. T. getrieben werden ms^, manches Gegen-
gewicht in den andern Disziplinen — das gelehrt
Begründete wird dadurch in der Richtung verbes-
sert Die Universität in Königsberg ist nicht in die-
ser Ls^e, und gerade deshalb ist Herr Hengstenberg
dort wichtiger. Alles andere^ was Herr Jäengsten-
berg anführt, betrifft mehr sein^i Standpunkt und
— 6 —
halte ich nicht für richtig; er geht von dem Ge-
sichtepunkt aus^ dais er hier einen angemessenem
Wirkungskreis und men eigenen Beruf gefond^
habe. Das Erste ist falsch -^ er hat hier keinen
G^alt, kann nicht ohne Gehalt bestehen, es ist hier
durchaus kein Fond vorhanden, ihm Gehalt zu ge-
ben, und er hat auch nicht einmahl Aussicht zu ei-
ner Professur. Ganz anders verhält sich dieses in
Königsberg, wo er (zumal jetzt nach Ableben des
Woyde) gewifs ein anstandiges Gehalt bekommen
kann — wo ihm der Weg in eine ordentliche Pro-
fessur so gebahnt ist, dafs eine verdienstliche hei*
stung ihn solcher nahe führt
Der Beruf hier erscheint mir problematisch -^
es ist nidbt ein Wissen, sondern eine Richtung, die
er verfolgt — mit Andern verfolgt — dieses scheint
mir im Anfang einer Laufbahn höchst mifslich. Das
Wissen leidet sehr leicht, ordnet sich der Richtung
unter, statt diese zu geben und erst zu schaffen, uiul
wird abhängig von andern. D^ junge Mann soll
frei von äufsern Einwirkungen selbstständig auftre-
ten — aus dem Wissen die Richtung erhalten und
diese dann so schaffen, dafs er auch Andere dahin
zieht. So wird er wahrhaft und eminent wirksam.
— Diesen Standpunkt darf ein junger Mann nicht
gleich für unerreichbar halten, nicht gleich für sdin
Leben und seine Gesundheit bange sein, — er folgt
der Bestunmung. Harn Hengstenbergs Vorstellung
von Preufsen ist ganz übertrieben; ich selbst lebte,
schwächlich und in der fürchterlichsten Geschäfts-
lage «- doch ganz erträglich dort; die Entfernung
- 7 ~
ist i^süL bei bessera Wegen uod PoBtan mcbt mebr
go erheblich, als «b es noch vor mehreren Jähren
wair. Nach meiner Ueberzeuguag spricht Alles fiiv
die Yerpfliobtung des Herrn Hengsienberg, dem Buf
2W folgen. Es wird und mü& ihm möglich ma^
dann kann auch etwas für seine Badereise dnrfdt
eine Renumeration geschehen, ich habe niejit viel ***-
bekommt er sie zur Badereise und bleibt hier, so
hab' ich nichts zur ErleichAenmg seines Lebens hier«
Geht er nach Königsb^g, so erhält er dieses dort
Je schäüsbarer die Kenntnisse des Herrn Hengsten*
berg sind und je reiner sein Wille ist^ desto wicb^
tiger erscheint es mir, .da& er i^h i^mimne und das.
Wichtigste zu erlangen suche«
Das Frei- und Selbstständigstehen^ nicht dnndit
Scbolien und Zurückgeben^ sondern durch BesieguAg
aller Schvtrierigkeiten, mit allen Kräften, mit wtickm
man sich einmal nun in der Welt richtig bew<|[en und
in Wirksamkeit sehen kann. AKenMeta.
An den Geh* Ober-Regierungsrath Dr. Job.
Schulze in Berlin.
Sebönebar^ bei JBeflin, deu l^ien Novbr. 1831*
Ew. Hochwohlgeboren erst diesen Moigen er-
haltene Zeilen von gestern haben mich ti^ erschiU«
tert und mit unaussprechlichem Schmerz erfüllt *).
Kaum vermag ich iaoch die Wirklichb^ des un-
endlichen Verlustes zu fassen, welchen die Wissen-
•) UegeU Tod.
- 8 -
Schaft, der Preulsische Staat und alle Verehrer und
Freunde des Mannes erlitten haben, der gleich aus-
gezeichnet war als Gelehrter und in allen dem Hö«"
, hßtevL zugewandten menschlichen Verhältnissen. Je
mehr der Verewigte mit seinem ganzen Wissen d«n
Hödisten angehörte und auf dieser Welt für solches
mit treuer Hingebung und unermüdlicher Anstren-
gung segensreich wirkte, desto lebendiger drängt
.sich auch das Gefühl auf, dafs er zur Erreichung
seines Ziels, zur Vollendung von dem, der höher
ist als alles, abgerufen sei, «und in diesem Gefühl
mildert sich der Schmerz, wenn auch der Verlust
nur um so grölser hervortritt
Nur mit der innigsten Wehmuth kann ich au
die verehrte Gattin des theuren Entschlafenen den-
k^. Sie, die im Gefühl des höhern Werthes des
Gatten ihr grö&tes Gllick fand, wird auch darin die
ßtärke finden, den* unersetzlichen Verlust zu ertra-
gen; allein sie muis auch, das irdische Loos thei-
lend, um so tiefer den unendlichen Schmerz der
Trennung fühlen»
Der Verewigte war mir bei dem schmerzlich-
sten Ereignisse meines Lebens *) durch die Aeuise-
rung seines so unendlich tiefen, zarten und erheben-
den Mitgefühls unendlich wohlthätig. Ich wünschte,
der tiefgebeugten Gattin in gleicher Art durch den
Ausdruck des tiefsten Mitgefühls wohlthätig sein zu
können, darf aber einen Versuch gar nicht wagen,
*^ Bezieht sich auf den Tod des einzigen Sohnes des
Herrn v. Altenstein.
— 9 —
da meine Aeuiserimg so unendlich gegen das zurück-
bleiben wiurde, was mich allein befriedigen und mir
einigermafsen eine angemessene Wirkung verbiirgen
könnte. Inzwischen bitte ich Sie, solches der Leid-
tragenden, wann und wie Sie es für das Beste und
Angemessenste halten, auszudrücken und ihr in mei-
nem Namen über meine herzlichste Theilnahme zu
sagen, was für solche nur immer tröstend und be-
ruhigend ^sein kann. Sie dürfen nicht befürchten, in
meinem Namen zu viel zu äufsern. Es wird immer
g^en das, was ich solcher zu sagen wünschte, zu-
rückbleiben.
Die Nachricht hat mich so sehr ergriffen, dais
es Pflicht für mich ist, abzubrechen« Ganz fühle ich
mit Ihnen, mein Theuerster;, die Gröfse Ihres eige-
nen Verlustes! Sie sind ihm als Freund und in der
Wissenschaft so nahe gestanden, dafs nur Wenige,
so wie Sie, richtig schätzen können, welcher Stern
erster Gröfse in diesem Augenblick für diese Welt un-
tergegangen ist!
' Schonen Sie ihre Gesundheit möglichst Es ist
in vielfacher Beziehung heilige Pflicht für Sie. Mit
herzlichster Hochachtung freimdschaftlich ganz der
Ihrige
Altensteln*
Karl Avpst Vanihaceii tob Esse.
Greb. in Düsseldorf clen 21. Februar 1785.
rlaben wir so eben vernommen, wie sich der ^aats-
Minister y. Altenstein über Hegel äufsert, und wel-
chen tiefen Sdimerz dessen Seele bei dem Tode des
berühmten Philosophen empiiinden, so folge hier nun
noch ein Brief, in welchem sich Varnhagen von Ense
gegen Lud. Robert über dieselbe traurige Begeben«
heit ausspricht — wohl ein schönes Anerkenntnift,
wie tief von dieser Trauer Jedermann ergnSen wor-
den war»
An Ludwig Robert
Berlin, äen 16. Kovcmber 1831.
Beim Empfang dieses Blattes hat die harte Bot-
schaft von dem unerwartet schnellen Ableben Hegel's
auch Sie schon erreicht und gewifs tief getroffen.
Die Nachricht in der Staatszeitung sBgt fälschlich,
er sei am Schlagflusse gestorben, die Anzeige von
Seiten der Wittwe nennt keine Krankheit; es war
aber die Cholera, die ausgebildetste, unbezwing-
barste Cholera^ welche schon im Abnehmen tük-
— 11 —
Jdsch noch dies theure Opfer uns dahingerafft! Ue-
gd hatte von Anfang her gegen den furchtbaren Un-
hold eine tiefe Scheu und Aengstlichkeit, die er spä*
ter bezwungen zu haben schien, und dann zu dreist
wurde; so veraagte er sich am Tage vor seiner £r*
Ja^uahbuig den Genuls .von Weintrauben nicfat^ die
eriuUtend auf seine Eingeweide wirkten^ andre nach*
theilige Einflüsse mögen smen Körper für das Uebel
schon vorbereitet haben, es trat mit stärkster Gewalt
und sdineUstem Verlaufe mu Doch hatte er keine
Ahndung seines herannahenden Todes, und entschluBH
merte, wie die Anzeige derWittwe sagt, schmerzlos,
sanft und selig. Das ist schön, daüs er nidit gdit«
ten hat! So war denn sein Tod so glücklich, als
der Tod es irgend s&n knfin. Ungeschwächten G^
stes, in rüstiger Thätigkeit, auf der Höhe des Ruhms
und der Wirksamkeit, von gro&en Erfolgen rings
umgeben, mit seiner Lage zufrieden, von dem gß*
selligen Leben heiter angesprochen, an allen Dar-
bietungen der Hauptstadt freundlich theilnehmend,
schied &: aus der Mitte dies^ Befriedigungen ohne
Bedauern und Schmerz, denn Bedeutung und Na*
men seiner Krankheit blieben ihm unbekannt, und
das entschlummernde Bewufstsein durfte Genesung
träumen. —
Aber uns ist eine entsetzliche Lücke gerissen!
Sie klafft unausfiUlbar uns immer grö&^ an, je län*
ger man sie ansieht Er war eigentlich der Eck*
stein der hiesigen Universität, auf ihm ruhte die
Wissenschafitüdikeit des Ganzen, in ihm hatte das
Ganze seine Festigkeit, seinen Anhalt^ von alten
- 12 -
Seiten droht jetzt der Einsturz; solche Verbindung
des tiefsten allgemeinen Denkens und des ungeheuer-
sten Wissens in allen empirischen Erkenntniisgebie-
teu fehlt nun schlechterdings; was noch da ist, ist
einzeln für sich, muis erst die höhere Beziehui^
au&uchen, und wird sie selten finden. Auch fühlen
es Alle, selbst die Widersacher, was mit ihm ver-
loren ist Die ganze Stadt ist von dem Schlage
betäubt, es ist, als klänge die Erschütterung dieses
Sturzes in jedem rohesten Bewufstsein an. Die zahl-
reichen Freunde u^d Jünger wollen verzweifeln. Gans
begegnete mir gestern mit verweinten Augen, und ver-
gofs dann bei mir, mit Rahel in die Wette, heüse
Thränen, indem er seinen Jammer nicht zurückhielt
Mich hat der Fall tief ergriffen, ich fühle fortwäh-
rend sein Wühlen, und bin fast krank davon; doch
entsteht meine Empfindung mehr aus den allgemei-
nen Umrissen des Geschehenen, als aus einer un-
mittelbaren persönlichen Beziehung desselben zu mir.
Bei gröfster Verehrung, fireundlichstem Vernehmen
und vertrautestem Zusammensein, bestand doch die
nächste Nähe zwischen uns nicht; wir sahen uns,
fühlten uns auch allzu oft als Gegner, und zwar als
solche, die durch den Kampf keine Ausgleichung
hoffen, ihn also lieber vermeiden. Noch in der
legten Zeit hatte ich wegen Fichte's Andenken ei-
nen Zwiespalt mit ihm; die starre Nachhaltigkeit,
welche Fichte wider seine Gegner hatte, war auch
HegePh eigen; ich aber werde künftig vielleicht eben
so diesen gegen einen Nachfolger vertheidigen müs-
sen, wie zuletzt Fichte'n gegen Hegel. —
- 13 -
Seltsam, Fichte starb hier am Typhus, Hegel
an der Cholera, Beide auf grofsen politischen Wet-
terscheiden, deren bedenklichsten Prüfungen sie zu
rechter Zeit entrückt wurden. Hegel stand wirklidi
in ö^efahr, mit seiner Zei^enossenschaft in grofsen
Widerspruch zu gerathen, sich g^en die Wen-
dung der Dinge arg zu verbittern, und selbst mit
Freunden und Schülern in offne Feindseligkeit zu
kommen. —
Ich habe Gans aufgefordert, nun rasch den
Schmerz in Thätigkeit überzuleiten, ein Leben He-
geFs zu schreiben^ und eine Sammlung seiner Werke
zu veranstalten. Wenn nicht in den ersten sechs
Monaten die Sache zu Stande kommt und sogleich
Hand an's Werk gelegt wird, so geschieht wie ge-
wöhnlich nichts. Nachdem der erste Augenblick
versäumt worden, sind Fichte's Werke jetzt nach
achtzehn Jahren noch nicht gesammelt, und werden
es erst künftig, wenn sie schon völlig litterarisches
Alterthum geworden. Von Hegel kämen wohl, wenn
man Rezensionen, Briefe und vermischte Aufsätze
mitrechnet, gegen sechzehn Bände zusammen.
Wen man an HegePs Stelle berufen wird, das
ist jetzt auch eine grofse Sorge. Einen ihm Glei-
chen wird es noch lange nicht geben, solche Macht-
geister finden sich selten in unmittelbarer Aufeinan-
derfolge. Schelling zu berufen, wäre doch ein Rück-
schritt. Ein Naturphilosoph kann das Werk HegeFs
eben so wenig fortsetzen, als dasselbe, so wie es
liegt, auch nur bewahren.
lieber Troxler, Rotteck, Welcker — ein andermal!
— 14 -
Sehen Sie denn die Gro&herzogin Stephanie
nicht? —
Von Rahel empfangen Sie gewils ein eignes
Blatt mit diesem. Sie hat sich tapfer gehalten, ob-
wohl unter gro&en Leiden; sie war, auch in* der
schlimmsten Tj&i^ mehr noch von Theilnahme und
Fürsorge erfüllt, als von Furcht oder Schrecken.
Ich könnte übrigens audi midi selbst loben. Ich
entdeckte frühzeitig, dafs man mitten in der Kalami-
tät doch das gewohnte Leben fortsetzen könne. — —
Tamlifii^ii ▼•!! Elise«
August, Baron Ton Stalfl» Holstein.
Gest in Coppet, den 17. November 1827.
Wir glauben die Diskretion nicht zu verletzen,
wenn Briefe des verstorbenen Barons von Stael-
Holstein und seiner Schwester, der gleichfalls ver-
storbenen Herzogin v. Broglie hi^ mitgetheilt wer^
den. Sie geiferen uns nicht allein einen wohlthuen-
den Blick in das tiefe, reich begabte, religiöse Ge-
müth dieser ausgezdchneten Personen, sondern rufen
auch das Andenken zweier trefflichen Mitbüi^er in^s
Ctedächtnifs, deren Verlust wir noch als unersetzlich
betrauern — Adalbert von Chamisso und Eduard
Gans.
An Adalbert von Chamisso in Berlin.
Coppet, 2. Avril.
Je ne m'attendois pas, liebster SchlemihI, ä Vous
ecrire de Coppet pour Vous remerder de Votre ex-
cellente lettre et de la charmante histoire de Votre
Sosia. «Ten ai ete si enchante que j'allois me van-
— 16 —
tant par-tout de Tavoir re^ue et la racontant ä tont
le monde; eile a eu un grand succes et la belle so-
ciete de Paris n'a parle pendant huit jours que de
riiomme qui a vendu sön ombre. Je ne crois pour-
tant pas que se soit pour ce public -lä que Vous IV
vez ecrite: Vous auriez eu certes grand tort, car
c'est la race la plus chetive, la plus niaise sous Tap-
parence de Tadresse, la plus denuee d'ame et dfesprit
que Dieu tolere sur la terre. Je vous conseille d'e-
tre plus fier de votre titre d'etudiant allemand que
de celui de gentilhomme fran^ois; mais au reste vous
n'avez pas besoin pour cela de nies conseils.
Voici, eher ami, notre Situation actuelle. Apris
dix mois de sollidtations les plus ennuyeuses nous
etions sur le point d'etre payes du depot de mon
grand -pere. Ce^te somme assuroit la dot de ma
soeur pour son mariage avec Victor de Broglie, jeuae
homme tres distingue par son esprit et par toute la
morale qu'on peut avoir sans dispositioa contempla-
tive. Moi aussi j'allois me trouver dans une Situa-
tion independante comme fortune lorsque Facquereur
de votre ombre nous a renvoye Napoleon. Ma mere
a quitte Paris bien vite, j'y suis reste dix jours apres
eile pour regarder en amateur politique une aussi
etrange revolution: je n'entrerai pas dans Fhistoire
de ces dix jours^ il faudroit vous ecrire des volumes,
je ne les regrette pas par ce qu'ils m'ont fait con-
noitre dans des classes de la societe que je n'avois
pas vues jusqu'alors quelques hommes d'un beau ca-
ractere et sur lesquels on pourra peut-etre un jour
rebatir une nation firanyoise; mais pour votre bonne
- 17 -
compagnie ne rn'en parlez pas, c'est la plus vile des
canailles. — Aujourd'hui vous voyez, avec quelle
adresse se conduit Napoleon, il n'a pas fait une
faute jusqü^ici: il a habUement pris le role qui con-
venoit au roi et qui auroit prevenu sa chüte. II est
tout idees liberales; il vient meme de faire dire ä
ma mere toutes sortes de choses agreables; enfin
c'est le plus grand des comediens. Que vous etes
beureux, eher ami, d'etre hors de cette vilaine, de-
goutante sphere de la politique; quand pourrai-je
en venir la! — Goppel commence ä verdir, voici les
anemones, les scilla et la yiola mirabilis — je me
trouverois faeureux si je voyois devant moi un ave-
nir quelconque de repos; rnais je prevois qu'il va
me falloir recommencer des sollicitations ä Paris et
puis ensuite la Suede, FAmerique que sais je: votre
vie vaut bien mieux que cela« Rendez -moi un Ser-
vice, eher Chamisso, vous avez- a Berlin uu ami qui
a une coUection d'autographes, j'en ai une aussi, je
vous envoye une liste de ce que je puis offrir en
ecbange, dites-moi ce qu'il m'ofGre contre. Adieu,
eher ami ^ ma mere se rappelle *a votre souvenir.
Schlegel est dahs l'etymologie conune vous dans la
botanique et moi je vous aime bien sincerement;
Parlez^ de moi ä Hitzig.
Aa^uMte baron de StaM-H«liitefai.
Albertine, HeiMgin von BrogUCt
geb. ▼. Stfi^) -Holstein.
An Ädelbert von Chamisso
in Berlin.
Parisy 2& Aoust,
rtte de FUni versüß 90.
Je teQoh aujourd^hui, 25. Aoust, mein lieb^ Herr,
une lettre de vous datee du 30. Feyrier, et qai n'a
profondeoi^t touche. Dans o^e lettre vous faiteB
appel ä des soiivenirs bien profonds dans mon eoetur,
j'espere que vous n'aurez pas cru que j'aye pu re-
ster six mois sans y repondre, et qu'avant de sa-
voir que c'etait une erreur vous Faurez devinee.
Oui, en effet je suis restee seule au milieu des
tombeaux de tout ce qui me fut eher, et ceux qui
comme vous se rattachent pour moi a ce passe, ont
- 19 -
tous les droits ä tna Sympathie. J'espke amsi qu^ils
en ont pour moi, et Texpression de oette Sympathie
chez vöus m'a ete bien douce. Helas! nons avons
beau faire, le cours de la vie eloigne toujomrs pliw
ce passe, et notre vue ineertaine en perd quelques
traits malgrez tous nos efforts. Ceux qni ont les
memes Souvenirs que nous, sont heureux^ des amis
precieux et irreparables.
Que de tems, que d'evenemens se sont ecoules
depuis vingt ans. Vous avez fait le tour du monde!
Quant a moi j'ai assiste a bien des scenes generales
et particulieres, douces et dechirantes. Au milieu
de tout cela une pensce a grandi dans mon coeur,
une image s'est revelee de plus en plus ä moi, c'est
Celle d'un Dieu Sauveur, source de tout bonheur et
de toute vertu. Ce Dieu qui a recueilli dans sön
sein ceux que je pleure, s'est revele ä moi da!» sä
parole, et m'a appris qu'il etait la seule chose n^
cessaire et la fin de tontes ses cr^atures.
Puisse*t-il s'etre revel6 de m^me a vous! Puis-
siez-vous ^re chretien par la foi eomme Fetait
Auguste! Cest la le meilleur voeu que je piösse
former pout tm ancien ami. Repoödez-moi, je vous
en prie, que vous avez re^u 6ette lettre, et que voite
n'aviez jamais doute de mott souvenir.
N'avez-vous aöcufte idett de venii' k Paris?
Vous m'en priviettdriez , n'c^-ce pte? Netfi par-
leridus de ma mere, d'AugüÄte, d' Albert — 6h mon
Dieu, comikte ce moiide k venir est peuple! La
figure de celui-ci pailise bien vite, 1^ tems
2*
- 20 -
est court. Puissions-nous etre tous reunis aupres
de celui qui est la verite et la vie!
Adieu, mein lieber Herr, adieu, et merci de
votre Souvenir. Je lirai vos poesies, et je vous as-
sure que vous pouvez compter sur une ancienne et
sincere aoiitie.
Albertlne iStalll de Br^fflie.
An Eduard Gans in Berlin.
Paris, le 16. Decbre 1830.
Ma recounaissance Temporte sur mon respect
pour la Philosophie, Monsieur,^ et au risque d^inter-
rompre un moment vos nobles travaux, je veux vous
remercier directement du souvenir obligeant que me
transmet Mr. S — , et de votre aimable lettre de
Francfort — j'espere que vous n'avez pas doute du
plaisir avec lequel je Tai regue: j'en ai ete tres-
fiere.
Le grand proces va commencer; nous voilä sur
le seuil de ce nouveau palais de justice d^oü va
sortir une decision si solenneile! — En dehors dia-
cun fait d'avance le jugement, bien decide a blämer
avec plus ou moins d'energie celui qui en dissen-
tera, quel qu'il puisse etre. En ma qualite de femme
il m'est permis de plaindre tous les malheurs et de
trembler pour tous les perils; j'use de ce privilege,
- 21 -
et je crains en meme tems pour les vainqueurs et
pour les vaincus. On se moque de mes peurs, on
m-assure quMl n^y aura pas le moindre trouble, et
que le beau caractere de notre revolution ne sera
volle d'aucun nuage. — Si cette heureuse confiance
n'est point dementie pendant les qninze jours. du
proces, nous serons bien forts, et vous nous re-
trouverez bien joyeux au printems, tous pret^ ä re-
prendre nos conversations metaphysiques äutour de
cette petite table oü vous avez laisse de si bons
Souvenirs.
Notre ami commence son cours mardi — les
femmes en sont exclues — c'est bien severe pour
nos intelligences qu'on trouve indignes d'en profiter.
Nous n'aurons que le discours d' Ouvertüre qüi sera
seul imprime. , Etes-vous aussi inflexible pour les
Dames de Berlin? Si jamais vous faites un cours
ä Paris, nous permettrez-vous d'entr'ouvrir lä porte?
Adieu, Monsieur, recevez les affectueux et re-
connaissants Souvenirs de- toute ma famille, et croyez
a toute la joie que nous aurons ä vous revoir.
Albertlne Stal^l de Brofflie.
An denselben.
Paris, le 12. Aoust 1835.
Je voüs aurais repondu depuis long -tems, Mon-
sieur, si nous ne nous etions trouves dans des cir-
_ aa ~
constances si graves et si agitees qu'il etait difficil«
d'ecrire. J'ai eu bien de la douceur ä voir vos
amisy U est impossible d'etre meUleurs et plus aüna*
bles: La femme a les yeux les plus doux et leg
plus vi£3 qui aunoucent tout son esprit; et le man
a une intelligence et uj> amour du beau qui se n^a*
nifestent dans toute sa personne. Helas! nous avoiui
bien peu le tems de nous livrer ä de si belies et
douces preoccupations! Notre pauvre pays est bien
tourmente par un petit nombre d'esprits desordon*
ues et violens, pour qui tout sentiment du bien et
du mal e$t aneanti, et qui meprisent toute regle.
U y a dans la masse du pays un grand bon-sen«
et beaucQup d'amour de Tordre, mais 11 n'y a pas
de convictions assez fortes et assez elevees pour lut-
ter contre Tardeur des passions, excepte dans le mo<>
ment ou le danger rallie toutes les ames honnetes
et leur rend toute leur euergie. Ce n'est que dans
le renouvellement de la foi dans les ames que nous
pottvons trouver la remede veritable et dinrable a
tous nos maus, et ce n'est qu'a Dieu que nous pou-
vons le demander.
Adieu, Monsieur, nous voudrions bien que vous
vinssiez nous faire une visite en France; mon man
et M. D. se rappellent avec grand plaisir celle
que Yous nous avez fait, 11 y a trois ans. Notre
chere amie MUe Raudale nous a ete enlevee pour
habiter un meilleur monde, 11 y deux annees. Nous
ne cesserons Jamals de la regretter. Jai reyu une
lettre pour eile de Texcellent Mr. de Turok; j'au-
- 23 -
rais desire qu'il apprit en meme tems, que la triste
nouvelle de sa mort, le souvenir que je conserve
de Tamitie quelle avait pour lui.
Agreez^ je vous en prie, Texpression de mes
sentiments bien sinceres.
StaM de Br«sUe.
Jean Paul FriedTieh Richter.
Geb. in Wunsiedel den 21. März 1763,
gest. in Bayreuth den 14. Novbr. 1825.
An Professor Phil Conr. Marheineke in
Erlangen.
Bayreuth, den 5. October 1805.
vVer den ersten Posttag versäumt, kann gewüs
furchten, dafs es ihm mit dem sechsten auch so ge-
hen werde — wie mir. Hier endlich sende ich Ih-
nen Ihre Auslage, an deren 8 Fl. 38 Kr. ich Ihnen
schon in Erlangen 2 Thlr. pr. zurückgezahlt — und
den Anfang Hamanns zu. Ich kann dieses Schools-
und Busen- und Herzenskind nicht länger entra-
hen, als bis Sie und unsere Freunde es zweimal
gelesen. Dann fliege es mir wieder zu. So oft ich
gar nicht lesen will, sondern nur denken oder ge-
niefsen: so les' ich Hamann. — Da ich eben Einquar-
tirung auf meinem Schreib -Kanapee habe — näm-
lich 2 Kinder und 1 Hund — so mufs ich unor-
dentlich ui)d kurz zugleich schreiben. Wenn Sie
Herrn Wendel in meinem Namen danken: so bitten
- 25 -
Sie auch um ein geliehenes, imfrankirtes Exemplar
vom Verkündiger, dessen Fülle und Wechsel mich
immer so sehr erquickten. Grü&en Sie recht den
liberalen geist- und kenntniüsreichen Ammon, dessen
Person mich zu seinen Werken fuhrt, wie sonst um-
gekehrt, und den liebenswürdigen wackern Le Picque
und den £x-Schelling Mehmel. Ich danke für alle
vereinigte Liebe, wozu auch die Ihrige gehört, freund-
licher Prediger der Freundlichkeit.
Ihr
Jean Paul Fr« Ricliter.
(Eben so eilig.)
A n d.e n s e 1 b e n.
Bayreuth, den 26. üVorember 1805.
]9ier folgt das Doppelwort an Herrn Manns-
felder.
Mit der Bitte um den Yerkündiger meinte und
mein' ich's ernsthajft. Der freundliche Ammon bringt
ein neues Werk von Hamann sammt meiner Bitte
um das vorige.
Ein poetisches Lexikon von Hamann kenn' ich
nicht; ich wünscht' es wol zu sehen, da Sie ihm es
zuschreiben.
Könnt' ich doch irgendwo in beiden Fürsten-
thümern Schwarzen's Erziehungslehre auftreiben, eh'
ich meine in zwei Bändchen gebe.
Sogar einem Entfernten ist Le Pique's Entfer-
nung eine unangenehme. Ich grüis' ihn herzlich.
Allerdings gehen jetzt Droh- und Schwanzsterne
- 26 -
aller Art durch unsere Zeit; und nur ein Gott kann
sagen, ob sie Welten zerstören oder selber zerstörte
sind, oder nur durchsichtigere Erden.
Mögen immer glückliche Sterne über Ihnen ste*
hen und herrschen!
JT, P. F. Rlcliter.
«. +
An denselben.
Bayreuth, den 18. März 1806.
Giebt es keine Möglichkeit und Post mehr, dafs
ich meinen Luther und Anti- Mannsfeld wieder be-
komme, lieber Marheinike? Mein Freund Thieriot,
der in acht Tagen abreiset, möcht' ihn noch vorher
lesen. Ich bitte sie darum. Könnten Sie in solcher
Eile noch Grübner's Gedichte beilegen: ich würde
Ihnen doppelt danken. Nach Ihrer Probe bin ich
froh, dafs wieder neuer Geist in die Earchenge-
schichte kommt, die immer so leer, wie die mr-
chen selber, ist — Die organischen Kügelchen zu
meiner Abhandlung über die Reliquien sind ohne
meine Zeugung durchaus unfruchtbar. — Leben Sie
wohl und grüfsen Sie Mehmel und Ammon und das
Buch Hamann.
Ihr
JTean Paul Fr. Ricliter«
An denselben.
Bayranib, den 8. April 1806.
Ich bedarf Ihrer ganzen Güte zur Entschuldi-
gung meines Schweigens, das ein Ja oder Nein auf
- 27 -
Ihre jFrage va'schob. Indefs is^ eben meine Ant-
wort — dies entschuldige ein wenig das Schweigen
— keines von beid^. Ich will näinlidi gern mei-
nen Aufsatz aber die Reliquien für Ihr Taschenbuch
vollenden — obgleich nur dessen Hälfte ernsthaft
wird — aber ich habe nur dazu einen langern Spiel-
raum, nämlich Zeitraum nöthig. Erst im August bab*
ich meine Erziehungslehre vollendet; dann hab' ich
für Kanne's aUfemeine Mythologie eine Vorrede
versprochen. Es käme nun darauf axi, ob mein Auf-
satz Anfangs Septembers nicht zu spät komme. Im
andern Fall wiird' ich ihn also für das künftige Jahr
Ihn^i anbieten, falls das Taschenbuch sich selber so
lange verspäten wollte.
Ich danke Ihnen sehr für Ihr gütiges Dariehn
von GrübeFs Gedichten. Er gehört freilich nur zum
Landvolke am Musenberge. Leben Sie wohl. Ich
grüise Sie und unsere Freunde*
S^ F* W. WLlmUtf^r.
e.i
An W. V. Röder, General-Adjutant des Feld-
marschalls V. Möllendorf in Berlin.
Bajreutb, den 29. Februar 1808.
Abgeschickt den 20. JMärz.
Wenn der Schriftstell^ zuweilen aus Büchern,
so ist auch der Briefstellw aus Briefen zu errathen;
und da: Ihrige gab mk die Freude, daraus, wenn
idi's Ihnen geradezu ins Gesicht — - schreibt! soll,
ein wahrhaftes und schönes Herz zu erath^i. Und
dies sei von mir brüderlich empfangen! — Ihr Stand,
Ihr Kriegs- und Ihr Residenz -Getümmel macht es
- 28 -
sonst eben nicht teicht, die Musik der Poesie gleich-
sam unter Kanonen und Stürmen zu vernehmen; de-
sto leiser ist das Ohr, das sie dennoch hört —
Unsere erfreulichsten Töne kommen jetzt (vor der
Hand und Zeit) von keinen andern Höhen herab,
als (wie Schweizer - Kuhreigen) von den Musen -
Bergen. Innigst erquickt hat mich Ihr Wort, dafs
Ihr d^tscher Bruder, eh' er für Deutschland ge&l*
len, durch meine Werke einige über den Lebens-
Dampf erhebende Stunden empfangen. Man ist schon
froh, wenn man auch nur dem gemeinsten Todt^ü
ein Paar lichte oder warme Lebens -Minuten hat vor
seinem letzten Gange mitgegeben; wie viel mehr,
wenn man einem edlen Geiste, eh* er sein Leben
opferte, dasselbe versüfst hatte. Daher, wenn ihn
meine Werke sogar zum Tode hätten b^eistarn hel-
fen, ich würd' es nicht bereuen.
Haben Sie Dank für Ihre Theilnahme an mei-
nem Innern! Schreiben Sie mir, so oft Sie kön-
nen! Bleiben Sie so, wie Sie mir erscheinen! Und
das äufsere Leben begleite und beglücke, so weit es
kann, Ihr Inneres!
Jean Paul Fr. Richter.
N. S. Vergeben Sie mein Ausstreichen, sogar
in der N. S. Da ich jeden Brief schnell hinschreibe
ohne Konzept, so dafs der Leser die erste Auflage
bekommt, so mufs ich bei dem Nachlesen die zweite
hineinkorrigiren.
- 29 -
f.
An Dr. Dorow in Wiesbaden.
Bayreuth, den 15. Septembef 1817.
Ihr Werthes vom 17.' Juli d. J. erhielt ich in
Heidelberg. Das Schicksal brachte am Abende vor
meiner Abreise gerade Tiek aus England auch da-
hin^ und unter andern mit darum, damit er mit Ha-
manns-Bücher-Buche, das Reichardt mir geliehen,
aber nachher ihm geschenkt hatte, am Tische des
Kirchenrath Schwarz mir wieder ein Geschenk ma-
chen sollte und zwar ungebeten. Indeis sammeln
Sie immer so viele glänzende Fliigelfedern, als die-
sem in die Sonne selber entflogenen Phönis: ausge-
fallen, mit Hülfe seiner Freunde auf. Findet sich
endlich der lange gewünschte Herausgeber, so leih'
ich ihm freudig mein Exemplar dazu. Fand' ich
selber Zeit zur Herausgabe — welche freilich nicht
im blofsen Abdruckenlassen, sondern auch in lite-
rar- historischen Erläuterungen bestehen mufs — so
würd' ich Sie um Ihre Hülfe bitten, — Jacobi be*
sitzt eigentlich den vollständigen Schatz.
Möge Ihr schöner Eifer für den Verklärten be-
lohnt werden.
Ihr ergebener
Dr. JTean Paul Fr. Rlcbter.
An
Bayreuth, den 6. November 1821.
Ihr schöner, von der Freundschaft verlängerter
Brief aus Bremen, höchstgeschätzter Herr, verdient
- ,^0 -
idttnen wärmsten Dank gegen Sie, dem die Menge
der Geschäfte nur kurze und gleichgültige Briefe er-
lauben kann. Durch den Weinschatz Ihrer Berg-
werke, deren äufserliche Ausbeute den Menschen
mehr beglückt, als die innere anderer Berge, wer-*
den meine Bitten '. und Ihre Wünsche zwar für die-
sen Winter erfüllt, aber auf eine andere Weise.
Unter Ihren von mir versuchten Weinen sagt mir
nämlich der aus Frankfurt gesandte Probe -Barsae,
die Flasche zu 1 FL, Oxhoft zu 180 FL, allein tu^
nicht blos durch Stärke, denn diese liefse sich durch
Menge ersetzen, sondern durch die wohlthätigste Wir-
kung auf mein Nerrensjsteiti.
Ich bitte Sie daher, auf dem kiirzesten Wege
mir ein halbes Oxhoft dieses Weins von demsel-
ben Jalu* und Werth gütig zu senden. Nach mei^
ner Wetterkunde gibt der gelinde Winter ftllen Wd-
nen völlige Durchgangs -Gerechtigkeit durch sich.
Leider thaten schon die ersten Gläser aus dem
übersandte Sauteme - Fafe noch schlimmere Wirfctittg
als der vorige, sonst so geistreiche Sauteme; —
Nervenschwinddi, Aussetzen des Pulses und Erhitzung
des Kopfes noch am Abende (denn ich trinke Htur
Vormittags zum Schreiben Wein) erlaubten mir nur
eine halbe Bouteille, deren zweite Hälfte aber auf
einen Freund von mir rein und erheiternd wirkte.
Weder Stärke, noch Schwäche sind hier Schuldige;
denn Ihr starker Barsac zu 1 FL ist mein Freutld
und Arzt und Ihr Frankftirter Probe -Sauterne von
1814 zu 48 Kr. gerade das Gegentheil, und so der
Prmgnae m 1 PL Ihr Bremer Graves-Wein vm
- 31 —
ISlIS hingegen wirkt wieder viel besser. — -*- Sie
sind sa gepls^ mit mir, als wären Sie mein Haus-
«rzt; — und der sind Sie auch als Kellerarzt; denn
ich gebrauchte nie einen andern Arzt als nnch selber.
Sie werden mir nun schreiben, wieich dasjetzo
ausruhende Fafs — welches mit dem Kistchen 16 FL
3 Kr. Mauth und 32 Fl. 24 Kr. Fracht gekostet ~
durch Nachfüllen (vorigen Sauterne hab' ich noch)
soll behandln lassen. Noch zweifle ich, hier, wo
man französische Wdne nicht zu schätzen weiis und
daher nur wenige und nur sdilechte hat -*- einen
Käufer dafür zu finden. Ihr Wein wird nicht so
soi^fiAtig behandelt werden wie meiner, sondern, da
er der Burige ist, noch besser. W^en der Nähe
des Absendortes hab' ich die Frankfurter Proben
mehr gekostet als die Bremer; für den FrähKng
bleibt ja noch die Wahl aus diesen übrig.
Möge nur der treffliche Barsac in seiner rei^
nen Giite •-*- ohne besonderes Faissqhwefeln, das mei«
nem eigensinnigen Nervensysteme zuwider ist «^ an-
lai^en können! Einest so theilnehmenden Manne
wie Sie darf ich * es wohl in etnem Gesohäfisbriefe
schon sagen, dafs mein armer Körper in diesem Win-
ter bei meinen geistigen Anstrengungen änfserliche
Stärkung bedarf^ vm (ife Trauer meiner Seele über
die gröfste Wunde meines Lebens — über den Ver-
lust meines einzigen ISjabrigen Sohnes voll Talent
und Tugend — auszuhalten.
Mit inn^» Hochachtang
Uw ergebenster
JTm« Paul Vw. RMMMf.
- 32 -
N. S. Diesen Vormittag hab' ich noch Ihren
Sauterne Von 1802 versucht und ihn recht gut
(für mich nämUch) gefunden. Verzeihen Sie mein
Wein-BuUetin!
lt.
An den Kriminal-Direktor Dr. JuL Hitzig
in Berlin.
Bayreuth, den 20. Mai 1823.
An keinem Tage konnte mir Ihr so lange ge-
wünschtes Buch erfreulicher zukommen als gestern,
am zweiten Pfingsttage, weil ich dadurch auf einmal
meine Pfingsten hatte; denn in Bayreuth unterschei-
den sich mir Wochen von Festen nur durch die —
Westen. *— • Ihre ganze Darstellung von den Ein-
theilungen an bis zur rechten Mitte zwischen furdit-
samem Verschweigen und kecker Offenherzigkeit er«
freute mich inniglich, so wie Ihr Schonen als sein
Freund und Ihr Richten als Wahrheitsfreund und
Ihre Sprache dazu, sammt dem ästhetischen Urtheil,
und ich sehe froh Ihrem Denkmale Werner's entge-
gen. — Sie haben mir durch Ihr Geschenk auf eine
schöne Weise mein Schweigen auf Ihre Bitte ver-
ziehen, deren Erfüllung theils durch meine Vorre-
den (die letzte in der unsichtbaren Loge), theils^
durch das Urtheil des Publikums überflüssig wurde^
so wie jetzo noch mehr durch Ihr trefiUches.
Buch.
Der hiesige schöne Abend mit Ihnen und den
Ihrigen hat sein Abendroth behalten. Die kleine
Morgenröthe, meine liebliche Eugenie, grüis' ich
— 33 -
hier recht innig und väterlich. Auch Ihre Gesell-
schafterinnen seien gegrüfst Mit Hochachtung und
Liebe
Ihr ergebenster
Jfewa Paul Fr. Rieltter«
i.
An denselben.
Bayreutli, den aO. April 1824.
Guter, nachsichtiger, thätiger Gläubige* und
Gläubiger! Denn in der That meine Schuld an
baarein Dank ist gröfs$ und zwar für Thaten und
Briefe zugleich. Sie allein waren ja der Stifter des
Leserfestes«
Etwas entschuldigt mich der Anlaüb selber^ der
Geburttag, der immer auch ein Geburttag von Ant-
worten und allerlei Arbeiten wird. Auch der Früh-
ling eignet sich so viel Zeit vpn mir zu, als wohnf
ich in einer grofsen Stadt; und wahrlich er ist auch
eine und zwar die schönste. — Wie kann ich aber
Ihrem herrlichen, mir unvergefslichen Berlin — die-
ser Bergstadt der deutschen Kultur, der gesellschaft-
lichen, ästhetischen und philosophischen, genug Dank
und Freude bezeigen? GriHsen Sie von mir noch
die Toastdichter ^ besonders SchüUer, v. Ahlefeld
und Fouque. Ueberhaupt wünscht' ich wohl Namen
einiger Theilnehmer und Theilnehmerinnen, in so fern
es bedeutende sind, wenigstens zur stillen Freude
und Liebe zu wissen.
Noch einen jfrühern Dank als den letzten bab'
ich Ihnen für Ihren Werner zu sagen, mit welchem
3
- 34 -
Sie mich viel näher bekannt gemacht und dadurch
von manchen Seiten her ausgesöhnt haben. Hätten
wir nur mehre so lebendige Lebensbcschreibui^;en
als blos zwei; und Sie sollten der Freund von mehr
als einem grofsen deutschen Schriftsteller gewesen
sein. Der gute Werner fiel, wie der noch kräftigere
Hofmann, in den poetischen Gährbottich unserer Zeit,
wo alle Literaturen, Freiheiten, Geschmäcke und Un-
geschmäcke durch einander brausen, und wo man
alles findet, ausgenommen Wahrheit und den Gknz
der Feile. Beide hätten sich zu Lessings Zeit^i am
Studium reiner entwickelt
Ich habe in meinem 62sten Jahre oft auf einen
meiner Festtrinker und Festtrunksprecher würdigeB
Streckvers gesonnen; aber noch immer wollte nidhts
kommen.
Leben Sie wohl, mein lieber Thdlnehmer, mit
Ihrer trefflichen Tochter und allen Ihr^n!
Ihr ergebenster
Jfmam Wmnä Ww. Ricliier»
Avg. Willi. Iffland.
Geb. in Hannover den 19. ^pril 17599
gest. in Berlin den 22. September 1814.
In meiner Handschriften -Sammlung befindet sich der
Originalbrief Ifflands an George Forster, welchen ich
unter a. hier folgen lasse. Möglich, daüs derselbe
bereits gedruckt ist, weil durch eine mit Bleistift
beigeschriebene Bemerkung er dazu wohl bestimmt
sein mufSste; es heilst nämlich: „Obwohl mancher-
lei Anla& sich findet, lasse ich dennoch diesen Brief
ohne Bemerkungen abdrucken: er bleibt auch, ne-
ben dem Bestreitbaren, eine erfreuliche Erinnerung
an den gefeierten Mann." Es scheint 6. Forsters
Handschrift selbst zu sein. Alles Forschens und
Suchens ungeachtet habe ich weder in Forsters Brief-
wechsel, Hoch in seinen andern Schriften das merk-
würdige Schreiben auffinden können, daher ich bei-
nahe vermuthen möchte, daJls Forster seine Absicht
nicht ausgeführt hat Ist der Brief dennoch be-
kannt, so verzeihe man meine Unk^antnifs. Der
unter b. mitgetheilte Brief zeigt uns Iffland, mehrere
Jahre später, in tieigereizter Stimmung über Yerfol^
3*
— 36 —
I
gangen, die ihm in Berlin durch Druck und Ver-
breitung bösartiger Pasquille zu Theil geworden wa-
ren; Iffland kam im Jahr 1796 nach Berlin.
An George Forster in Mainz.
IManbeim, den 30. Juli 1790.
Herzlich willkommen in Deutschland, in unsrer
Nähe, bei Ihrer vortrefflichen Frau, bei denen, die
Ihren Werth so herzlich fühlen und Sie lieben. Zu
denen gehöre ich, Sie wissen es, und es ist Ihnen lieb,
das erhöht meine Lebensfreude in schönen Standen.
Dank 9 dafs Sie meiner gedacht haben. Und mein
Figaro hat Ihnen Vergnügen gemacht? Das belohnt
und ermuntert mich sehr. In dem Briefe, den Sie
darüber schreiben, steht etwas, davon ich nicht übet-
zeugt bin, und so will ich Ihnen mein Vertranen auf
Sie und meinen Glauben an Ihre Nachsicht damit
beweisen — dafs ich es geradezu sage:
„ Unsre Freiheit ist nahe, ich bitte nicht mehr
„darum, sondern, dais das Volk dann die
„B^niherzigkeit üben möge, welche uns uii*
„sere Tyrannen so oft versagten.''
Ich bekenne, dajb ich auf diese Epoche mich
nicht freue, dais ich mich betrübe, wenn Sie m-
tritt! Wenn die jetzige Form geändert würde, der
etBie Stand von seinen Bänken heruntergesto{s^,
der dritte sich an dessen Stelle darauf breit machte»
was gewönnen wir? Die Gröblichkeit des Parisar
tiers etat mifsfällt mir, was würde aber nidit erst
- 37 -
der tiers etat von Wien oder Bremen machen?' Wer
ist es, der zu Paris die Revolution vorbereitet und
fast entworfen hat, als die Gelehrten? So würde es
und so müfste es auch in Deutschland sein. Nun
aber — Allgütiger! bewahre Deutschland vor den
deutschen Gelehrten! Ihre Despotie, die schon jetzt
Menschenverstand und Menschengefiihl so oft beld-*
digt, ihre Widersprüche, die Faustrechtssitte, womit
die Meisten ihre übellaunigen Systeme etabliren, die
Rauhheit, der unbarmherzige Hochmuth^ womit die
Meisten schon bei ihrem Leben, der eine auf diese,
der andre auf jene Weise — ihre Lobreden selbst
schreiben, diese Klätschigkeit — im Mantel dw
Gradheit, diese Fl^elei, genannt hoher Bieder-
mannston, diese Herzenshärtigkeit — Gott! da richte
ja noch lieber das alte Hofgericht von Rothweil al»
dieser Areopag — oder der, den dieser veranlasse»,
könnte! — Ja, lieber Förster, ich kenne nichts, das
mir mehr zuwider wäre, als der mdu*ere Theil der
deutschen Gelehrten! Ihre Güte mag Sie oft abhal*
ten, sie zu sehen, wie sie sind, oder jene mögc»i
oft vor Ihnen die Krallen einziehen, die sie vor
unser Einem in ihrer ganzen Häfslichkeit auf Ti-
sche und Angesicht und ihrer Kollegen Herz hin-
legen. Es ist eine eigene häisliche Ra^e« — Hat
Figaro Ihnen gefallen: so getraue ich mir, über
diesen etwas besser Unterrichtete und etwas Unt^-:
haltenderes zu geben, wenn ich in späteren Jahren
bequemer ihrer Kralle und ihres heimtückischen
Kothwerfens aus Winkelgassen lachen kann! Da
ich in Recensionen nie mi&handelt bin: so ist es^
- 38 -
ein klar» Beweis, dals ich es nicht aus Depit sage,
sondern ans Sachkenntnifs. — Denn audi gestdie
ich, dais der Enthusiasmus für Einen (sä es
Ideal) mehr Ganzes bewirken kann, wie ich glaube,
mehr zum Vertrauen leite, und dem Vertrauen, selbst
eine Kraft gebe, welche eine Regierung Vieler
nicht einflofjsen kann. Was in Frankreich jetzt ist
— ist Schwindel, der sich mittheilte, nicht Kraft,
die sich schon gesetzt hatte.
Wie wollen wir Bedrückungen entgehen, wenn
wir die einzige Form abwerfen? Aber werden nicht
Beeinträchtigungen, Vorzüge, Zurücksetzungen und
die ans diesen von selbst entstehende Ünterordnui^
immer das Loos der Menschen sein, so lange es
Leidenschaften und Rechte des Starkeren giebt? Und
eben diese Rechte des Stärkeren werden so gut
durch Familienbund und Antisten - Komplot beibe*
halten, vielleicht bündiger, als durch den jetzigen
beständigen Militairftifs! — Die freie Schweiz klagt
und tobt dagegen und dennoch prefst der Familien-
druck diese Klagen gewaltsamer nieder als R^im^i*
ter. Darum — ich gestehe es — wünsche ich lie-
ber, dais Alles bleibe, wie es ist! Wenn unsre
Fürsten die französische Revolution, die deutschen
Unruhen, als den Zeigefinger ansehen (und sie thun
es), womit eine höhere Macht ihnen dräuet, wenn
sie, dadurch geleitet, auf den Ursprung ihrer Macht,
auf ihre Pflicht gegen uns (sei es aus Politik!) se-
hen: so mag Frankreich seine Garde -Nationale be-
halten — nie sollen Herr Pahl und Herr Renner
deutsche Garden kommandiren, noch Herr Koch
- 39 -
oder Herr Boeck Grafen und Barone hängen, dann
morgen wieder Cinna oder die Gnade des Augast
spielen. Es ist mir recht, wenn wir bleiben, wie
wir sind; es kommt nichts Be&res nach, am wenig-
sten in Deutschland. — Wer weifs, endet nicht die
beste Welt von Lafayette — in einen Bankerutt!
Die Finanz -Menschen behaupten: er sei schon —
nur ausgesprochen sei er noch nicht Was ist dann
gewonnen?
' Doch ich vergesse: Sie kommen aus Frankreich
— und also müssen Sie leidenschaftlich für das sein,
was Ihr edles Herz wünscht, dafs es dort s^in mochte,
und woran Ihr Glaube an gute Menschen nicht zwei-
feln kann, dafs es wird — und so bin ich mit dem,
was ich sage, riothwendig Ihnen sehr zuwider.
Noch eins, scheint mir, wird jetzt übersehen.
Fordern wir nicht zu viel von Fürsten? Es ist
Mode, sie zu hassen; Mode steckt auch den Klüg-
sten etwas an — ist es nicht Gerechtigkeitspflicht,
sehr auf semer Hut zu sein? Sie werden herzlich
lachen (denn böse können Sie nicht darüber wer«
den), dafs ich Ihnen das so umständlich schreibe,
aber, sollte ich auch dadurch bei Ihnen verlieren,
so wiirde ich doch das fast eher wollen, als ver-
schweigen, was ich über die Freiheitslosung fühle,
die Sie mir gegeben haben.
Da ich bei dem Krönungswesen mitfiguriren
soll: so freue ich mich, dann einigemal nach Mainz
zu kommen. Huber hat indefs die Zeitungen fast
ordentlich geschickt, aber sich wohl gehütet mit ei-
ner Silbe dazu zu schreiben: dafs er lebe. Es ist
- 40 -
also doch zu vermuthen, dafis er existire, und weHn
etwas von ihm verlauten sollte, bitte ich Sie, ihm
wissen zu lassen, dafi» ich seiner gedenke« Vor al-
len aber empfehlen Sie mich Ihrer guten Therese;
empfehlen Sie mich ihr herzlich, denn ich begreife
sie sehr. Bleiben Sic mir gut!
IflTliMid«
An den Kriegesrath Müchler.
Berlio, den 3. December 1800.
Empfangen Sie meinen innigsten Dank für die
schöne Empfindung, welche Ihr Herz und Ihr Ta-
lent mir gegeben haben. Es ist ein Busch um eine
frische Quelle, an der Heerstrafse für den müden
Wanderer gestiftet ! Das Erstemal war dieses freund-
• liehe Wort, waren Sie das Lebenszeichen guten Wil-
lens, was in Berlin ich je empfangen zu haben weils.
Nachdem alle Federn und Zungen mich schänden
und würgen — sind Sie der Erste, der es wohl-
wollend sagt — das ist zu viel!
In der That, da ich das Glück habe, eine ge-
wisse Kindlichkeit der Empfindungen erhalten zu
haben: so leide ich zwiefach bei dem herzlosen
Wesen, womit einige Herostraten, die würdigere
Dinge zerstören, mich systematisch verfolgen und
die ganze jeunesse de Freron aufbieten, meinen
Ki*edit und meine bürgerliche Ehre zu zernichten.
Ich selbst kann für meine Vertheidigung fast nichts
thun, also lege ich meinen guten Namen und seine
Erhaltung bei jedem Ehrenmanne nieder, und so
- 41 -
mufs ich erwarten, welche Wendung die Dinge neh-
men wollen; ob ich in Berlin bleiben kann, oder
ob, die Erhaltung meines Rufs mir befiehlt, es zu
verlassen.
Von Herzen der Ihre
IflTland,
Darf ich meinen Freunden Abschriften ohne ih-
ren Namen und mit dem abg^nderten Namen am
Schlufs — G. t. r. geben? Wenn Sie es nicht ver-
bieten, nehme ich es für Erlaubnifs.
Ednard Gans.
6eb. in Berlin den 22. März 1798,
gest. in Berlin den 5. Mai 1839.
In diesen Bänden ist schon öfters des Professors
Ed. Gans Erwähnung geschehen und es sind Briefe
an denselben mitgetheilt worden. Die freundliche
Theilnahme des Herrn v. Varnhagen für mein Un-
ternehmen macht es möglich, nun auch Briefe von
Gans selbst, an Varnhagen aus Frankreich, Italien
u. s. w. geschrieben, hier abdrucken zu lassen. Lei-
der fehlt uns bis jetzt noch stets ein Lebensabriis
des trefflichen Mannes und seines einflufsreichen
Wirkens auf unsrer Friedrich Wilhelms -Universität.
Daher mag ein Wort über denselben hier einen
Platz nochmals finden, welches ich in dem vierten
Hefte der Facsimile mitgetheilt habe.
Eduard Gans, ordentlicher Professor der Rechte
an der Universität zu Berlin, geboren daselbst den
22. März 1798, nimmt unter den deutschen Gelehr-
ten einen bedeutenden Bang ein^ der auch in Frank-
reich und England, so wie in dem altklassischen
Vaterlande der Jlechtsgelehrsamkeit, in Italien, in
- 43 -
ehrenvoller Anerkennung steht Schon in junget
Jahren zeichnete er sich durch Scharfsinn, Kennt-
nisse und besonders auch durch Muth aus, mit dem
er in der Wissensdiaft die freie Untersuchung gegen
ein bloises Namensansehen geltend machte. Er trat
als Vertreter der Philosophie in der Rechtswissen-
schaft auf, und indem er hiebei die sogenannte hi-
storische Schule zu bekämpfen hatte, siegte er nicht
nur auf dem philosophischen Gebiete, sondern zeigte
sich auch auf dem historischen durch Kenntnisse und
Behandlung der Gegenstände seinen meisten Gegn^n
überlegen. Sein grofses Werk über das Erbrecht
giebt hievon Zeugnüsr Durch lebendigen Vortrag
und beredte Darstellung ragte er unter den ausge-
zeichnetsten Lehrern der Berliner Hochschule . be-
sonders hervor. Obwohl durch Talent und Muth
sehr zur Polemik hingetrieben, und vortrefflich für
diese ausgestattet, darf er doch keines weges streit-
süchtig genannt werden , noch bediente er sich je-
mals unedler Waffen. Im Gegentheil wird von AI-
len, die ihn kannten, seine wohlmeinende Gutmü-
thigkeit und menschenfreundliche Gesinnung gerühmt,
die er selbst da noch ausübte, wo ihm halsstarrige
Unversohnlichkeit g^enüber stand.
a. f
An Varnhagen von Ense.
Berlin, im Oktober 1824.
Hier mein Bericht über den Vorgang auf der
Universität, von dem Sie so viel Ungenaues gehört
- 44 -
habeu! Lassen Sie gefälligst Herrn v. Beyme wis-
sen, wie es sich damit verhält. Ein akademisoher
Scharmützel, im Scherz, doch sdiarfe Hid>e! —
Ich rede von mir, wie Cäsar, in dritter Person. —
Die Disputation quaestionis fand Sonnabend den
5. September 1824, Morgens 11 Uhr, ini grofsen
Hörsaale statt Der junge Promovendus war Carl
Ludwig Michelet von der hiesigen franzosischen Ko-:
lonie, früher Refcrendarius beim hiesigen Stadtge-
richt, späterhin der Philosophie beflissen. Die Dis-
sertation behandelte einen Gregenstand der Rechts-
philosophie de dolo et culpa. Decan war der Pro-
fessor Ideler. Die der Dissertation angehängten The-
ses waren aus allen Theilen der Philosophie genom-
men. Die ersten Opponenten, Laspe3rres und Saunier,
meinten es mit der Sache erstaunlich enist^ und glaub-
ten in der That pro veritate fechten zu müssen.:
Des ersten Latinität war uotadelhaft, der zweite griff
mit der Bibel in der Hand die Thesis 11 an, und
zwar im Predigerlatein. Gans Weise zu opponiren
war also:
Er erwiederte dem ihn mit unverdienten Lobes-
erhebungen anredenden Promovenden, dafs die Furcht,
die dieser äufsere, seine Dissertation würdig verthei-
digen zu können, unnöthig sei, weil die VortrefF-
lichkeit der Arbeit solche Furcht unstatthaft mache:
Man könne es übrigens dieser Arbeit, wenn man
etwa zweifelte, ob man den Promovenden als Jurist
oder Philosophen anzugreifen habe, sofort ansehen,
wer von beiden sich hier bloßstelle, denn für einen
Juristen, namentlich für einen eleganten und histo-
- 45 -
rischen, sei der Inhalt der Abhandlung, welche von
dolom nnd culpa handele, ein viel zu leichtes und
oberflächliches Thema. Diese grofsen Jturisten hät-
ten jetzt andere Dinge zu thun, indem sie ausmit-
teln müfsten, ob Susanna, die Tochter des Cujacius,
wirklich eine Hure gewesen, oder nicht, oder auch,
ob die Professoren in Bologna ihre Honorare mit
Strenge eingetrieben, oder, wenn sie reich und groüi-
müthig waren y mit Liberalität erlassen hätten. Sol-
che Themata bekundeten den echten, wahren und
grofsen Juristen, der Promovendus aber müsse in
Ermangelung eines solchen es sich schon gefallen
lassen, ein Philosoph zu sein. Auch wären damit,
dafs er dn Philosoph sei, noch mancherlei Yortheile
verbunden, denn als Jurist hätte er sich des Hoch-
verraths schuldig gemacht, und den Kopf verwirkt,
weil er den Hasse nicht citirt habe (Professorem
non Bononiensem, sed Bonnensem), der das erstaun-
liche Talent gehabt habe, seine, culpa statt auf hun-
dert auf sechshundert Blättern zu schreiben. • Da er
aber ein Philosoph sei, d^ Opponent jedoch nur
ein Jurist, so könne zwischen ihnen kein eigentli-
ches Disputationsverhältnifs entstehen, sondern nur
ein Colloqiiium, wie es etwa in den Platonischen
Dialogen gefunden wird, so dafs Einer den Philo-
sophen, der Andre den Sophisten oder dummen
Jungen voi;stellt. Diese letztere Parthie erwähle sich
der Opponent, weil er als Philosoph nicht bestehen
zu können glaubt, und weil die cathedra superior,
auf welcher der Promovendus stehe ^ dieses Beoht
ihm allein gewähre. Nun folgte die Dispiitalioi^
- 46 -
die eben so zu Scherzen Veranlassung gab, und wo-
bei namentlich dies Gelachter erregte^ dais eine Stdie
der Dissertation, worin der V^rfiftsser gesagt hatte,
ich weiis nicht (haud scio) als eine unphilosophi-
sche Behauptung angegriffen wurde, indon em Phi*
losoph verpflichtet sei, Alles zu wissen. Bm Gele-
genheit der Stelle (S. 33), worin gesagt wird, dais
man, um sich das Leben zu erhalten, stehlen könne,
wurde die Anekdote erzahlt, daüs ein französischer
Polizei -Präsident einem Pasquillanten, der sich mit
der Einrede vertheidigt hatte, er miisse leben (il
faut donc que je viye), geantwortet habe: je n'en
Yois pas la necessite.
Nachdem die Disputation zu Ende war, hielt
Gans eine Schluisrede, worin er von den ausge-
zeichneten Fähigkeiten und den Erwartungen sprach,
zu denen der Promovendus berechtige, von der Phi-
losophie, als der Mutter der Wissenschaften, die
keiner, selbst ein Historiker nicht ungestraft ver-
achte, endlich von Hegel, der die in hiesiger Uni-
versität eingerissene und crasse Empirie wieder ge»
zwungen habe, an Gedanken zu denken.
An denselben.
Berlin, den 11. Februar 1831.
Ew. Hochwohlgeboren
werden mir hoffentlich verzeihen, wenn ich hiermit
eine Behauptung widerlegen myfa^ von der ich so
eben höre, dais sie von Ihnen inüder gestrigen &o^
- 47 -
cietät für wissenschaftliche Kritik ausgesprochai wor-
den ist Sie sollen sich nämlich darüber beklagt
haben, dafs ich die Nachricht verbreitete, Sie aeien
der Verfasser gewisser Artikel in der Allgemeinen
Zeitung. Dies ist vollkommen unrichtig: ich habe
dies niemals verbreitet, sondern, grade umgekehrt,
mir ist von mehreren Seiten erzählt worden, Sie
seien der Verfasser der mit einem -{- bezeichneten
Artikel, wovon mich einer heftig und unverdient
angegriffen hat*). Ich muDs gestehen, dafs es mich
damals tief kränkte, mich von einem Manne belei-
digt zu glauben, dem ich immer mit gröfster Freund*
Schaft zugethan war, dessen Talenten und Charakter
ich jederzeit die grofste Gerechtigkeit hatte wider-
fahren lassen, upd der zu den wenigen Gleichge-
sinnten gehört, die so sparsam sich bei uns zusam-
menfinden: ich nmfe auch gestehen, dafe ich trotz
dem, dafs mir »Ai^ Sache im Tone der entschieden-
sten Gewiisheit erzählt wurde, einige Zweifel nie-
mals habe unterdrücken können, und selbst noch
vor wenigen Tagen in einer Gesellschaft, wo wie-
derum Sie als der Verfasser der Artikel in der All-
gemeinte Zdtung bezeichnet wurden, mich laut dar-
über äuDserte, dals ich nicht daran glaube. Ihre
gestrige Aeu&erung freut mich um so mehr, als ich
nun die entschiedene Gewiisheit darüber habe, und
*) Der Artikei war von Vamliagens Schwager, Lud-
wig Robert, daher der Verdaehi lelebi entatefaen konnte;
nnd doeb niebt dnreb Nennung dea wabren Urhebera wi-
derlegt werden durfte.
- 48 -
es bleibt mir nichts übrig, als Sie von ganzem Her-
zen um. Verzeihung zu bitten, dafs ich einen Aa*
genblick diesem Gerächte habe Glauben beimessen
können.
Mit ausgezeichneter Hochachtung habe ich die
Ehre zu sein
£w. Hochwohlgeboren
ergebenster
An denselben im Haag.
Berlin, den 6. Aagust 1836.
Verehrtester Herr und Freund.
Durch Ihren Brief aus dem Haag, so wie durch
Fraulein Solmar, bin ich leider davon benachrich-
tigt worden, dafs Ihre Badereise nach Scheveningen
als verfehlt zu betrachten ist, und dafs Sie jetzt
nach Ems steuern, um Hülfe gegen ein Uebel zu
suchen, wovon Sie, so viel ich weifs, nicht befallen
waren, als Sie uns verliefsen. Aus so weiter Ferne
kann ich nur beste Wünsche für Ihr Wohlsein und
für Ihre glückliche Zurückkunft ergehen lassen. Viel-
leicht, dafs die Reise, die damit vierbundene Durch-
sdiüttelung, schon allein vermag, eine Heilkraft ab-
zugeben. '
Die Heftigkeit, die sich gegen meinen Aufsatz
kund gab, hat sich nunmehr gelegt: die Jahrbücher
werden mich weiter toleriren, und vielleicht wird
Alles bald vergessen sein. Letzhin beg^ne ich
Herrn B. im Cafe Royal.
-^ 49 -
Er. Ich habe Ihren Au&atz über die Jahrbü-
cher gelesen.
Ich. Das ist mir lieb*
Er (spöttisch). Nun er ist recht gutgeschrieben.
Ich (grob). Sie meinen wohl auch) Alles mufs
langweilig sein.
Die Drucksachen schreiten fort Vierzehn Bor
gen sind hier censirt und gedruckt Die Schweizer-
Pille steht noch beror. In drei Wochen ist das
Buch fertig und ausgegeben, so dals es Ihnen nadi
Ihrer Rückkunft sogleich zu Händen kommen wird«
Seit vierzehn Tagen werde ich wieder yon ei-
nem so furchtbaren Kopfschmerz geplagt, dafs ich
nicht aus den Augen sehen kann: er ist ganz ner-
vös und halbseitig. Dafs ich in einem solchen Zu^
Stande nicht viel arbeiten kann, ist klar.
Den vierzehnten August gedenke ich dean auch
abzureisen, und zwar zuvörderst zu meiner Mutt^
nach Dresden, dann über Würzburg und Stuttgart
nach dem Rhein und Belgien: ich erwarte daher
keine Antwort auf diesen Brief von Ihnen, und
kann auch keinen Ort angeben, wo ich sie sicher
empfangen dürfte.
Leo's Schrift gegen Diesterweg macht hier ein
Mordaufsehen. Sie ist klotzgrob und in einen Te%
von Gemeinheit und laisser aller gewälzt, da& man
sie lesen, lachen und ausspucken muis. loh bin
neugi^ig, Ihr Urtheil darüber zu erfahren.
Mundt und Preufs, der eben von mir geht, grii-
fsen vielmals. Leben Sie so wohl, als es wünsdit
Ihr aufrichtiger Freund tfAMis«
4
-so-
ll, i
An denselben in Berlin.
Genf, den 26. August 1^37.
Verehrtester Herr und Freund.
Jetzt^ wo ich an der Gränze Frankreichs mich
befinde, und vielleicht schon in wenigen Tagen drin-
nen selber sein werde, will ich es doch nicht län-
ger anstehen lassen, irgend ein Lebenszeichen von
mir zu geben, obgleich dasselbe zugleich ein Krank-
heitszeichen ist Denn ich bin heute an mein Zim-
mer gefesselt, weil ich durch eine Erkaltung auf der
Insel St Pierre zwischen Biel und Neufchatel mir
ein so heftiges Kreuz weh zugezogen habe (eine Coiu:-
bature, wie Moritz Robert sagen wiirde), dafs jedes
Aufstehen von meinem Sessel mir ein Geschrei des
Schmerzes entlockt; ich habe es deswegen auch auf-
gegeben, einen Abstecher nach Chamouny zu ma-
chen, weil sicherlich nichts lächerlicher ist, als einen
lahmen Reisenden auf Bergen zu sehen, die Flink-
heit erfordern.
Aus meinen fortzusetzenden Rückblicken wird
wohl nichts werden, denn dazu sind vor allen Din-
gen Blicke nothwendig, und zu den Blicken wie-
derum Dinge, die geblickt werden. Nun aber bin
ich nie so unglücklich gewesen als diesesmal, und
ich mufs das mangelnde Objective durch das er-
setzen, was ich selber in den gewöhnlichen Gegen-
fitänden bemerke: Hirngespinnste, die für eine in-
nere Bildungsgeschichte recht gut und nützlich seih
können, die aber nicht verdienen, dem Publicum
- 51 -
mitgetheilt zu werden, das doch ein Recht darauf
hat, dais ihm zuvörderst ein historisches^ oder ethno-
graphisches, oder wichtiges Object überhaupt gebo-
ten werde; nicht eines, das blofs innerlich ist und
nur durch das Talent des Schreibenden eine Sub-
stanz gewinnen kann; ein Talent, das ich am ent-
ferntesten bin mir zuzuschreiben. Ueberhaupt habe
ich immer bemerkt, dafs einem das entgeht, worauf
man sehi hauptsächliches Augenmerk richtet; ich bin
diesesmal auf Rückblicke ausgereist, und es wird mir
gehen, wie immer, wenn ich einen Schirm habe: es
wird nicht regnen.
Was soll ich von Deutschland melden, als dafs
ich zwischen Berlin und Leipzig zum erstenmale ge-
hört habe, was ein Gold- und Silberplättner ist,
dafs ich Brockhaus im Kampf mit der Hyder einer
neu zu errichtenden Zeitung fand, deren einen Kopf
abzuschlagen er die Güte hatte mir zuzumuthen,
dafs ich des Morgens um 7 Uhr mitten im Regen
mit etwa 100 Fahrenden auf der Eisenbahn von
Leipzig nach Althen reiste, und alle in Bewunde-
rung über das fand, was doch Menschen aushecken
könnten, dafs ich übrigens dieselbe rüstige Lange-
weile, dieselbe Zufriedenheit mit Unerträglichem, die-
selbe Lust, das nochmals zu begründen, was schon
längst begründet ist, wie immer angetroffen habe.
Der deutsche Geist wird wie eine Locomotive von
dem Dampfe bewegt, der von andern Ländern her-
kommt; selbst kann er nicht gehen, aber auch, wenn
er ruht, ist er doch stolz darauf, dafs er in Bewe-
gung gesetzt werden mag. Wie übrigens die Eisen-
4*
- 52 -
bahnen, dieses umgekehrte Babel, auf Deutschland
wirken w^den, bin ich recht neugierig zu sehen;
vielleicht erleben wir einmal die Freude, im eigenen
Dampfe zu athmeu.
In Heidelberg bin ich ungefähr acht Tage ge-
wesen; nie aber hat es auf mich einen so traurigen
Eindruck gemacht. Eigentlich lebendige Wissenschaft
ist dort nicht anzutreffen. Die Universitätslehrer be-
mühen sich, den Studirenden grade das beizubrin-
gen, was diese für das Examen nöthig haben ;*^ ja
sie .gehen so weit, das selbst zu gestehen und aus-
zuposaunen. Die Ankündigung einer vollständigen
Heidelberger Vorlesung würde ungefähr so lauten:
„Die genauesten Notizen über alles Wissens werthe
im Staatsrechtlichen, ohne welches man unfehlbar
im Examen plumpen würde.'' Was die Universität
1820 war, als ich sie verliefs, das ist sie noch.
Von Thibaut hört man dieselben Redensarten; Mit-
ta:!maier bleibt ein ungeheurer Polyhistor und Litte-
laj^kenner, ohne sie gelesen zu haben, und Zacha-
ria macht für Geld Gutachten für beide Parteien.
Philosophie ist dasjenige, was man verabscheut, weil
man eine gräfsliche Furcht davor hat^ und Creuzer
ist der einzige^ der sich der verlassenen und ver-
bannten heute annehmen mag. Dieser Mann in
seiner liebenswürdigen und kindlichen Naivetät ist
mir die einzig angenehme Erscheinung gewesen, wel-
che mir begegnete. Die Marquise Arconati mit ih-
rem feinem Siime für alles, was Welt heifst, findet
sich auch in Heidelberg weit unbehaglicher als in
B(»m; sie wird im Winter nicht dahin zurückkeh-
— 53 -
reu, ilnd Carletto Mrird in Edinburg deatsche Bil-
dung schottisch überziehen lassen.
Einen zweiten Buhepunkt habe ich in Baden-
Baden gemacht, das unter der Last seiner Englän-
der erseufet, die mir auf dem Continente niemab
lächerlicher vorgekommen sind, als grade jetzt. Ihre
Unterhaltung dreht sich um den Mittagstisch, der
entweder qapikU pretty oder bad ist, meistens aber
das Erstere, um die Wohnung, die immer capitai
ist^ weil man den Kerls die besten Zimmer anweist,
und um das Frühstück, das sie selber eigentlich an*
ordnen, und als ihr eigenes Product bewundern mos
sen. Sonst reisten nur die Lords und Honorables,
jetzt reist aber auch der dritte und vierte Stand,
der es noch immer wohlfeiler als in England fin-
det. Mit keinem Engländer, den ich auf dem Con-
tinente sah, habe ich mich in ein Gespräch über
Englische Verfassung und Zustände einlassen kön-
nen; sie verachten den Fremden entweder, oder
glauben nicht, dafs er werth sei, in ihren Particu-
laritäten unterrichtet zu werden. Wie ganz anders
hat mich Herr Ticknor, den ich in Heidelberg traf,
über Amerikanische Verhältnisse au fait gesetzt
Endlich habe ich von einem dritten Aufenthalte
zu sprechen, von dem in Neufchatel; von einer Art
von Inspection übißr meine ehemaligen Schiller. Diese
sind sämmtlich noch grofsere Royalisten als der Kö-
nig selber geworden, und zwar aus einem ganz ein-
fachen Grunde: denn sie besitzen das ganze Köuig-
thum nur im Wappen; sie bezahlen ihm nichts; es
kann sie nicht errdchen/ und so ist es d«in ledig-
- 54 -
lieh Ornament, ein Staatsrock, eine BaUeinladung,
eine Ehre, die man geniefst, ohne dafs sie erdrückt
Reiche Privatleute und Industrielle werden immer
geneigt sein, den Proletarien dergleichen Medusen*
häupter entgegen zu halten, namentlich, wenn sie die
Kunst besitzen, nicht selbst davor in Schreck zu ge-
rathen. Uebrigens muls man gestehen, ist es auch
die Gutmüthigkeit des Königs, von der man allerlei
Züge zu erzählen weüs, welche die Neufchateller
entzückt Nächst dem Könige steht der General
von Pfuel im allerbesten Ansehn. Man sagte mir:
nie sei eine bessere Wahl getroflfen worden, weil
in diesem Manne die Festigkeit, die einem Preufsen
gezieme, sich mit dem Liberalismus vereinige, der
in der Schweiz nothwendig wäre. Wenn man übri-
gens eine petite ville sehen will, so mufs man nach
. Neufchatel kommen. Bisweilen wurde ich von dem
General -Postmeister Jeanrenaud, von einem alten Zu-
' hörer, jetzigen Chatelain du Landron, Matile, von
Herrn vqp Meuron, Favre etc., im Wagen zu Spa-
zierfahrten abgeholt. Dann waren alle Damen der
Strafse*) am Fenster, denn die Anwesenheit eines
Fremden, welcher abgeholt wird, ist ein Ereignifs
für eine kleine Stadt Man giebt hier noch alle
Titel in gehöriger Weise; man nennt Herrn v. Pfuel
nie anders als Son Excellence, man sagt Mr. le
Prqfesseur^ Mr. le Chaidam^ Mr. le moMre de po-
stCy und man behandelt sich mit aller bonhomie
bourgemse^ die in grofsen Städten so ganz abge-
*) Das hoifst, welche daria wobnjen.
- 55 -
kommen ist. Auf der Insel St. Pierre bei Neufcha-
tel wird das Zimmer gezeigt, in welchem Jean Ja-
ques Rousseau sich längere 2^it aufhielt. Das Mo-
biliar, ja das Bett ist erhalten, und ein Buch ist
aufgelegt, in welches jeder Besucher sich einzeich-
nen soll. Hier nun hatte am Tage, ehe ich da war,
ein Mann, der sich Mr. Decrette, Savoi, unterzeich-
nete, ein infames Pasquil gegen Rousseau eingeschrie-
ben, auf das weitläufig in französischer Sprache ich
zu antworten für gut fand. Mir kommt so etwas
nicht minder strafbar vor, als wenn Jemand heilige
Monumente zerstört oder beschimpft.
Genf, den 27 sie».
Mein Kreuz weh, das heute, trotz einer spani-
schen Fliege, heftiger ist als gestern und mich com-
plett lahm macht, verschaffl; mir bei allem dem das
Vergnügen, mich mit Ihnen zu unterhalten und die-
sen Brief beendigen zu können. Als Reiselecture
hatte ich in Heidelberg den dritten Theil des Hei-
ne'schen Salons gekauft, bin aber erstaunt über das
Unzusammenhängende der ganzen Production, die
doqh nur durch stärkeren Humor eine Substanz
hätte gewinnen können« Sporadische Witze sind
nicht fähig, uns für die Langeweile eines durchaus
mangelnden Totaleffects und, ich möchte sagen, To«
talzweckes zu entschädigen, und diese mit unterlau-
fenden Witze kommen seltener als in früheren Pro-
ductionen vor. Glauben Sie nicht etwa, verehrte-
ster Herr, da£s ich ärgerlich auf Heine bin, weil er
mein Berliner Geschrei in Potsdam will gehört ha.-*
- 56 -
hen; solche Freihdten nehme ich nicht übel, und
ich habe recht herzlich darüber gelacht; aber da-
mit macht man kein Buch, das in der Litteratur ge-
nannt werden soll.
Jetzt habe ich aber vierzehn Seiten von mir
und meiner Reise vollgeschrieben, ohne mich nur
ein einziges Mal nach Ihnen erkundigt zu haben.
Wie geht es Ihnen denn mit den leiblichen Zustän-
den? sind Sie von Ihrer Reise glücklich zurückge«
kehrt? Die Nachricht in der Allgemeinen Zeitung,
dafs die Cholera in Berlin ausgebrochen sei, bat
mich sehr erschreckt, und würde mich zur unver-
züglichen Rückkehr nach Berlin bewogen haben,
wenn nicht dergleichen Zeitungsnachrichten häufig
von solchen herrühren, die nichts Besseres zu
schreiben wissen und daher auch nicht genau sind,
wie ich ja aus eigener Erfahrung am< besten zu
wissen berufen bin. Nicht minder thut es mir leid,
dafs es mir nicht vergönnt ist, Seydelmanns Vor-
stellungen in Berlin beizuwohnen, von denen Sie
wohl noch eine oder die andere genossen haben
werden.
Der Reisegefährte, über den Sie wohl einiges
werden wissen wollen, gehört zu den guten^ unver-
drossenen Jungen; eine eigentlich moralische Stütze
gewährt er mir nicht, denn ich kann mich in Wahr-
heit über nichts mit ihm unterhalten. In der Poli-
tik ist er Null, in der Litteratur Null -Null, vom
Leben- und seinem Fache weifs er, was ein Auscul-
tator zweiten Ranges ungefähr wissen kann; er ver-
spricht einer von den Vielen zu werden, die nach
— 57 -
Jahren im dritten Examen bestehen dürften. Aber
von Seiten des Herzens und der Unverdrossenheit
in Besorgung der nöthigen Reisegeschäfte ist ihm
das beste Lob zu ertheilen.
Gern würde ich Ihnen einen bestimmten Ort
für die ErtheUung einer ordentlichen Antwort ge-
nannt haben 9 wenn ich nur wüfste, von welchen
mich die Cholera ausschliefsen wird, und wohin sie
mir zu gehen erlaubt. Auf jeden Fall darf ich
wohl bitten, mir nach Bordeaux poste restante un-
verzüglich zu schreiben, denn einen früheren Ort
kann ich nicht vorschlagen.
Haben Sie die Güte, mich dem lieben Fräulein
Solmar, Dirichlets, Madam Lea Mendelssohn Bar-
tholdy und Hensels ergebenst zu empfehlen, und
sein Sie von der fortdauernden Freundschaft über-
zeugt
Ihres ergebensten
Haben Sie vielleicht die Güte, Herrn Duncker
in meinem Namen den Auftrag zu geben, Laube
ein Exemplar der Philosophie der Geschichte zuzu*
senden.
e. f
An denselben.
AlontpeUier, den 11. September 1S37.
Verehrtester Herr und Freund.
Die Ghol^a, welche mich nun schon so oft
Reiserouten wechseln, Orte aufgeben imd andere
- 58 -
dafür in Empfang nehmen liefs, welche mich von
Italien nach Frankreich, von Marseille nach Mont-
pellier warf, hätte mich von hier sofort ziurfickgehen
lassen, um durch eine bösartige Dialectik (wie ich
sonst geschrieben haben würde), mich das aufsuchen
zu machen, was ich vermeide, wenn nicht ein Brief
von Feige vom 30. August mir etwas beruhigendere
Nachrichten gäbe. Im Grunde sagte ich mir, nach
einigen heftigen Aengsten, sind meine Verwandten
und Freunde so gestellt, dafs sie allenfalls dem Ti-
ger aus dem Wege gehen können, und sollten sie
auch nur nach Freienwalde und Neustadt entwischen.
Sie vermuthe ich eigentlich noch in Hamburg, seit
ich weifs, dafs die Cholera in Berlin so wüthet,
und wenn ich /diesen Brief nach Berlin richte, so
geschieht es, weil ich mir denke, dafs Ihnen wich-
tige Schreiben (verzeihen Sie, dafs ich das meinige
dazu rechne) nachgeschickt werden.
In Genf fand ich, als ich eben humpeln konnte
(und ganz gut kann ich's iieute noch nicht), einen
alten Freund aus Lausanne, Herrn Guison, der mich
Genfer Rechtslehrern vorstellte, welche weder meine
Person, noch meine Bücher, aber durch französi>
sehe Yermittelung meinen Namen kannten. Ein Ru-
del alter Schüler, hörend, dafs ich da sei, suchte
mich auf, und die Schweizerische Nützlichkeitsgc-
Seilschaft, welche alle Jahre zu ihrer Zusammenkunft
den Canton wechselt, diesesmal aber in Genf sich
besprach, liefs mich durch eine Deputation zu ih-
rem Abendessen im Navigationshause einladen, und
gewährte mir einen Ehrenplatz. Komischere Reden
— 59 —
als hier habe ich wohl nie gehört; 3ie fingen bei
den Meisten deutsch in schärfster Dehnung an, und
endigten franzosisch, aber weit besser, als sie an*
fingen. DesinU in piscem multer formosa supeme,
Ain besten bewegte sich noch in diesem Deutsch-
französisch der Bürgermeister Hefs aus Zürich. Herr
Guison forderte mich zum Sprechen auf, und ich
mufs gestehen, ich hatte die ungeheuerste Lust, aber
die Furcht, mich und meine Bede den anderen Tag
im Federal wiederzufinden, die Angst vor etwanigen
Berliner Bemerkungen hielten mich davon ab, eine
Feigheit, die ich auf dem Nachhausewege bitterlich
beklagte. So ist man aber. Ein Leben in sol-
chem Hintergrunde mergelt den Menschen aus, und
man erkennt sich nach einigen Jahren kaum mehr
wieder.
Ich betrat in Frankreich ein Departement, das
Departement de TAin, das wegen seiner Naturschön*
heiten ausgezeichnet, wegen seiner Fruchtbarkeit be-
kannt ist; aber welcher Abstand, wenn man von de^
Schweiz nach Frankreich kommt. Schmutz und Bet*
telei stehen als Hüter an der Grenze; die Polizei-
Commissarien haben ganz noch den schneidenden
Ton, den lauschenden und mißtrauischen Blick der
Napoleonischen Zeit Es ist merkwürdig, wie lange
ein Weltgenie vorhält. Wir können mit allen Ab-
waschungen des MittelmäCsigkeitswassers doch die
insicive Farbe Friedrich des GroCsen nicht los wer-
den. Die Franzosen haben zwischen Napoleon und
sich einen unglücklichen Krieg:, eine Restauration,
eine Revolution , zwei Charten, und dodi steht der
— 60 -
Kaiser an jedem Zollhause, steckt in jeder Uniform,
und sieht aus den Augen eines jeden Polizeibeam-
ten. Lyon machte auf mich einen unglücklichen
Eindruck. Wenn man etwa die herrliche Aussicht
von der Höhe von Four viere ausnimmt, die mich
erhob und begeisterte, so sah ich nichts als eine
Stadt, die sich von grofsen Fabricationsleiden eben
wieder aufnimmt, die aber in Litteratur, Wissenschaft,
Theater^ Leben und Politik, das heifst in Allem, wo-
nach ich reise, einer der Gypsabgüsse von Paris ist,
und zwar einer von den vielen, die man kaum mehr
sehen mag. Wie Sie am Ende in den verschiede-
nen Städten die Gypsabgufscabinette nicht besuchen,
weil sie doch nur in Allem die Abdrücke der Elgin
Marbles finden, so brauchen Sie, wenn Sie wollen,
die meisten französischen Provinzialstädte nicht zu
sehen. Sie finden nicht allein keine Unabhängigkeit
des Geistes, sondern, was weit ärger ist, nicht ein-
mal die Pretention darauf. Paris ist die Zunge, wel-
che nicht allein für die Provinzen spricht, sondern
sie auch verzehrt Sie können dies schon daraus
sehen, dafs man die Nachrichten aus Spanien hier
in Montpellier über Paris empfangt, obgleich man
auf der place du Peyron allhier ganz deutlich die
Pyrenäen gewahrt. Dies wird sich auch so leicht
nicht ändern; man fühlt die Abhängigkeit nicht, weil
Jeder zugleich der Möglichkeit nach ein Pariser ist,
und die Hauptstadt gewinnen kann, wenn er Geld
und Xust hat. Nur die Volkssitten möchten doch
hier in Languedoc eine Verschiedenheit haben, die
sie von den übrigen französischen abschneidet. Die
- 61 -
Trachten des Volkes, ja die Sprache sind nicht mehr
französisch; es ist das catalonische Idiom, das hier
die Oberhand gewonnen hat, und Sie würden kein
Wort von dem verstehen, was Ihnen das Volk sagt
Wir täuschen uns übrigens so häufig, wenn wir glau«
ben, es sei ein gröfseres Streben nach deutschen
Hülfsmitteln in Frankreich erwacht. Wenn man auch
auf den Colleges Deutsch lehrt, so ist es grade so,
als wenn die Jungen bei uns lateinisch lernen. B^
wie vielen bleibt dieses kleben? Nach einigen Jah-
ren vergifst sich dasselbe wieder, und eine lebende
Sprache noch weit rascher als eine todte. So wie
Sie über Genf hinaus sind, hört jede Möglichkeit,
eine deutsche Zeitung zu bekommen, auf; von ei*
uem deutschen Buche ist gar keine Rede mehr; kein
Leseklub, keine Ressource, wie wir es nennen wür*
den, besitzt die Allgemeine Zeitung oder irgend eine
andere deutsche. Mir ist es recht lieb, einmal ins
südliche Frankreich gekommen zu sein, um aadere
Vorstellungen über die Stellung der Nation zu uns
zu erhalten, wie man sie in Paris in der Regel em»
pfängt. Deutsche werden in Frankreich entweder
überschätzt oder nicht beachtet Für wahre Wür-
digung fehlt die Kenntniüs der Sprache, der Littera-^
tur, wie wir sie z. B. von den Franzosen haben.
Auf der Dampfbootreise von Lyon nach Avignon
wollte der Zufall, dais Herr Sauzet, ehemaliger Gro&-
Siegelbewahrer, und Herr Viennet, Deputirter von
Bezi^s, Mitpassagiere waren. Beide kannte ich voi^
früher her« Herr Sauzet, ein Advocat im wahfeA
Sinne des Wortes, ehemals Legitimist, dann liers-
- 62 -
partist, jetzt zur Doctrin hinneigend, im nächsten
Augenblicke das wieder verwerfend, was er kurz
vorher wollte, die Macht vor allen Dingen lie-
bend, obgleich jetzt ein wenig von derselben ent-
fernt, fuhr nur bis Yalence mit, wo er sich auf das
Land begab. Er sprach viel von der Dissolution,
zu der er, wie ich glaube, keine grofse Hinneigung
verspürte, da er vielleicht nicht wieder gewählt zu
werden furchtet Es war indessen interessant, einen
ehemaligen Minister, und zwar einen, der es noch
vor einem Jahre gewesen war, der Menge, aus der
er hervorgegangen ist, wieder zurückgegeben zu se-
hen. Die Mitreisenden, die ihn kannten, nahmen
keine sonderliche Notiz von ihm, und er selbst,
man muis ihm das nachsagen, hatte auch nichts in
seinem Wesen, was an seine frühere Stellung erin-
nerte. Wenn wir dagegen unsere ewigen, olympi-
schen, für immer geborenen Minister halten! Herr
Viennet (in parenthesi: ein seichter Kerl, weswegen
ihn die Acad^mie fran^aise Benjamin Constant vor-
zog) ging indessen bis Avignon mit, und machte
am folgenden Tage mit uns einen Ausflug nach der
Quelle von Vaucluse. Er ist ein jmder perce, ehr-
lich genug, um sich nicht zu verkaufen, aber dumm
genug, um der alten Justemilieu- Fahne mit unaus-
getrockneter Treue nachzugehen. Wahrscheinlich
wird er bei erfolgender Auflösung in Beziers nicht
wieder gewählt. So sagt man wenigstens in Mont-
pellier. Ueberhaupt ist die politische Constellation
in Frankreich jetzt also, dais bei den nächsten Wah-
len eine grofse Masse Legitimisten und weit mehr
— 63 —
Radicale in die Kammer kommen werden. Man
macht sich darauf gefafst^ unter den Deputirten Vil-
lele, Corbiere, Chateaubriand, Peyronnet selbst zu
finden. Ludwig Philipp ist im Lande nicht gelieb*
ter, als er vor zwei Jahren war; nur ist man einer-
seits noch müder geworden, jetzt eben so der Höl-
lenmaschine, wie friiher der Emeuten, andrerseits
sieht man die Noth wendigkeit ein, in geschlossener
Schlacht zu kämpfen, was sich nächstens aufthun
wird. Das Programm, welches die Legitimisten pu-
blicirt haben, nähert sich mit wenigen Ausnahmen
dem der entgegengesetzten Opposition, und wir wer-
den noch einmal das interessante Schauspiel erle-
ben, Contreopposition und Opposition in Verbin-
dung mit einander gegen die Regierung auftreten
zu sehen.
Trotz aller Centralisation sind überhaupt die
Unarten in Frankreich noch nicht centralisirt; ich
verstehe darunter die ewigen Vexationen, die jede
Stadt wegen der Einfuhrung von Cigarren, Wein,
Oel und anderer Nahrungsgegenständen an Fremden
auszuüben berechtigt ist Wie gesagt: die Franzo-
sen mit ihrer Nationalöconomie sind practisch in
Allem, was das gemeine Bedürfnifs betrifft, Colber-
tisten, Bonapartisten und gar nicht über 1789 hin-
aus. Als wir in Nismes visitirt werden sollten,
machte Herr Viennet einen HöUenspectakel. Qtielle
betise! je riaurcds jamais cru mon pays aussi bete.
Sommes-nous en AUemagne ou en ItaHe? Und als
ich bemerkte, dafs man in Deutschland nicht mehr
visitire, so sagte er: Vom faäes donc ce qiion ne
- 64 —
/€fö meme plus en AUemagnef (Wie gefällt Ihnen
das?) Wenn Sie nach Frankreich kommen, gehen
Sie nicht an die Ufer der Durance und Sorgue; be-
suchen Sie die Provence nicht, diese gueuse parfii-
mee, wie sie Voltaire nannte. - Dals die Dichter
übertreiben können, habe ich gewufst; dafs sie ganz
andichten, erfährt man hier. Die
Chiare fresche e dolce acque
Ore le belle membre
Pose colei cbe sola a me par donna
sfnd, bis auf den Bassin, woraus die Sorgue ent-
springt, unbedeutend, und können sich, wie man in
Süddeutschland zu sagen pflegt, „heimgeige lasse.''
Interessant mag es Ihnen aber sein, dafs es in Yau-
duse, wie hier in Montpellier, in sechs Monaten
jetzt nicht geregnet hat.
Ab^ nach Nismes müssen Sie gehen. Wenn
man die Eisenzähne sieht, die das iiefwurzelnde, fried-
fertige Rom in d^i Gallischen Boden einklammerte,
wenn man das Amphitheater betrachtet, das weder
die Wuth der Christen, noch der Fanatismus der
Sarazenen vom Erdboden wegzubringen vermochte,
oder die Maison quarree, deren einfache Bauweise
das erhaltenste Muster für alle Zeiten ist, so geht
man aus diesem steinernen Rom gern in das leben-
dige zurück, malt es mit seinen Erinnerungen aus,
und Caesar Augustus, ja selbst die Nachfolger, las-
sen uns einen Augenblick den Birnenkönig imd seine
um ihn herumwachsenden Früchte vergessen.
Nach Barcellona kann ich diesesmal nicht ge-
hen; ich halte mir Spanien ein anderesmal olSfen,
— «5 -
denn erstens müfste ich nach Marseille, wo die Cho-
lera noch stark wüthet, dann würde ich erst in zehn
Tagen abreisen können, und endlich meint man, jetzt
dahin kommende Deutsche könnten leicht für Spione
gehalten werden und Unannehmlichkeiten haben. Mor-
gen gehe ich nach Toulouse und den Pyrenäen, und
schreibe Ihnen hoffentlich erst wieder von Bordeaux.
Von der Schweinerei in Südfrankreich gebe ich
Ihnen einen an- oder abziehenden (je nach dem Ge-
schmacke) mundlichen Bericht Ganz neue Seiten
dieser Parthie sind von mir entdeckt worden, die spät
unter meinen Papieren gefunden werden möchten.
Wie dies wahrsch^nlidi bei dem vorigen Brief
geschehen ist, bitte ich Sie ebenfalls mit dem gegen-
wärtigen zu verfahren, meine lieben Freunde, Fräu«-
lein Solmar, Mad. Mendelssohn Bartholdy, Dirichlets,
Hensels, zu grüfsen und ihnen diesen Brief mitzu-
theilen, der nicht minder für sie geschrieben ist
Vieles Interessante hätte ich melden könnai, aber
die Rücksicht auf das Porto hemmt mich. Auch
müssen ja noch Nachlesen möglich werden.
Leben Sie so wohl, als ich es wünsche, und
wenn Sie mir eine Antwort gönnen, senden Sie sie
mir nach Paris poste restante.
Mit wahrer Freundschaft
Ihr ergebenster
5
— 66 —
An denselben.'
Bordeaux, den 24 Septemhcr 1837.
Verehrtester Herr und Freund.
Ich kannte einen Mann, Gott hab' ihn selig,
denn er ist todt, welcher seine Phrasen mit: das
heifst, anfing, in der Regel so: „das heifst, ich
mufs ihnen sagen." Mir scheint dies ein stylisti-
scher Fortschritt zu sein, weil das Erklärende so-
gleich an die Stelle des Allgemeinen gesetzt wird.
Und so habe ich denn Lust, nach diesem Paradigma
meinen Brief so anzufangen: „Das heifst, Italien ist
Holland gegen Südfrankreich." Und zwar bezieht
sich dieses nicht allein auf die Reinlichkeit, son-
dern auch auf mancherlei Anderes, dessen ausführ-
liche Besprechung indessen mündlichen Erörterun-
gen vorbehalten werden mufs, weil es sonst so stark
anzuwachsen droht, dafs es mir leicht den ganzen
Brief wegzunehmen im Stande ist.
Doch gilt dieses nicht von den Pyrenäen. Die
unmittelbare Reinheit der Natur, an der die Men-
schen erstarken, giebt auch Reinheit der Angewöh-
nungen; es findet sich hier das Gleiche wie in den
Alpen, wenn auch im minderen Grade. Sechs bis
sieben Tage habe ich nun dieses Gebirge durch-
schritten, und zwar zu Pferde, den Tag ungefähr
sieben deutsche Meilen machend, nach sechzehnjäh-
riger Abwesenheit vom Pferde eine harte Lenden-
prüfung. Ich mufs auch gestehen, dafs, wenn ich
mit zerstoüsenen Knochen vom Bergklepper stieg,
- 67 -
ich bisweilen mehr mit meinein gekreuzigten Leibe,
als mit der vor mir ausgebreiteten Natur beschäftigt
war, und oft innerlich ausrief: „Welches Vergnügen
stehst du heute wieder aus?" Soll ich Ihnen nun
ein allgemeines Urtheil über die Pyrenäen geb^
wie sich's für einen Brief geziemt, so darf ich sa*
^en, dafs sie im Wilden, Erhabenen, majestatisdi
Grotesken, im Schauerlichen den Alpen so nachste-
hen, wie ein Däumling dem Riesen Goliath; es giebt
zum Beispiel keinen Berg dort mit ewigem Schnee,
wie ihn der Montblanc, die Jungfrau, der Mönch
und andere Berge haben; auf den Pyrei^en kommt
und geht der Schnee» Dagegen ist die amphithear
tralische Gruppirung der Berge überaus schön, und
namentlich das Thal von Argellez das Reizendste
und Lieblichste, was mir jemals vorgekommen ist.
Damit verglichen mufs sich z. B. das Oberhoslithal
und alle Schweizerischen Thäler verstecken; denn
diesen fehlt die südliche Vegetation, der Mandel-
baum, der Feigenbaum und die Kastanie; es fehlt
ihnen der eigentliche Schmelz, welcher die grofsesi
Bergmassen selber erst civilisirt. Die Appeninenthä-
1er, so weit ich sie kenne, ermangeln dieses Aus-
drucks nicht minder« Die französischen Pyrenäen
sind in Beziehung auf Trachten und Sitten übrigens
das erste originelle Land, welches ich gesehen habe.
Denken Sie sich die Frauen und Mädchen von der
erstaunendsten Schönheit, mit südlich brennenden
Augen, brauner Gesichtsfarbe, einen langen, schwar-
zen Mantel, der wie eine Kapuze aussieht, tragend
und dann auf dem Kopfe ein rothes, wollenes Tuch,
- 08 —
das nirgends befestigt ist und das sie mit d^ Ge-
schicklichkeit eines Balanciers bewegen; denken Sie
sich einen Markt, wo lauter Weiber mit solchen
rothen Tüchern sitzen, dabei die Freude, begaSt zu
werden, und die Bereitwilligkeit» sich beinahe aus-
zuziehen, um zu zeigen, wie Alles sitzt, und Sie
werden gestehen, dajfe, da wir dieses weder in
IVeuenbriezeu, noch in Münchcberg finden, solche
ethnographische Seltenheiten Vergniigen erregen. Man
mufs übrigens dem Fürsten Pückler, dem ich in ei-
nem Theile sänes Semilassobuches nachgerät bin,
der Wahrheit zur Ehre nachsagen, dals man selten
bei einem Beschreiber richtigere Auffassungen, sei
es von Gegenden oder Mensclien, finden kann als
bei ihm. Was ihm mifsfällt, ist in der Regel schlecht,
•was er lobt, verdient dieses Lob in hohem Grade;
dabei ist er nicht blois abstract und allgemein, er
geht in das Besondere ein^ nüancirt es richtig, und,
so weit &ne Beschreibung ein Bild geben kann,
finde ich die seinigen so schlagend und treffend,
dafs ich bisweilen lachen mufste, wenn ich des
Abends bei ihm nachlas, was ich des Tages über
selber gefunden hatte. Ich habe mich mit seinen
Darstellungen ganz ausgesöhnt, und schliefse jetzt
«nf die Richtigkeit des nicht Gesehenen. Der Zu-
Ü3l wollte, daCs ich in Toulouse denselben ehrli-
chen Esel von Portugiesen zum Lohndiener hatte,
den er recht ergötzlich besdireibt, und die Quipro-
quos, die ich von ihm hörte, sind fast nicht schlech-
te als die von Pückler erzählten.
In den P>irenäen kam ich bis Gavarnie, das
— 69 —
heifst bis zu einer Stunde von der spanischen Grenze,
Hier konnte ich in das gdobte Land hineinsehen,
wie Moses einst in Palastina, aber es war mir nicht
beschieden, es zu betreten. Ich schaute Aragoniens
wilde Schluchten, ich schaute mit meinem Fernglase
die zerstreuten Häuser der spanischen Bergbewoh*
ner, in der Weite wollten Einige die spanische Stadt
Bielsa ^tdecken; aber ich sah sie nidit Dodti der
Spanier z^rissene Mützen und ihr zerrissenes Herss:
habe ich gesehen^ uhd eine andere Anschauung von
ihnen gewonnen. Als Europ&ar mufs inan die Spar
nier aufgeben ; sie werden sich nie erheben von dem
Fall der zwei Jahrhunderte, denn ihre Knochen sind
gebrx>chen und ihr Mark ist von dem Pfaffenvolka
ausgesogen. Sie können jetzt nur auswendig ler«
nen, wenn sie früher schufen, und mag Chri8tiii&
oder Carlos Succefs haben, sie werden weder er*
bobeuer durch die Constitution, noch ausgemergelt
ter von dem Despotismus. Aber als einzelne par-
ticulare Menschen kann man noch seine Freude an-
ihnen haben; der Maler (sagen Sie dieses gefälligst
Hensel) sollte die schönen, groiSsen, bedeutenden,:
catalonischen Schmugglergestalten ab<^onterfeie&; der
Ethnograph sollte sie betrachten und studiren; der/
Historiker kann sie für die Zukunft übergehen. Es*
ist merkwürdig, wie beides in deax Spanier zu fia-
den ist, Muth und NiedergescUagenheit; er hat phy-
sische Courage, aber keine moralische, könnte man
sagen. Für ein Privatunternehmen, für das, was er
edel nennt, für Yordieil und Privatehre sdilägt er
tausendmal sein Leben in die Schanze; für ein AU-
- 70 -
gemeines ist er indifferent, dafür hat er kein Blut
und keine Hingebung zu spenden. Daher nehmen
diese tapferen Räuber, die auf dem Boden d^ Un-
sicherheit ihre Hütte errichten, eine so traurige Stel-
lung ein; die kühnsten der Menschen sind auch die
moralisch schlaffsten, weil zum wahren Muthe ein
Geistiges das Bewegende sein mufs«
Nun aber etwas über Bordeaux, über diese ein-
zige französische Provinzialstadt, welche mir ein gro-
ises eigenes Leben ganz für sich zu haben scheint,
welche sich der Hauptstadt nicht unterwirft, sondern
sich vielmehr frondirend zu derselben verhält Er-
stes ist es die schönste Stadt in Frankreich, Paris
nicht ausgenommen; denn etwas wie die Straise Fos-
968 de Vintendance ist mir selbst in London nicht
vorgekommen. Die See macht die Leute hier frei,
emancipirt sie von der Binnenwirthschaft des Pro-
vincialismus; die Leute sind offen, verschwenderisch,
gastfrei; der Equipagenluxus ist grofs, das Theater
das sdiönste in der Welt (Coventgarden und Dm-
rylahe kommen dazu nicht), die Börse im grofs-
artigsten Style; jedes Land hat hier seine Inschrift
und seinen Cultus. Die Frauen sind offen, leicht
und zugänglich, wesw^en sie vielleicht Bordelaises
beilsen; kurz, man kann hier athmen, ohne von dem
Luftdruck eine Erstickung zu befürchten, ich z. B.
könnte es hier viele Tage länger aushalten, und
wenn ich ein Kaufmann wäre, würde ich mich hier
niederlassen.
In Paris, wohin ich morgen früh mit der malle
- 71 —
poste reise (und diesen Brief der Posterleichterung
wegen bis dahin selbst trage), werde ich wenige
Menschen sehen, denn ich habe versprochen, auf
einige Tage nach Gaesbeck zu kommen. Mir ist
die ganze politische Wirthschaft hier ein wahrer
Ekel; msui wird selbst eine Girouette^ wenn man
immerfort so viel Girouetten sehen muis. Mit Bir-
ne'ns (wie Herr Meier in Breslau sagen würde)
könnte ich in Verbindung kommen, aber mir ist
jede Annäherung zuwider, obgleich mir Herr St
Marc Girardin aus Limoges vom 15ten September
schreibt: ^yMadarm la Dttckesse cC Orleans nia beau-
coup parle de vom, et nia permis de vom le dire:
je ne cro^/ais pas, que v&us eiiez si Inen amo les
PrmcesJ''* Was, wie so, worüber wird nidit hin-
zugesetzt Doch wird Alles, was Sie mir auftra-
gen, aufs Pünktlichste besorgt werden^ und selbst
Heine, den ich nicht aufgesucht hätte, werde ich
besuchen.
Haben Sie vielen, vielen Dank für Ihren freund-
lichen Brief; ich hoffe, dafs Sie diesen Winter ro-
buster sein werden wie den vorigen, wie Sie es den
vorigen schon mehr als den vorletzten warciu Mö-
gen Sie und alle Freunde vor der grofsen Anstek-
kerin behütet werden, deren Gestalt mir die ekel-
hafteste in der Welt ist Grüisen Sie gütigst Ma-
dame Mendelssohn, Dirichlets, Hensels, und theilen
Sie ihnen gefälligst diesen Brief mit, der auch für
sie geschrieben ist Für Fräulein' Solmar lege ich
als Antwort einige Zeilen bei.
- 72 -^
So leben Sie denn wohl und glücklich. Von
Paris melde ich Ihnen vielleicht noch einmal- Etwas.
Mit wahrer Hochachtung und Freundschaft
der Ihrige
An denselben.
Heidelberg, den 18. August 1838.
Verehrtester Herr und drängendster Nichtcreditor.
^ Dafs ich sogleich nach meiner Ausfahrt aus Ber«
lin in der Gegend von Schoneberg du^ch einen Mahn-
brief Ew. Hochwohlgeboren beängstigt wurde, brau-
che ich Ihnen wohl nicht als erste Novität meiner
Reise zu melden, da selbiger vdn Ihnen ausg^angen
ist Denken Sie sich nunmehr meinen Schrecken,
als ich bona fide, und meinend, es sei ein freundli-
cher Nachruf, den Brief stolz zu lesen begann, und
in meinen Reis^efährten trotz aller Abwdbirungeii
meiner Seits sich die Ansicht zu biestigen anfing,
ich sei Ihnen wirklich mit zehn Thalern ilurehge*
gangen. Ich weifs zwar, welchen Triumph ich Ihrer
Malice bereite, indem ich dieses erzahle; aber mei-
nen Freunden auf eigene Kosten eine Freude zu
machen, ist immer einer meiner besten Gharakt^-
Züge gewesen.
Indem ich befürchten mufs, Sie dürften sich
noch häufig auf diese wohlgelung^en Forderungen
einlassen, sehe ich mich genöthigt, Ihnen einen Ver-
gleich vorzuschlagen. Sie nehmen die zehn Thaler
~ 73 -
als Geseheak von meiner Seite an, und machen
sich anheischig, künftig nie wieder eine Mahnung
an mich zu richten, ich mag Ihnen etwas schuldig
sein oder nicht. So allein entgehe ich der Gre&hr^
Ihre Habsucht zu staeheln, und kann hoffen, mir
einmal wieder meine zehn Thaler einzubringen.
Doch jetzt von Anderem. Vorgestern Abend
am Donnerstag bin ich hier angekommen, und auf
heute Nacht ist die Abreise bestimmt. Madame Ar-
conati befindet sich wohl; in dem Hause hat sich
nichts versUidert, wie überhaupt Franzosen und Ita-
liener «tatarischer sind, als man es sich denken
möchte. Sie hangen fester an ihren Liebensgewohn-
heiten, sind weniger -für das Vage und Blaue wie
wir Deutschen, die wir reisen, schweben und rut-
schen und auswärts zu erhalten suchen, was wir in-
nerlich entbehren. Herr Berchet ist immer noch
der Alte, steht in den alten Beziehungen, und um
zehn Uhr geht Alles, wie bei Fräulein Solmar, zu
Bette. Man ifst nicht länger, wie eine halbe Stunde,
spricht von diesem und jenem und behandelt die ganze
neue Litteratur; ich komme mir bisweilen ganz dumm
vor, weil ich, unter uns gesagt, eigentlich gar nichts da-
von gelesen habe. Madame Arconati und Herr Ber-
chet lassen Sie und Fräulein Solmar freundschaftlichst
grüfsen; die erstere verwahrt sich gegen den Vor-
wurf, nicht an die letztere denken zu sollen; ich
habe Madame Arconati ein Bischen dadurch eifer-»
süchtig gemacht, daCi ich ihr erzählt habe, es nehme
jetzt eine Russin ihren Platz ein.
Zugleich mit mir ist vorgestern Herr Edgar Qui«
- 74 -
net angekommen; er bleibt zwei Monate in Heidel-
berg, und wird dann Professor der Litteratur an der
Strafsburger Universität. Zwei Theile von Mäanges
kommen jetzt von ihm heraus; er ersucht Sie sehr,
doch eine Anzeige in den Jahrbüchern davon zu
machen.
In der Universität finde ich dasselbe Alter, die-
selbe Bocksbeutelei und dieselbe Assiduität über
Nichts.
Mehr hätte ich heute nicht zu schreiben. Die
freundschaftlichsten und herzlichsten Grüfse an Fräu-
l^n Solmar. Haben Sie die Güte, mir poste restante
nach Neapel zu antworten. Inzwischen schreibe ich
noch einmal, wenn ich etwas erlebe.
Mit wahrer Freundschaft und Hochachtung
Ihr ergebenster
li. f
Au denselben.
Lucern, den 24. August 1838.
Luzern am Tage des Stralauer Fisch-
. Zuges, 24. August. Wetter miserabel,
die Berge des Yierwaldstättersees be-
wölkt, der Rigbi nicbt zu sehen.
Verehrter Herr und Freund.
Wenn ich wie Rahel zu schreiben anfange, so
müssen Sie nicht glauben, dafs ich, wie sie, fortzu-
fahren im Sinne habe. Mir fehlt es heute an all^n
Geist, etwas Anderes wie reisebeschreibende Facta
zusammen zu stoppeln; auch ist die Masse des Er-
- 75 -
lebten noch so spärlich, dafs ich reicher sein könnte,
wenn ich erzähle, was ich nicht erlebt habe. Heidel*
berg wurde vorigen Sonnabend am 18ten verlassen
(Abends 11^ Uhr) und den andern Mittag befanden
wir uns in Kehl. Hier nahm ich einen kleinen Wa-
gen^ und rutschte nach Strasburg auf einige Stun-
den herüber, aber die Ausbeute war nicht grofe.
Alle meine Bekannten, Rauter, Richard u. s. w., wa*
ren an dem schönen Sonntag ausgegangen, und so
muiste ich denn mit einem Mittagessen im Hotel de
Paris vorlieb nehmen und mich wieder zurück nach
Kehl begeben. Auf meinen Reisegefährten, Herrn
Benary, machte indessen der Strafsburger Münster
ungefähr den Eindruck, wie eine erste Leipziger Messe
auf einen Juden ^on Kiew oder Grodno, der nur
pohlische Juden bisher gesehen hatte. Vor wirkli-
cher oder eingebildeter Extase konnte er zu gar kei-
ner Fassung im Urtheil kommen. Das kleine Fran-
zöschen packte unterdessen seine Bücher und Kup-
ferstiche in Strafsburg aus, nahm neue Kleider in
Empfang, und gerirte sich auf seinem eigenen Bo-
den ganz wie ein Si^er in der Nachtmütze. Den
anderen Mittag (20. August) kamen wir in Freiburg
an. Wilcken war abwesend; Duttlinger wurde zwei-
mal von mir aufgesucht, und suchte mich zweimal
im Gasthofe auf; jedesmal vergebens, so dafs ich
weggereist bin, ohne ihn zu sehen, was mir herz-
lich leid that, da ich ihn aufserordentlich lieb habe.
Zu Warnkönig, der mir Abends einen Thee gab,
wo statt des Thees Markgräfler getrunken wurde,
kam Duttlinger, der eingeladeo war, auch nicht,, da
-Te-
er im Senate bis 11 Uhr wegen der Vorbereitangen
zu dem Natmforscherfeste sich herumschlagen moGste.
Dienstags den 21. August wurde die Reise bis Schaff-
kausen fortgesetzt. Den Tag wurde ich zweimal ge-
täuscht: einmal durch das Höllenthal, das auf den
Orden des Paradieses mit Buchlaub den nächsten
Anspruch hat, und nicht die geringste infernale Bei*
mischung besitzt; dann durch den hochberühmten
Wasserfall, welcher in der Breite zu ersetzen sucht,
was ihm in der Höhe abgelit, und keinen Yei^leich
mit dem Merzinger, Brienzer Cataracte oder mit de-
nen auf den Höhen bei Gastein aushält. Ich glaubte,
in dem Wasserfall einen alten, vor 1789 berühmten
Professor zu erkennen, welcher die abgelebten und
abgeliebten Hefte alle Semester neu vorträgt, oder
auch den Herzog von Braunschweig, welcher bei
Jisna die Manöver des siebenjährigen Krieges wie-
derholte. Naturschönbeiten sind wie Geistesschön-
heiten nur für bestimmte Zeiten, und der Schaffhau*
ser Wasserfall mufs mit dem Brocken, der Schnee-
kuppe und anderen inländischen Grofsaussichten nach
eben dem Course fallen, nach welchem die Actien
der Eisenbahn zu steigen haben.
Zürich ist schon einladender wie Schaffhau-
sen. Oken gab sich alle Mühe, mich zu halten,
führte mich au& Museum, wo ich die gesammte jun
risiische Facultät Bier trinkend antraf, dem Bürger-
meister Hirzel vorgestellt wurde, aber (was sich auf
die Journale bezieht) die gröfste Vollständigkeit traf,
die mir je vorgekommen war. Mit dreihundert Louis-
d'or wird diese Anstalt gehalten, und doch ist Aehn*
— 77 -
liebes in Berlin nie aufgekommen. Die Universität
ist nicht so herunter, wie man gewohnlich in Deutsch»
land glaubt; namentlich ist die medicinische Facultät
durch Sdiönlein, Oken, Arnold vortrdfUch, zahlt al-
lein 130 Studenten, was gegen die 30 Theologen^
20 Juristen und 20 Philosophen allerdings absticht
Schönlein wird wohl, auch wenn er gerufen wird,
nicht nach Berlin gehen. Er gewinnt hier Hai^Gen
Goldes, gilt für ein medicinisches Orakel in der
Schweiz, liebt es zu raisonniren, wie es ihm beliebt,
und dürfte sich schwerlich in eine Hierarchie schmie-
gen, in welcher neben dem Solitaire Rust zwanzig
Geheimräthe als Edelsteine sitzen. Ich glaube nicht,
dafs er es mit seinen Angewöhnungen einen Tag in
Preufsen aushielte.
Heute" habe ich hier einer Sitzung der Tages-
satzung beigewohnt Die Rede war von einer Peti-
tion der Katholiken von Gdarus gegen die Regie-
rung dieses Standes, die sie hatte zwingen wollen,
der Nä£elsfeier beizuwohnen, von der sie der Bi^
schof Bossi von Chur abgemahnt hatte. Das Thema
war naturlich Kirche und Staat Die deutschen Red-
ner syllabirten und machten einen durchaus lächer-
lichen Eindruck; die französischen waren vermöge
der Generalität ihrer Ausdrücke etwas besser^; von
groisem oratorischen Talente war gar keiner.
Herr Tribert hat uns hier verlassen; er läuft,
wie Peter Schlemihl dem Schatten, so dem sardini-
schen Visa seines Passes nach, das er zu fordern
in Berlin verabsäumte. Jetzt mufs er nach Lausanne,
— 78 -
wo dermalen der Sardinier haust, und will uns in
Genua wieder treffen.
Morgen geht's über den Gotthard nach Italien.
Fräulein Soknar meinen herzlichsten, freundlichsten
Grufe; ich schreibe nur deswegen heute nicht di-
rect, weil ich doch weiis, daCs sie meinen Brief zu
lesen bekommt, Haben Sie die Güte, die Einlage
mit der Schnellpost zu besorgen.
Mit gröfster Hochachtung
freundschaftlichst der Ihrige
An denselben.
»
Genua, den 6. September 1838.
Verehrtester Herr und Freund.
Wir sind noch immer in Genua; am 3ten d.
hat sich endlich auch Tribert eingefunden, welcher
auf der Insel der Calypso etwas zu lange aufgehal-
ten worden war. Der Pharamond (das französische
Boot) ist immer noch nicht erschienen, und so wer-
den wir uns denn morgen auf dem Francesco I. (ei-
nem Neapolitanischen Schiffe) nach Neapel einschif-
fen; Erlauben Sie mir, inzwischen Ihnen einige Be-
merkungen über den politischen, socialen und thea-
tralischen Zustand Italiens machen zu dürfen.
Das politische Leben und seine Aeufscrung, das
Gespräch, sind hier auf einem Standpunkte, von dem
wir uns eigentlich keine rechte Vorstellung machen.
In England ist das Staatsleben in jedenpi Engländer
- 79 -
eingehaust, und wenn sich die Einzelnen nicht viel
darum zu bekümmern scheinen, so kommt es dahar,
dafs man dafür sein wachendes Parlament zu haben
glaubt. In Frankreich spricht jeder Mensch aus den
unteren Ständen, Weiber und Kinder, von Politik,
wenn sich bisweilen auf einige Zeit auch andere
Richtungen geltend machen; in Deutschland ist das
politische Leben Null, oder vielmehr nullartig, aber
das lesende Interesse ist politisch; man will Politik
wissen, wenn auch nicht thuu. Die KaflTeehäuser
müssen so viel Blätter halten, als sie halten dürfen,
und sie dürfen wahrhaftig viel, wenn Sie den Sai;-
dinischen Maafsstab anlegen. Hier dagegen, wenn
Sic das Aeufsere betrachten, scheint eine vollkom-
mene Theilnahmlosigkeit eingetreten zu sein. Von
französischen Zeitungen wird nur die OazeUe de
France, die Quotidiemae y von englischen GaügncmCs
Messenger, ein farbloses Klatschblatt, voii deutschen
die Frau Base angetroffen. Die hiesigen Zeitungen
enthalten das hohlste Zeug von der Welt, dürfen
selbst die Betrachtungen der anderen Blätter, nicht
nachschreiben, und ersetzen nicht durch sogenannte
künstlerische und wissenschaftliche Zusätze den Man-
gel des politischen Elementes. Sie finden hier gro^
fse Kaffeehäuser, wo gar kein Blatt ausliegt, andere,
wo kein Gast danach fragt. Das Volk läuft seinem
Gewinn, dem Geschrei, dem Vergnügen nach, ohne
dafs auch die geringste politische Welle sich zu re-
gen scheint. So lautet der Anschein; inwendig ist
es anders. Die Lebendigkeit, welche nach auisen
fährt, braucht blofs eine veränderte Direction, eine
- 80 -
Gelegenheit, um nach innen zu gehen, und, wie ein
ruhig stehendes Haus, in wenigen Minuten in Flam-
men sein kann; so ist hi«: nur ein wenig Schwefel
Hötliig, um die Ruhe, die Gleichgültigkeit in politi-
sehe Turbulenz umzuwandeln. Ob diese selbst wie*
der real zu werden, auszudauem oder zu erbauen
im Stande ist, möchte eine andere Frage sein, auf
deren Beantwortung ich mich hier nicht einlassen
kann. Meine Generalansicht ist auch hier noch im*
mer bestätigt, dafs für alle politischen Fortschritte
die rein romanischen Völker (Italiener, Spanier,
Portugiesen) ausgebrannte ELrater sind, die noch bis-
weilen rauchen, aber nicht mehr auswerfen.
Das sociale Leben ist dem politischen gleich.
Der Italiener liegt auf der Straise, im Kaffeehause,
im Theater; hier schreien sie sich die Ohren voll
Das Haus ist wie in England verschlossen, aber
nicht wie dort zugleich dem Fremden, welcher em^-
pfohlen ist, gastlich geöffnet. Wird man warm auf-
genommen, so bekommt man den Logenschlüssel;
ist der Empfang wärmer, so fährt man auf dem Corso
mit spazieren; ist er am wärmsten, nun so geschieht
etwas, das ich, da Sie diesen Brief Fräulein Solmar
vorlesen, nicht melden kann. Das erste Stadium
habe ich genossen; das mittlere oder Fegefeuer habe
ich wegen seiner Langeweile nicht durchmachen mö-
gen; zu dem dritten oder dem Paradiese gehört et-
was mehr Zeit, als ich hier habe. Gespeist wird
(wie Fräulein Solmar zu sagen pflegt) gar nidit,
sondern nur gegessen, aber recht gut im Wirths-
hause; ich glaube, Diners kommen hier weder privatim.
- 81 —
noch öffentlich voh In Neapel soll es anders sein,
bi Florenz ist es etwas anderes. Im Ganzen herrscht
derselbe Typus.
Ich wollte eben zum theatralischen Leben über-
gehen, bdcomme aber die Allgemeine Zeitung, und
ersdie daraus Ghamisso's Tod, Brenn's Tod, Moser's
Tod. Mufs denn d&t grofse Sensenträger so un-
barmherzig mähen? Der Letzte war von Ihnen we-
nig gekannt, war aber ein vortrefflicher, redlicher,
geistreicher, durch und durch gelehrter Mann, den
ein öffentliches Leben bei uns an seinen rechten und
wahren Platz gestellt haben wiirde; ich verliel'e ei-
nen lieben Freund, wenn wir uns auch in der lets;-
ten Zeit weniger gesehen haben.
Wie will das Theater, wenn man trauert, einen
Platz finden? Doch mufs ich mein obiges Programm
erfüllen. Das Theater ist im Ganzen, wie in Deutschr
land, auf das Elendeste zugeschnitten. Das grofse
Theater Carlo Feiice ^ das dritte der Grofse nach in
Europa, wird von einer Bande heimgesucht, die im
Trauerspiel langweilig pathetisch, im Lustspiel un-
gebehrdet und unkomisch ist. Besser ist ein Ne-
bentheater ^ das teatro diumo^ welches im Freien
spielt. Hier findet man die natürliche Maskenko-
mik, die dem Italiener angeboren ist, und ich mufs
gestehen, dafs ich dahin mit dem gröfsten Vergnü-
gen lind auch mit wahrer Belehrung über den Volks-
geist hingehe« Das Offene, . Abrupte, den Dialect,
die Freimüthigkeit, die Höflichkeit, namentlich der
niederen Stände, lernt man da besser kennen, als
wenn maii sieh zwanzig Jahre in den l9u(>|iei|i,Cirkd^
6
— 82 —
von Italien umhertreibt Dabei dauert es nie laiige,
nur ungefähr anderthalb Stunden. Man hat die Pro-
menade bei der Hand, wenn man sich etwa lang^
weilt, und bricht alsdann bei Zeiten ab.
Was sagen Sie zum Grafen von Paris und der
ßanlieue, auf dessen Degen gesetzt worden ist: Pmise-
t'ü ne jamcUs ien servir, Lernen die Leute irgend
etwas aus der Geschichte? ist nicht derselbe Lärm
wie beim König von Rom?
Den 7. September.
Die See ist sehr stürmisch geworden, imd wir
können eine arge Fahrt haben. Feige hat die gröDste
Angst und zeigt sich seines Namens würdig. Mir
ist nur vor starker Seekrankheit bange.
Also von Neapel mehr. Haben Sie die Güte,
mich Fräulein Solmar und allen Freunden bestens
2ü empfehlen, und mir auf diesen Brief nach Rom
8u antworten.^
Mit wahrer Hochachtung und Freundschaft
der Ihrige
Gans»
An denselben.
Neapel, den 11. September 1838.
Verehrter Herr und Freund.
Ohne irgend eine Antwort auf meine vorange-
gangenen Briefe zu haben, schreibe ich, wie F. A.
Wolf zu Bttchholz sagte ^ immer drauf los, nicht
— 83 —
eifiinal wissend, ob Ihnen das darauf Losschreiben
angenehm sei. Die Seereise von Qenua nach Nea*
pel, welche drei Tage, die langen Aufenthalte m
Livomo und Civita Yecchia mit eingerechnet, dauert,
habe ich dieses Mal ziemlich glücklich überstanden,
ohne der eigentlichen Seekrankheit zu verfallen. Eine
gewisse Malaise wird wohl jedem zukommen, und
viele Männer und Frauen befanden sich in einem
so elendiglichen Zustande, dafs ich mich zum ersten
Male für einen Auserwählten halten konnte, obgleich
ich eigentlich als ehemaliger Jude von Hause aus
darauf Anspruch hätte.
Livorno ist eine reiche, gutgebaute Handelsstadt
von 100,000 Menschen ohne alles italienische, das
heifst ohne alles künstlerische Interesse. Das Merk-
würdigste am ganzen Orte ist die Judensynagoge,
und ich habe den zufälligen Schabbes benutzt, sie
recht aufmerksam zu betrachten. Nie habe ich eine
«o reich ausgestattete gesehen, und die Bordeauxer
steht ihr bei weitem nach. Was auffallend war^ be-
stand darin, dafs wir eine in spanischer Sprache ge-
haltene Predigt mit anhörten, und die Erkundi^UAg
einzogen, dafs diese Sprache überhaupt noch als
Muttersprache gelte, und dafs den Jungen der he-
bräische Text des alten Testaments Micht italienisch,
sondern spanisch verdeutscht werde.
• Civita Yecchia (^urbs vetus) ist ein durchaus ver-
pesteter Ort, und hängt einigermafsen mit den pon-
tinischen Sümpfen zusammen, nämlich rücksichtlioh
der atia catHtm. Die Aebtchen, die in Toscana ffbr
len, werden hier wieder sehr diek^ ui^l.ldtfflrpir^n
-. 84 -
init Kaffeehäusern ) Bettlern, schmutzige Stva&en,
Papalinis und dergleichen. Wir blieben drei Stun-
den, hätten den Abend in Rom sein könneii, gingen
aber zum ersten Male guten Mnth^ nach dem Dampf-
boote zurück.
Endlich seit gestern bin i<^h in Neapel^ habe
idetin Meere und dem Vesuv gegenüber ein sehr
ischönes Zimmer, bin aber noch nicht im Stande
gewesen, etwas Anderes als die äufsere Bewegung
liufeugreifen. Diese ist nun freilich stark und son-
derbar; süirk, denn es giebt in Paris» ich wül nicht
ss^en in London, keine Strafse, die des Abends so
bevölkert und von allerlei Volk durchlaufen wäre,
wie der Toledo und die Chiaja; es hat den An-
iscdiein, als wenn die ganze Stadt in der eiüen Stra-
fte läge. Sonderbar ist die Bew^[ung, wenn vnv
sie vom deutschen Standpunkte ans auf&ssen. D^n
Würden wir Deutsche bei dieser Natur uns nicht in
Batken auf der See schaukeln lassen, in Castella-
IfiÄre, Sorrent, Isehia, Capri die schönen September»
^tttuden zubringen, nnd die Stadt und ihr Gedränge
IMf^den? Die Italiener fahren dagegen in Strafsen,
ilie nicht vierzig Fufs breit sind, in schönen Wagen
Mif und ab^ kümmern sich nicht um das, was drau-
h(^n ist, WnA Uhben mehr Vergnügen an diesem Corso
als an allem Einladenden cter Natur. Im Freien
müfste man zum Theil zurückgezogen sein, könnte
sich nicht Zusammen bewegen, schreien, Geschrd
hören, und ven^mte somit das grö&te Vergnügen,
irelches die Itliliener überhaupt besitzen. So erkläre
i^ ttö zuin Theil diesen sonderbaren Geschmack.
- 85 - •
Sie 8oU^ sobald iob hier mehr gesehen habe^
uhear Vesuv, Pompeji, Pästum ausfuhrlichere Schil-
derungen erhalten. Jetzt nun bitte ich, mir i^Uerlei
¥om Hause zu ntelden; denn Sie wiesen, ea dünkt
einem überschwenglich Iiöig, weim ma|i vier Wocheik
abwesend ist, und nicht weiis, wer zum Bechnung»-
rath ernannt wurde. Nur itiufs ich bitten, die Ant-
wort auf diesen Brief nach Mailand zu adtes9iren,
da mich dieselbe schwerlich in B>Qm noch findm
würde.
Viele freundliche und herzliche Grüise an Ffäp^
lein Solmar, die wohl grade im Ausziehen begriffen
ist Gestern habe ich hier durch Dr. Hegel die B^
kanntschaft von Gervinus gemacht, und viel mit ihm
über die Göttinger Angelegenheiten yerbandßlt J^
scheint mir unter den sieben noch der ^vanepjrt^st^
zu sein.
Ich schlie&e mit Grü&en an Alle, die sich mei-
ner erinnern wollen. Der Gesandte, Herr von Kü-
ster, ist in Castekmare; ich habe ihn aber bis jetzt
«
nidit sehen können.
Hochachtungsvoll und freundschaftlichst
der Ihrige
cum«»
;i.t
An denselben.
Neapel, den 22. September 183S. '
Verehrtester Herr UAd Freund.
Erst gestern ist mir die Freude geworden, Ih-
ren erirten Brief vom 24. August» fireilicb mi^ Tmißf-
- 86 -
botschaften, aber doch, wie Sie aus meiiiein Oenue-
ser Briefe gesehen haben werden, mit mir schon
bekannten, zu empfangen. Bereits hatte ich dreimal
auf der Post nachgefragt und nichts erhalten, als
mir endlich dieses Schreiben ausgehändigt wurde,
das berdts, nach dem Postzeichen zu urtheilen, am
8. September in Neapel war. Wahrscheinlich ist
es in der Zwischenzeit von der Polizei untersucht
und geprüft worden.
IilZwischen habe ich die acht, Tage seit meinen
letzten Nachrichten benutzt, um allerlei zu sehen,
was hier sich als Merkwürdiges darbietet Zuerst
das Bourbonische Museum, in dem die Herculani-
schen und Pompejischen Wandgemälde, so wie die
Bronzen, das Hauptsächliche ausmachen. Man hat
von antiker Malerei keine Vorstellung, wenn man
sich hier nicht herumgetummelt hat. Die Alten ha-
ben in ihren Bildern, von denen einige sicii noch
wundervoll, sogar in der Farbe, erhalten haben, al-
lerdings immer das plastische Moment vorwalten
lassen. Es sind meist alle Darstellungen gemalte
Sculpturen; indessen, obgleich d^ Blick in seiner
Intensität eine geringe Bolle spielt, so fehlt er den-
noch nicht ganz. Es giebt sogar, woran ich nie
geglaubt hätte, antike Genrebilder ; so hat hier z. B.
das Museum ein Gemälde, auf welchem ein Kam-
mermädchen (vulgo Sclavin) dargestellt ist, das die
Herrin frisirt. Der Ausdruck ist hier wirklich cha-
rakteristisch. Man sieht es der Hausfrau an, dafs
sie Schmerzen empfindet und ungeduldig wird, und
der frisirenden Dienerin, dals sie ebenfalls unai^e*
- 87 -
nehm dadurch berührt wird» Ich gedenke, einigt
Proben dieser Bilder in kleinen Copien mitzubrin-
gen. Die Bronzen sind zu bekannt, als dafs ich
ihrer noch besondre Erwähnung zu machen hättß.
Man mag aber an diesen Ueberresten, wovon bei
weitem die meisten auf Herculanum kommen , beur-
theilen, wie ungemein mehr Sorgfalt das Alterthura
auf das öffentliche Leben als auf das private wandte,
imd wie Mittelstädte (Pompeji war fast eine kleine)
ihr grofses Forum imd ihre drei oder vier Thea-
ter, ich will gar nicht von den Statuen sprechen,
hatten.
Reden wir nmmiehr von Pompeji. Es ist mir
die Fahrt dahin und der Aufenthalt daselbst in dop-
pelter Hinsicht interessant gewesen, weil ich beides
in Gesellschaft einer sehr liebenswürdigen prinzli-
chen Familie machte, der des Herzogs Bernhard
V. Sachsen -Weimar. Der Herzog hatte mich Sonn-
abend auf dem Münzcabinette, das ihm aus beson-
derer Gunst geöffnet wurde, kennen gelernt, und
mich auf den l^Iontag nach Pompeji eingeladen. Dort
gab er in den groisen Thermen ein vortrefflichem
Frühstück; es wurden Ausgrabungen für ihn veran-
staltet, denen ich beiwohnte, bei welchen aber eine
wahrhafte Comödie gespielt wurde, indem man of-
fenbar vorher schon gewufst hatte, was man ausgra-
ben würde. Später wurde nun alles Interessante
besichtigt, und ich mufste zuletzt noch mit dem
Herzog eine Promenade um die Mauern von Pom-
peji (sie sind wohlerhalten) machen, wobei auch
Merkwürdiges gesehen wurde. Abends wurde ich
- 88 -
in der Vittoria zum Diner eingeladen, bd weldiem
der Herzog und seine Frau in der liebenswürdigsten
Einfachheit erschienen. Der Herzog Bernhcird ist
ein Mann (Sie werden ihn wohl kennen) von her-
kulischer Gestalt, eine wahre Reiterstatue, und dn
Abbild jenes Vorbildes aus dem dreüsigjährigen
Kriege, an das er sichtlich erinnert Er hat Geist,
Kenntnisse und, sein ganzes Leben darauf hingewie-
8<dtt, etwas aus sich selber zu machen, erzählt er
gern von seiner Carriere, von seinen holländischen
Verhältnissen, von «einen Schicksalen überhaupt
Er scheint Bürgerlichkeit allen prinzlichen Gesell-
schaften vorzuziehen. Die Frau kt eben so einfach,
auf Kunstanschauung versessen. Sie erwartet hier
ihre Schwester, die Königin von England.
Nicht so angenehm wie der Tag in Pompeji,
von dem ich einmal einen Rückblick geben will,
wlur die Besteigung des Vesuvs. Man bekommt schon
einen Horror, wenn man den Bergkessel nur herauf-
sieht; aber Sie sollten mm erst einmal durch die
Asche waten, drei Viertelstunden immer zurückfal-
len, indem Sie vorwärts zu kommen glauben; ganz
er^höpft ankommen, um endlich doch nicht mehr
2ü sehen, als sich einer ganz plebejischen Phantasie
vorstellen kann! Himc dkm percSdi, rief ich ganz
ärgerlich aus, als ich nun. endlich noch einen ekel-
haften und knochenharten. Esel besteigen mufste, um
nach Resina zurüekzureiten. Gewisse Dinge mufs
ein Mensch sehen, wenn er einen ehrlidien Namen
behalten will; aber wenn er noch darüber hinaus-
— o9 —
geht und den Leuten einredet, er hätte Plaisir em-
pfunden, dann fange ich über ihn zu lachen an.
Heute, verehrtester Herr, geht es nach Salerno
und Pästum. Wir werden, so haben wir es wenig-
stens vor, über Amalfi, Sorrent, Castellamare und
die Tiberische Caprünsel zurückkommen. Hier habe
ich vortreffliche Bekanntschaften. Die Prinzessin To«
rella, Tochter Salicetti's, ist eine vortreffliche, geist-*
reiche Frau, der Baron Poerio {prineeps ädf)ocaia'
rvivt), der Professor Niccolini, General- Advocat bdm
Cassationshofe, sind tüchtige Männ^. Die Priözeäi
sia Torella quastionirte mich gestern viel nach Ba-
hel. Auch speist man hier wieder vid, wie Sie
Fräulein Solmar, die ich herzlichst grüise^ melden
können. In nächster Woche soll ich bei dem Qrä-
fen Camalduoli (Ricciardi), Tordüia u. s.w. essen.
Campaniens Luft hat den Hajinibal entnervt, und
bewährt auch bei mir ihre iaussaugende Ej*aft. Im
Anfsmg October hoffe ich in Rom zu sein. Von da
aus alsdann mehr.
Haben Sie die Güte^ Mendelssohns viel von ntr
zu grüfscn. Ist es wahr, dafs Mad. Hensel nach
Italien kommt? Ist Walter und Felix Diridblet
wohl ?
Leben Sie so wohl, als es wünscht
ganz der Ihrige
— 90 —
An Dr. Dorow in Berlin *).
Berlin, den 2. November 1^37.
lieber Opposition.
Gewöhnlich versteht man heut zu Tage unter
Opposition, namentlich in Deutschland, das feindli-
che Bestreben, einer Regierung sich entgegenzusetzen,
sie in dem, was sie möchte, zu hemmen, und Ande«
res, zunächst gleichviel was, aufzubringen. Unter-
thänige Consequenzenmacher gehen so weit, Oppo-
sition mit Hochverrath und Opponenten mit Hoch-
verräther för synonym zu erklären.
Wie, we]^i man aber beweist, dafs das Moment
der Opposition nicht sowohl in denen, welche op-
poniren, als vielmehr in denen, welchen opponirt
wird, liege, dafs dieses Moment ein nothwendiges
ist, welches jedem gebildeten Menschen, jeder tüch-
tigen und über den Standpunkt des Pätriarchalis-
mus hinausgehenden Familie und jedem civiUsirtea
Staate wesentlich in wohnend ist, nämlich das Ne-
gative überhaupt.
Ein Mensch unterscheidet sich vom Thiere da-
durch, dafs er doppelt ist und sich weifs. Indem
er doppelt ist, ist das Wissende von dem Gewufs-
ten unterschieden. Es ist in ihm sofort ein Gegensatz
*) Siehe Facsimile von Handschriften berühmter Män-
ner und Frauen, 4. Heft, und Yarnhagen's Denkwürdigkei-
ten und vermischte Schriften. Neue Folge. 1. Bd. S. 249.
— 91 -
bereitet, der allerdings im Lieben wieder eine Ein«
heit hat, aber zu einem reichen Leben nur dann
gelangen dürfte, wenn er in sich selbst stark und
machtig gewesen ist. Ein Mensch, der ein Blumen-
leben führte, dem nie starke Widerwärtigkeiten ent-
gegentreten, der sich nie opponirte und nie tiefe
Wehklagen über sich sdbst empfand, ist kein wahrer
Mensch. O fi^ Sagslg äv&QCDnog ov TtcudsvsTat^,
Eine Familie hat allerdings zu ihrer Substanz
das Gebiet der Liebe und Empfindung. Aber Liebe
und Empfindung selbst haben Gegensätze zu vermit-
teln. Der mir Gegenüberstehende ist ein Anderer^
und doch soll ich mich in ihm wissen und gefallen^
wie in mir selbst. Tritt nun die Familie in den
Conflict mit den Gegenständen und dem Beichthum
des Lebens und der Welt, so wird sich der Zwi&<
spalt, der auiserhalb ist, auch innerhalb ihrer ver-
pflanzen. Eine Familie, in welcher kein opponiren-
des Moment sich vorfindet, in welcher der Manu
wie die Frau, der Sohn wie die Tochter ist, in
welcher nicht verschiedene Meinungen und Ansich-
ten frei hervortreten, wird schaal und langweilig
und selbst als Familie keine genügende Grundlage
für /den Staat sein.
Und vollends der Staat, wo das vollste Be-
wufstsein herrschen soll, wie kann dieser sich un«
terfangen, ohne Opposition sein zu wollen? Wie
kann dieser vermeinen, dafs Widerstand gegen seine
Fort- oder Rückschritte etwas anderes bedeute, sds
die Seite des N^ativen, die im Handeln wie im
Denken immer auftritt, und nsMsh deren Besiegung
oder Beseitigung erst die Widurheit bestellt In con«
stitntionellen Landern ist dies so aneikannt, dafs
Pitt, als er einmal im Parlamente das Unglück ge-
wahr wurde, kraie Opposition zu besitzen, Alleng-
land fiir verloren hielt, und sich aus seinen Greld-
mitteln eine Opposition zu erkaufen tracht^e. Can-
ning war im April 1827 in derselben Lage, und
Tiemey nannte spa&haft, aber sehr tief;^ die Oppo-
sition Jas Majesti/a OpposUiom. Was ist aus d^
sogenannten Opposition der fiin&ehn Jahre, die man
auch neuerdings die Comödie der fun&ehn Jahre ge«
nannt hat, in Frankreich geworden, als eine Partei,
die es späterhin mit der neuen Regierung hielt, ihre
Maafsregeln Tertheidigte, und in ihrem Anschein gar
nicht mehr das zu sein vorgab, was sie noch vor
wenigen Jahren hatte vorstellen wollen. Eine Re-
gierung soll sicherlich der Opposition Herr werden,
aber nur, indem sie von ihr lernt, durch sie berei-
chert wird, und sie gleichsam in sich aufiiimmt
Wenn die offene Opposition auf loyalem Wege
in einem gebildeten Staate ffehemmt, und' unterdrückt
wird, so dürft» sie dennoch nicht verschwinden, sie
wird sich aber als eiterndes Geschwür, als Intri-
gue, constituiren. Die Intrigue ist die Opposition,
welche heimlich schleicht, die Privatinteressen an
die Stelle der ö&ntlichen setzt, und statt der rei-
nen Luft des Kampfes und da* streitenden Ansich-
ten die Kabalen der Ränkemacher substituirt Wo
der wahren, edlen und echten Opposition ein Or-
— 93 —
t
gan zu Gebote steht, kann die Intrigue zu Schan-
den gemacht werden; denn sie verschwindet, wo
sich Licht zeigt; fehlt die Möglichkeit einer sol-
chen Aeufserung, so wird sie erst das Tüchtige an-
nagen, dann sich selber anfallen und Anarchie und
Auflösung werden ihr Werk sein.
«
Btliiii r i l Oaiis.
.1
JoL Wolfgang von Goethe.
Oeb. in Frankfurt a. M. den 28. August 1749,
gest. in Weimar den 22. März 1833.
An den Staats-Minister v. Schuckmann in
Berlin.
Weimar, den 1, IVovember 1815.
Ew. Excellenz
gütiges und vertrauenvolles Schreiben hat mich in
einer Arbeit gestärkt, die, frohen Muthes unternom-
men, mir täglich unter den Händen ^chst, und mehr
Forderungen an mich macht, als ich voraussehen
konnte. Bei meinem Aufenthalte in Cöln fand ich
unter den Einwohnern sehr viel Neigung und Freude
an Kunst und Alterthum, bedeutende Reste älteren
Besitzes, Lust zu sammeln, zu erhalten, zu benutzen
und zu geniefsen, zugleich einen Durst nach Wis-
senschaft, das Gefühl des Bedürfnisses einer höhe-
ren Ausbildung. Wie diese schönen, aber zerstreut
schwebenden Elemente zu vereinigen sein möchten,
darüber wurde vielfach verhandelt, und man ver-
~ 95 -
langte zuletzt, dals ich aufzeichnen solle, was ich
gesehen und erfahren, gehört und gedacht/ damit
man überblidce, was vorhanden, was erwartet, ge-
wünscht und gehofft werde. Dies habe ich, so gut
es die Umstände zuliefsen, gethan und femer in die-
sem Sinne die merkwürdigsten Orte, Rhein- und
Main -aufwärts bis Basel und Äschaffenburg theik be«
reist, theils Nachrichten daher gesammelt, woraus
denn ein Heft entstanden, welches sich freilich in
seinen Theilen nicht gleich sein kann und, wenn es
seinem Zwecke vollkommen entsprechen sollte, neue
Untersuchung und Bearbeitung erforderte. Da es
aber der Wunsch der Personen, die mich veranlafst,
und auch mein eigener kt, auf den Augenblick, wo
so vieles sich zu gestalten strebt, nach Kräften mit-
zuwirken, so fahre ich nun mit desto gröfserer Zu-
versicht fort, als dieses Unternehmen Ew. Excellenz
Aufmerksamkeit auf sich ziehen können, wie ich
denn dem Herrn Staatsrath Süvern den gröfsten
Dank schuldig bin, dafs er mir dieise Gunst ver^
schaffen wollen.
Der Anfang des Manuscripts ist nicht mehr in
meinen Händen, sobald aber ein Aushängebogen zu
mir gelangt, so nehme mir die Freiheit, solchen zu
überschicken, mit der Bitte, denselben als Hand-
schrift einstweilen bei Sich niederzulegen. Ich werde
nicht verfehle, bogen weis fortzufahren, und jedes*
mal da^enige schriftlich nachzubringen, was man
dem Drudk anzuvertrauen Bedenken trug, und ich
würde mich sehr glücklich schätzen, wenn meine
Betrachtungen in einer so wichtigen Angdegenbeit
- 96 -
irgend cineB Einflufs haben nnd Höchsten und Hor
hen Orts gebilligt werden konnten.
Der Moment ist freilich gar za schön und
kommt nicht wieder, und also darf ich wohl Ver-
zeihuBg hoffen, wenn ich, gegen meine Gewohnheit^
mich nnaufgefordert mit Gegenständen beschäftige,
die nur vom Männern behandelt werden sollten,
welche praktisch einzugreifen, durch That und Werk
die Richtigkeit ihrer Ueberzeugungen darzuthun be*
rufen sind. Mich verehrungsvoll empfehlend
Ew. Elxcellenz
- ganz ergebenster Diener
•i; ^
An ^denselben.
\ ■
, Weimar, dea 4. November 1815.
A ' Ew. Excellenz
aberr^tehe hierbei den ersten Bogen des bewufsten
Aufsatzes zu geneigter Beurtheilung. Sie werden
diesen Blättern gleich ansehen, dafs es blofs ein
Möterisch^ Teitt ist, üb^ den man mit Personen
ttm Ansebn tind Einflufs vertraulidi zu communici-
rto bat, wenn er von einigem N^en sein »tAh
Wie sehr danke idi daher Denenselb^i, da& Sie
mir Gelegenheit gegeben, in hergebrachtem Vertrauen
itiieh darübef" zu äufsernv
i ' Ohne mich > voreilig in die Frage etnztilasse»,
ift wie fbm die Göiner hoffett können des Wut^
seh^ Ihc^Uiafft zu ^i«<e»den, die Universität iil ihreci
— 97 -
Mauern zu sehen, so darf ich wohl voraussetzen,
dafis die Sammlungen von dem, was zu Kunst und
Alterthum gerechnet wird, daselbst ihren Hauptsits
finden werden. Deshalb wäre zuvörderst ein gerän«*
miges Local auszumitteln. In dem Gebäude, vd*
ches sonst den Jesuiten angehörte, soll, aulser der
schon dorthin v^legten Schulanstalt, noch Raum
genug sein. Doch wäre vielleicht nicht einmal dar*
auf zu bestehen, alles unter einem Dache zu ver-
sammeln. Es giebt in Cöln mehrere groise Häuser^
weldie wohl irgend eine Abtheilung des Museums
fassen könnten. Doch werden dieses die dortigen
Behörden naher beurtheilen.
Der zweite Punkt betrifft die Sammlung des
Herrn Canonicus Wall raff, mit welchem man bald-
möglichst eine Unterhandlung zu eröffnen hätte, um
die von demselben aufgehäuften Schätze dem öffent-
lichen Wesen für die Zukunft zu sichern, und* auch
schon gegenwärtig auf diesen wunderlichen Mann
einigen Einflufs zu gewinnen. Er gehört nämlich
zu den Personen, die bei einer grenzeolosen Nei*
guDg ziun Besitz^ ohne methodischen Geist, ohnct
Ordnungsliebe geboren sind, ja die eine Scheu an-
vfrandelt, wenn nur von weitem an Sonderung, schick«,
lidie Disposition und reinliche Aufbewahrung garührt
wh*d. Der chaotische Zustand ist nicht denkbar, in
welchem die kostbarsten Gegenstände der Natur, Kunst
und des Alterthums iiber einander stehen, li^en, hän*
gen und sich durcheinander umhertreiben. Wie eia
Drache bewahrt er diese Schätze, ohne zu fühlen^
daÜB Tüg für Tag etwiRs Treffliches und Wfirdigea
7
— 98 -
durch Staub und Moder, durch Schieben, Beiben
und Stofsen emen grofsenTheil seines Werihes ver-
liert. Die Negotiation selbst, wodurch diese Masse
in landesherrlichen Besitz käme, wird keine grofsen
Schwierigkeiten finden. Er ist bei Jahren, genüg-
sam, seiner Vaterstadt leidenschaftlich ergeben, und
wird sich glücklich schätzen, wenn das, was er hier
gesammelt, auch künftig an Ort und Stelle beisam-
men bleiben soll. Schwieriger aber, ja kaum 2u lö-
sen wird man die Aufgabe finden, diese Dinge ihm
aus den Händen zu ziehen, Einfluis zu gewinnen
auf Ordnung derselben, und eine Uebergabe einzu-
leiten, wo derjenige, der das Ganze übernimmt, sich
nur einigermaaisen legitimiren kann, was er denn
erhalten.
Da ich mit einem ähnlichen Manne, dem Hof-
rath Büttner in Jena, zwanzig Jahre in einem pein-
lichen Verhältnifs gestanden, kann ich hinüber aus
Erfahrung reden. Bei der gröfsten Schonung sei-
nes seltsamen Wesens war es doch nicht möglich,
ohne Verdruis mit ihm zu verkehren. Einstmals
z. Bi eröffnete er mir, dafs & die Sommerzeit an-
wenden wolle, die in einem grofsen Saale an der
Erde übereinander geschichteten rohen, gebundenen
und gehefteten Bücher zu ordnen, und verlangte dcs^
halb ein Repositorium. Ich liefs in Hoffnung, dais
die Sache in Gang kommen werde, zwölf Reposito-
rien aufstellen, und diese hätten nicht hingereicht,
er aber war hierüber sehr verdriefslich und hat mir
diese Yoreile in seinem ganzen Leben nicht verzie-
hen* Dergleichen erwarte ich mir von Herrn Wall-
- 99 —
raff auch, und glaube kaum, dafs bei seinen Lebzei-
ten anders, als mit gro&er Vorsicht und Gewandt-
heit etwas Schickliches auszuführen sein wird.
Das Dritte betrifft die Gebrüder ^isseree,
deren Sammlung . von alten niederrheinischen und
brabantischen Malerwerken sich gegenwärtig in Hei-
delberg, gereinigt, restaurirt und prächtig eingerahmt,
befindet. Von ihrem Werthe und von dem Yerhält-
niis zu anderen Schulen derselben Epoche wird mein
Heft unter dem Artikel Heidelberg im AUgemd-
nen Kenntnüs geben. Die beiden Gebrüder Sul-
piz und Melchior, gegenwärtig in den besten Jah-
ren, waren erst zum Handelsstande bestimmt, und
bildeten sich aus zu schöner Kenntnifs von Kunst
und manchen Theilen der Wissenschaft Zu ihnen
gesellte sich ein dritter, Namens Bertram. Zufäl-
lig wurden sie selbst zu sammeln veranlaist, und
haben nun seit mehr als zehn Jahren Zeit, Kräft^
und Vermögen angewendet, um eine Sammlung auf-
zustellen, die in ihrer Art einzig ist, und welche,
selbst der gröfsten Gallerie einverleibt, immer als
würdige Abtheilung glänzen würde. Noch erwünsch-
ter wäre sie jedoch zur Begründung eines neuen Mu-
seums, weil sie alsobald alles, was sich um sie ver^
sammelte, zu gleichmäfsiger Klarheit und Ordnung
nöthigen würde. . Es sind den Besitzern schon meh-
rere Anträge geschehen, allein es bleibt ihr fester
Vorsatz, sich von diesen Bildern . nicht zu trennen,
sondern sich vielmehr mit ihnen zugleich an den
Ort zu begeben, den . höhere Hand und Wirkung
bestimmte. Nach meiner Uet^rzeugung, haben diese
- 100 -
jungen Männer nur zwischen zwei Stadien zu wäh-
let, zwischen Frankfurt und Coln, beide in der gün-
stigsten Lage und im gegenwärtigen Aug^ablick beide
der Hoffanng lebend, dafs ein neues und bedeuten-
des Kunstleben unmittelbar hervortreten werde. Denn
die Absicht jener Gebriider ist nicht etwa nur Con-
servatoren eines todten Schatzes zu bleiben, sondern
angestellt zu werden, da, wo sie durch Kenntnisse,
so wie durch Tlmtigkeit, fortwirken können zum öf-
fentlichen Besten, wie sie bisher als Privatleute für
eigene Rechnung, zu eigener Freude und Nutzen ge-
liian. In Frankfurt ist i>ei dem hohmi Alt^ des
Herrn Stadel, welcher seine sämmtlichen Kunst-
sehätze an Gemälden, Kupferstichen und Handzeich-
liungen, nebst einem geräumigen Lokal und ansehn-
lichen Capitalien, zu einer öffentlichen Anstalt ge-
stiftet, wahrscheinlich, dafs dieses Vermächtniüs bald
realisirt werde. Die Exekutoren des Testaments ha-
ben wegen Thmlnahme an diesem Institut, vorläufig
im Stillen, genannten jungen Männern Anträge ge-
than. Ob ich nun gleich alle Ursache habe, meiner
Vaterstadt das Beste zu wünschen, und nicht Ver-
anlassung sein möchte^ dafs ihr ein so wichtiger An-
faaltepunkt eines frischen Kunstlebens entginge, so
ist jedoch bei mir ein gewisses Gefühl, von Grün*
den unterstützt, dafs ich die Sammler sowohl als
die Sammlung am liebsten in Cöln sähe« Der fol-
gende Druckbogen giebt Nachricht von dem bedeu-
tenden Kupferwerke, welches mehrbenannte junge
Männer herausgeben, um den Werth und die Würde
des Cölner Doms zu versinnlichen; auch liiar wäre
- 101 —
zu wünschen, dafs eine öffentliche Kasse mit dni-
gern Vorschofs einträte, wdidier genugsam gesichert
werden könnte.
Diese drei wichtigen Punkte Ew. Excellenz er-
leuchteter Beurtheilung überlassend, fuge nur nodi
hinzu, dafs über die republikanische Form, die ich
unter gewissen Umständen bei Kunstanstalten den
herkönunlicheu Akademien vorziehe, unter dem Ar*
tikel Frankfurt weitläufiger gehandelt werden wird.
Nehmen £w. Excellenz als einen Beweis mei-
ner Verehrung die zutrauliche Offenheit, die mich
an jene schönen Tage erinnert, die ich das Glück
hatte, in Ihrer Nähe zu verleben. Bald hoffe ich,
bei Gelegenheit der nächstoi Sendung das Weitere
nachzutragen.
Ew. Excellenz
ergebenst
verpflichteter Diener
An denselben.
'Weimar, den 29. NoFember 1815.
Zu gendgter Aufnahme lege Ew. Excellenz nun-
mehr den zweiten gedruckten Bogen vor nebst den
nöthigen, obgleich immer nur vorläufigen Erläute-
rungen.
(p. 17. 18. 19.) Hier ist nun von dem Bois-
sereeschen Werke, welches den Cölner Dom, wie er
beabsichtigt war, darstellen soll, etwas umständlicbiei!
die Bede. Die Wichti^cdlt und Schwieriglüeit, so
— If« —
wie der Aufwand, den das Werk ^ord^, treten
mehr in die Augen, und eine Höchste R^erung,
der sich diese jungen Männer in der Folge widmen,
wird sie gewüs nicht ohne Anfioiunt^rong and Bei-
hülfe lassen.
(p. 20. 21.) Die Stiftung zur Unterhaltung des
Doms und zum Fortbau, wenn auch nur einiger
Theile desselben, ist freilich die wichtigste Angde-
genheit. In meinem Aufsatze kann nur späterhin,
wenn erst von ähnlichen Gebäuden rheinaufwärts die
Bede gewesen, dieser wichtige Gegenstand zu meh-
rerer Klarheit gelangen. Doch füge hier «nstweilen
dasjenige, was über steinhauersche Technik in der
Folge seine Stelle finden wird, abschriftlich bei, da-
mit geahuet werden könne, wie schwer es sei, in
unseren Tagen etwas, das vergangenen Jahrhunder-
ten angehört, wieder hervorzurufen.
(p. 21. 22.) Das Werk der älteren Baukunst
am Unterrhein fib^haupt gewidmet, verdient gewifs
auch aller Beachtung und Aufmunterung.
(p. 22. 23.) Yiellächt wäre es gefällig, dem
Dom-Vicarius Hardy, den wir wohl nicht lange
mehr besitzen werden, etwas Freundliches zu erzei-
gen. Er würde sich geehrt und gefördert fühlen,
wenn man ein halbes Dutzend seiner Wachsbilder
bestellte, und sie einstweilen bei einem dortigen
Vorgesetzten aufbewahren lieise. Ueberhaupt wiirde
es räthlich sein, ein Interimslokal einzurichten, wo-
hin man schon jetzt manches Vorkommende zu ret-
ten Gelegenheit fönde.
(p. 24.) Die Beantwortung der Frage, wie sein
Schüler ||^gbold, den in fleifsiger Ausführung wohl
Niemand i&bertri(ft, zu beschäftigen und in seiner
Kunst zu steigern sei? würde hier zu weit vorgrei-
fen und diirfte erst später, wenn die Hauptpunkte
bestimmt sind, vorzunehmen sein.
(p. 25 — 30.) DtB Argumente der Cölner, wo-
durch sie ihre Wünsche, die Universität in ihren
Mauarn zu sehen, unterstützen, habe niu: registrirt
und redigirt
(p. 31. 32.) Der eigentliche Zustand des Herrn
Canonicus Pick in Bonn wäre von dortigen Behör-
den zuerst genau zu erforschen. Seine Sammlung
kann man sich von seinem Hause nicht getrennt
denken, sie vom Platze rücken hiefse sie zerstören,
wie man umgekehrt die Wallraffische translocir^
mufs, um etwas daraus zu machen. In wie fern das
Haus ganz sein gehört oder Verwandte daran An-
theil haben? wem er es nach seinem Tode zuge-
dacht? und in wie fern es zugleich mit der Samm*
lung für den Staat zu acquiriren wäre? dies sind
Fragen, deren Erörterung jeder andern Ueberlegung
voraus zu schicken sein möchten.
Zu allem Femereu willig und bereit, hochach-
tungsvoll
Jf. ll¥. CSoetlie.
Vorstehendes war schon längst bereit, £w. Ex-
cellenz aufzuwarten, der verzögerte Abdruck des
zweiten Bogens jedoch verzögerte die Absendung.
Nunmehr bin ich in dem Falle, auch den dritten
- 104 -
beizulegen, bei welchem ich nichts weiter zu bemer-
ken wiiHste. Ist es mir aber erlaubt, das Ganze noch-
mals vorzunehmen, so argiebt sich, daCs wohl vor
allen Dingen die Entscheidung der Frage, wohin die
Universität gelegt werde, abzuwarten sei, sodann
würde die Bestimmung eines hinreichenden Lokals
und die Einleitung der Unterhandhmgen mit den
tlaren Wallraff, Pick und Boisseree das Nächste
sein, worauf dann das Weitere theils berathen, theils
ausgeführt werden konnte.
Erlauben Ew. Excellenz, dafs ich in einige Zeit
die Fortsetzung dieser kleinen Arbeit schicke. Da
ißk von denselben Gegenstanden, wie ich, sie in ver-
schiedenen Städten gefunden, zu sprechen hatte, so
tiabe ich die Betrachtungen darüber ausgetheilt, um
mich nicht zu wiederholen, noch auch durch allzu
lltnges Verweilen an einem Orte den Leser zu er-
müden. Daher denn erst, wenn das Ganze beisam-
n»en ist, meine eigentliche Absicht deutlich erschei-
nen kann. Womit ich mich denn diesmal, für das
mir so günstig erwiesene Zutrauen meinen aufrich-
tigen Dank wiederholend, zu fernerem gütigen An-
denken empfehle, dies^ Blätti^n eine günstige Auf-
nahme angelegentlich wünschend.
Ergebenst
jr. H^* CSoetlte.
— 105 —
Steinhauer Technik
vom zwölften bis zum sechszehnten Jahrhundert*)«
Sehen wir nun gegenwärtig den patriotischen
Deutschen, leidenschaftlich In Gedanken beschäftigt,
seiner heiligen Baudcnkmale sich erfreuen, die ganz-
oder halb vollendeten zu erhalten, ja das Zerstörte
wieder herzustellen, finden wir an einigen Orten
hiezu die gehörigen Renten, suchen wir die entwen*
deten wieder herbeizuschaffen oder zu ersetzen; so
beunruhigt uns die Bemerkung, dais nicht allein die
Geldmittel spärlich geworden, sondern dafs auch die
Kunst- und Handwerks'mittel beinahe völlig ausge-
gangen sind. Vergebens blicken wir nach einer
Masse Menschen umher, zu solcher Arbeit fähig
und willig. Di^egen belehrt uns die Geschichte,
dafs die Steinhauer - Arbeit in jenen Zeiten durch
Glieder einer groisen, weitverbreiteten, in sich ab*
geschlossenen Innung unter den strengsten Formen
und Regeln verfertigt wurde.
Die Steinmetzen hatten nämlich in der gebildet
ten Welt einen sehr glücklichen Posten gefafst, in-
dem sie sich zwischen der freien Kunst und dem
Handwerk in die Mitte setzten. Sie nannten sich
Gesellschaft, ihre Statuten waren vom Kaiser bestä-
tigt Diese Anstalt gründete sich auf ungeheuere
Menschenkraft und Ausdauer, zugleich aber auf ne-
senmafsige Bauwerke, welche allen zugleich errich«
tet, gefördert, erhalten werden sollten. Unzählige
*) Siehe: Kvnsi u. 4Jiertliiiiii von Cr»eÜie. 1. Baad.
- 1«6 -
«ingeübte Knaben, Jünglinge und Männcfr arbeiteten^
über Deutschland ausgesäet, in allen bedeutenden Städ-
ten. Die Obermeister dieser Heerschaar safiseu in
Goln, Stra&burg, Wien und Zürich. Jeder stand sei-
lten! Sprengel vor, der geographischen Lage gemals.
Erkundigen wir uns nun nach den innern Ver-
hältnissen dieser Gesellschaft, so treffen wir auf das
Wort Hütte, erst im eigentlichen Sinne den mit
Brettern bedeckten Raum bezeichnend, in welchem
der Steinmetz seine Arbeit verrichtete, im uneigent-
lichen aber als den Sitz der Gerechtsame, der Ar-
chive und des Handhabens aller Rechte. Sollte nun
zum Werk geschritten werden, so verfertigt der Mei-
ster den Rifs, der von dem Bauherrn gebilligt als
Dokument und Vertrag in des Künstlers Händen
blieb. Ordnung für Lehrknaben, Gesellen und Die-
ner, ihr Anlernen und Anstellen, ihre kunstgemä-
jGsen, technischen und sittlichen Obliegenheiten sind
aufs Genaueste bestimmt und ihr ganzes Thun durch
das zarteste Ehrgefühl geleitet. Dagegen sind ihnen
grofse Vortheile zugesagt, auch jener höchst wirk-
same, durch geheime Zeichen und Sprüche in der
ganzen bauenden Welt, das heifst in der gebildeten,
halb- und ungebildeten, sich den Ihrigen kenntlich
zu machen.
Also organisirt denke man sich eine unzählbare
Menschenmasse durch alle Grade der Greschicklich-
keit dem Meister an die Hand gehen, ^lieber Ar-
beit für ihr Leben gewifs, vor Alter- und Krankheits-
fällen gesichert, durch Religion begeistert, durch
Kunst belebt, durch Sitte gebändigt, so fängt mau
- 167 -
an zu begreifen, wie so ungeheuere Werke conci-
pirt, unternommen und, wo nicht vollendet, doch
immer weiter als denkbar gefuhrt worden. Fägen
wir noch hinzu, dafs es Gesetz und Bedingung war^
diese grenzenlosen Gebäude im Tagelohn aufzüfiUiK
ren, damit ja der genauesten Vollendung bis in die
kleinsten Theile genug geschähe, so werden wir die
Hand aufs Herz legen und mit einigem Be^enkea
die Frage thun: welche Vorkehrungen wir zu tref«
fen hätten, um zu unserer Zeit etwas Aehnliches her^
vorzubringen»
Vorstehendes ist auf eing^angene &kundigua-
gen, besonders aber nach einer Druckschrift, bear*
beitet, welche den Titel führt:
Der Steinmetzen Brüderschaft Ordnungen und
Artikul, Ernewert auff dem Tag zu Strafe-
berg auff der Haupthütten , auff Michaelis
Anno 1563.
An denselben.
Weimar, den 1. Juni 1816.
£w. Excell^z
haben die ersten Proben meines Rhein- und Main-
heftes so freundlich aufgenommen, dais ich für Schul*
digkeit erachte, nunmehr auch das Ganze Ihrer Gunst
und Gewogenheit zu empfehlen. Sollte es geeignet
sein, irgend etwas Gutes zu wirken, so ist durch die
Verspätung nichts versäumt, denn obgleich mancl^
darin Gewünschte sich sdion ereignet, sq.. bleibt .fU^ob
Bodi gv Vides ciaar tos gticHidwa Dastindea
kofci dirl Eni
lüUt
woitkm «ad fiMkt
Wie dem wadk sei! Bogen Ew. ETerilem mich
«ad das Mfiay iBBcr in g Stigei Andenken er-
An den Staats-Minister v. Altensteiu in
Berlin.
HodiwoUgelMNrener Frohenr,
hochzoverdirender Herr.
Ihro Kon%L Hoheit, mein giuidigster Färst,
(litten midi mit keinem angendimem Auftrag beeh-
ren kömen, ab dem: Ew. Excelloiz durch G^en-
wirtiges za b^iacbricfatigen, da(s die gewünschte
Mitthdhii^ des Jenaischen Codex, allere deutsche
Gedichte enthaltend, kdnen Anstand finde. Er ist
lurf hocfastmi Befehl sogkidi herüber gebracht «ad
t^rgfittt^ eingepadct wpfden, kann auch, wenn nicht
— 100 -
etwa ein anderer Weg beliebig wäre, sogleich der
£adirenden Post übergeben werden, weshalb mir wei-
tere geneigte Antwort erbitte.
Darf ich nach gemachtem Gebrauche hoffen, die*
ses der Akademie Jena so werthe Dociiment auf dor-
tiger Bibliothek in zwei bis Arei Monaten wieder
aufzustellen, so werde solches mit verpflichtetem
Danke erkennen.
Schlieislich hoffe ich denn auch Nachsicht U
erhalten, wenn ich mich dieser Gelegenheit bediene^
Ew. Excellenz zu erwähnen, nicht allein wie lebhaft
idi die Guu^ empfinde,* welche Hochdieselben seit
so langen Jahren mir und meinem Bestreben geneigt
erzeigen wollen, sondern auch hiernächst dankbar
zu bemerken, dals Hochdieselben durch Beförderung
manches tüchtigen Mannes auch mir manche För*
dernifs und Nachhülfe erwiesen; wohin ich nament-
lich die Anstellung des werthen Ernst Meyer in Kd^
nigsberg zu rechnen habe.
Der ich, auch für die Folge mich zu wohlwol-
lendem Andenken angelegentlichst empfehlend, mich
in vollkommenster Verehrung uuterzdchne
Ew. Excellenz
ganz gehorsamster Diener
M
— 110 —
An denselbeiL
Weimar, den 30. April 1830.
Hochwohlgeborener Freiherr,
hodbverdirter Herr,
Ew. Excellenz genehm^en einem alten Ange-
eigneten in Vertrauen auf eine schon oft erprobte
Geneigtheit eine kurze bescheidene Vorstellung.
Friedrich Ernst Schubarth, ein Schlesier, gegen-
wärtig in Hirschberg, meldet, mir, dafs er Hoffnung
habe, von den Vorgesetzte^ der Bildungs- Anstalten
dortigen Ortes Hochdenenselben als zum Lehrfache
tüchtig vorgeschlagen zu werden, und glaubt, einige
Erwähnung von meiner Seite werde nicht ganz ohne
Einflufs zu sein sich schmeicheln dürfen.
Ich aber wage bei dieser Gel^enheit nur so
viel zu äufsern: dais ich dem Lebens- und Studien-
gange dieses Mannes seit vielen Jahren mit Antheil
grfolgt bin und ihn allerdings zu schätzen Ursache
hatte, so dafe ich nunmehr wohl wünschen möchte,
die an Ew. Excellenz abgehenden Berichte von der
Tauglichkeit des Subjects zu einer solchen Stelle
könnten hinreichen, Hochderoselben Ueberzeugung
zu begründend
Findet er sich nun eines solchen Zutrauens
werth, sind seine Wünsche und Hoffnungen deshalb
zu erfüllen, so will ich nicht in Abrede sein, dafs
es mir in hohen Jahren Freude machen würde, den
mannigfaltigen Talenten des Eingebornen solche
pflichtmäisige Richtung vorgeschrieben zu sehen,
wodurch seine Fälligkeiten und erworbene Fertigkei-
ten unmittelbar seinem Yaterlande und der zu bilden*
den Jugend nützlich und förderlich sein mögen.
Eifrig aber ergreif ich diesen gegebenen An-
lafs, Ew. Excellenz bescbeidentlich anzudeuten, dafs
die grofsen Wirkungen, die sich in Ihrem Geschäfits-
kreise verbreiten, mir nicht unbekannt bleiben, son«
dern seit vielen Jahren Stoff zur Bewunderung ge-
ben und mich in der Verehrung bethätigen, die ich
frei und unbewunden aussprechend, mich zu fort-
dauernder Huld und Geneigtheit andringlich erii«
pfehle, indem es für ein Glück schätze, mich unter-
zeichnen zu konneu
Ew. Excellenz
ganz gehorsamster Diener
Jf, 1¥. CSoetiie.
An denselben.
Weimar, den 22. Januar 1832.
Hochwohlgeborener Freiherr,
hochzuverehrender Herr.
Ew. Excellenz erzeigten mir, es wird nicht ganz
ein Jahr sein, die überraschende Geneigtheit, mich
in Kenntnifs zu setzen: es sei Hochdeneuselben ge-
fallig gewesen^ gnädige Einleitung zu treffen, auf
welche Weise und unter welchen Bedingungen der
Privatlehrer Schubarth zu Hirschberg in dem Staats-
dienst angestellt werden könne. Ich verehrte darin
im Stillen die hohe Vorsorge, da& kein Uttwurdi-
— 112 —
' ger zu so bedeutenden Zwecken aufgenommen werde
und zugleich die Uebarsicht, wie allenfalk die Hin*
dernisse in Ermangelung einiger Förmlichkdten zu
beseitigen sein möchten.
Nun erst erfahr' ich, dais es schon langst sich
fugen konnte, genaimten Mann zu einer Lehrerstelle
an einer öffentlichen Anstalt bemeldeter Stadt zu
befördern und ihm einen lebenslänglichen, hinrei-
chenden Unterhalt zu ertheilen.
Indem ich nun für meine Schuldigkeit erachte,
die Erfüllung dieser Wünsche auf das Dankbarste
anzuerkennen, so bleibt mir nichts übrig als eine
der Ueberzeugung sich nähernde Hoffnung, es werde
der Begünstigte durchaus bemüht sein, die Anlagen,
welche ihm die Natur vergönnt, die Talente, die er
sich durch Fleifs erworben, auch zu den unmittel-
baren, ihm vorgezeichneten Zwecken anzuwenden
und sich des hohen, in ihm gesetzten Vertrauens
würdig zu machen.
Dankbar verehrend
Ew. Excellenz
ganz gehorsamster Diener
jr. "W. CSoetlie.
An den wirklichen Geheimen Rath v. Stäge-
mann in Berlin.
Weimar, den 4. März 1829.
Ew. Hodiwohlgeboren höchst schätzbare Sen-
dung würde schon früher mit verpflichtetem Danke
- 113 -
erwiedert haben, wenn ich nicht diejenigen Gedichte,
welche ihrer Zeit als wirksam und bedeutend schon
einzeln gekannt, nicht hier im ganzen Zusammen-
hange und vereinter Kraft kennen zu lernen gewünscht
hätte *). Nun aber darf ich wohl sagen, dafe ich
diesen Band als ein Zeugnifs ansehe: wie bei einer
der bedeutendsten Epochen der Weltgeschichte, bei
dem wichtigsten und unter den gröfsten Gefahren
bestandenen Unternehmen, ein ächter Mann und Va-
terlandsfreund empfunden, gedacht und in höherem
Sinne sich ausgedruckt
' Dafs diese mitten unter kriegerischen Tumulten,
von denen ich selbst so viel gelitten, mit freiem
Geist entstandenen Gedichte mich nun bei einem
friedlichen Lande, zu ruhiger Zeit freundlich begrü*
fsen, erregt mir die angenehmste Empfindung, für
welche höchlich dankbar ich nur wünschen kann,
dafs Denenselben der beste Lohn in dem Bewufst-
sein, als Mitglied einer so grofsen, weitverbreiteten
Staatsverfassung fortzuwirken, dauerhaft gegönnt sein
möge.
Genehmigen Sie bei dieser Gelegenheit den Aus-
dnick der vollkommensten Hochachtung.
Ew. Hochwohlgeboren
gehorsamster Diener
Jf. 1¥. w. «oetlie.
*) Historische Erinnerungen in lyrischen Gedichten
von Friedrich August von Stägemann. Berlin 1828.
8
Ceb. Im Fnakfui a. M. de« 13. Hai 1786,
gesl ■■ Paris df« 12. Febraar 1837.
An Ladwig Robert.
FraBkfwi a M^ dies 2. Amgßxi 1821.
Idi hibe es wieder emmal erfidiren, dals muk grö-
frem Gewinn ans seinen Fehlem als am aemoi Ta-
genden ziQht Ware ich ein ordendidwr nnd arti-
ger Men&di, der mr gehörigen Zeit Bri^ beant-
wortet und ParadiesTögd znrudLfliegen laist, dann
halle ich Ihr TorieMes Schräben nidil erhalten,
worin Sie mich in meiner An fmonl nt un g mit Les-
ung T^lichen haben, — und wenn-nian das Un-
^ikk hat^ kein Lessing zu s^n, so ist es kräi klei-
ner TVost, dafür gehalten zu werden, — nnd ich
hatte Ihre allerliebsten Verse nicht »halten. Jetzt
bin ich sogar ein Dichter geworden, denn ich habe
ein Gredicht hervorgebracht Der Paradiesvogel, seit-
don ich ihn von dar Theaterdirection zurud^bekom-
men, lebte in dem Käfig eines gdstreidien Frauen-
- 115 -
Zimmers, wo er so viele Liebkosungen erhielt, dafs
er alle Lust zur Freiheit verlor. Ich mufste ihn
gewaltsam entfuhren; daher die Zögerung. Aber
Ihre Bescheidenheit bewundere ich. Wie konnten
Sie auf den Gedanken kommen, Ihr Aristophanisches
Lustspiel deutschen Böotiern darzubieten? Ich rede
nicht von Frankfurt, ich denke an das ganze liebe
deutsche Land. Kann dieses plumpe Volk all die-
ses attische Salz vertragen? Höchstens einige Kör-
ner auf ein breites Butterbrot gestreut. Ich kenne kein
deutsches Lustspiel, das mit dem Ihrigen verglichen
werden könnte, aber desto schlimmer. Ein ganzes
Nadelkissen von Epigrammen, von denen man blofs
den breiten Kopf ohne die Spitze verstanden hätte.
Ihr Stück würde auf der Bühne wohl gefallen, ab^
auf eine Art, dafs Sie sich darüber todt ärgern müfs*
ten. Der Spektakel hätte die Zuhörer auf unmittel-
barem Wege ergötzt, und die Ironie wäre ihnen ent-
gangen. Wissen Sie, was Ihnen wenigstens hier hätte
geseliehen können? Man hätte die kleinen Aufeüge
gestrichen. Ich war fast auf dem Wege, es der Thea^
terdirection vorzuschlagen, um zu erproben, wie weit
man es mit den Leuten treiben kann. Manche Be-
trachtong, wozu mir Ihr Lustspiel Anlafs gegeben, habe
ich niedergeschrieben, und ich hätte es Ihnen gern
mitgetheilt, aber die erwähnte Freundin hat es ein-
gepackt und mit ins Bad genommen. Ich schicke
Ihnen später den Aufsatz. Ich bitte Sic, lassen Sie
Ihr Lustspiel drucken, und bringen Sie es nicht aaj£
die Bühne. Das hiefse dem Volke schmeicbeln, als
liätte es Geist, 4as htefire es gewinnen wollen (würde
8*
— 116 —
die Polizei sagen), Sie kämen in Verdacht demago-
gischer Umtriebe, und würden nach Mainz geführt
werden. Mir wäre das schon recht, ich hätte dann
nur einige Meilen, um zu Ihnen zu kommen. Grufs
und Freundschaft.
Dr« Bdme«
Aii Frau von Varnhagen.
Frankfurt a. M., den 29. August 1825.
Gnädige Frau!
Sie haben gestern den Wunsch geäufsert, eini-
ges von meinen ungedruckten Schriften zu besitzen,
und ich habe mich im Stillen sehr über diese Aeu-
fserung gefreut. Die Dankbark^t hätte erfordert,
Ihrem Wunsche nicht zu entsprechen, aber diese
Tugend fiel mir zu schwer. Doch bin ich so vor-
sichtig, erst die Beharrlichkeit Ihrer Wünsche auf
die Probe zu stellen, und darum theile ich Ihnen
nur einen Aufsatz mit. Wenn Sie standhaft blei-
ben, werde ich mit meinen Mittheilungen fortfahren.
Ich habe diesen Aufsatz gewählt, weil er Steffens
betrifft, den wir gestern etwas berührten. Er ist
schon vor zwei Jahren geschrieben und die Stutt-
garter Censur hat ihn nicht durchgehen lassen.
Warum nicht? — darüber bitte ich Sie nachzuden-
ken, sobald Sie die Zeit haben. Mir ist es uner-
klärlich geblieben.
Ich kann es Ihnen nicht verschweigen, dais Sic
meine Ruhe gestört. Ich lebte so zufrieden mit mei-
— 117 —
uem Schicksal, und jetzt haben Sie die heftigste Be-
gierde in mir erweckt, in Berlin eine grüne Kern^uppe
mit Ihnen zu essen. Möge der Himmel diese meine
neue Sehnsucht stillen, wie er schdn manche gestillt.
Darf ich Sie bitten, mich der Hoiräthin Herz in Erinne-
rung zu bringen? Ich grüfse Sie aufs Freundlichste.
Ihr ergebenster
An Troxler.
Paris, den 13. November 1835.
Verehrter Herr und Freundb
Ich hoffe, dafs ich mein Recht auf Ihr freund-
schaftliches Andenken noch nicht ganz verloren, we-
nigstens schmeichle ich mir, dieses nicht verdient
zu haben. Wie oft denke ich an Sie und spreche
von Ihnen mit Freunden, die Sie kennen und ach-
ten. Wie sehr haben wir uns gefreut, als wir er^-
fuhren, dafs Sie in Bern einen Ihnen angemessenen
und auch gewifs willkommenen Standpunkt gefun*
den. Wäre ich bei Ihnen, würde ich, trotz meiner
fünfzig Jahre und meiner verknöcherten Fassungs-
kraft, Ihr eifrigster Schüler werden. Ich habe aber
den Plan gefafst, mich selbst in der Ferne zu Ih-
rem Schüler zu machen, mich und noch 32 Millio-
nen anderer Menschen, Franzosen genannt, die in
jeder Unwissenheit mit mir wetteifern können. Der
Plan ist schön, und ihn auszuführen, dazu fehlt nur
noch Ihre BewilUgung,
— 118 —
Die Franzosen wenden sich jetzt, auf eine dem
Mensdioifreund w&euliche, dem Geschichtsphiloso-
pboi merkwürdige Weise ia ibrem geistigen lieben,
dem Benern ond Edleren zu. Ei ist, als wäre d«
Teufel an« ihnen gefahren. Sie fangen aa zu füll-
L«i, dals der Baum ihrer ErkeuntnÜs keine tiefe
Wurzel hat, und sie drehen ihn um, und stecken
ihn mit seiner ganzen breiten Krone, mit Blättern,
Blüthen und Fruchten in die Erde, um nur fest zu
steheu, und opfern den Genufs der Hoffnung auf.
Ihr Eifer für deutsche Wissensch^ und Philosophie
steigt täglich und wirkt sich immer mehr aus. Es
ist wahr, die armen Franzosen tappen in diesem
neuen Leben bald bejammernswürdig, bald lächer-
lich umher; das ungewohnte licht blendet sie, und
sie sehen oft weniger, als sie in ihrer gewohnten
Dunkelheit gesehen. Aber ihr Blick wird sieh Dach
und nach stätiten, und wir wollen sie bi» dahin
brüderlich fuhren und unterstützen. Wir wollen et-
was zur Seeligk^t der verdammtem FnuizoaeB thun,
die wir Deutsche ihnen so manchen irdischen Vor-
theil und Genua verdanken.
Den Theil der Schuld, der auf Buch fiült, mll
'ich abtragen. Ich will in eisern fnnaÖsJMh gesohii»
benen Journal den Franzosen über deutsche Litte-
ratur und deutsches Leben sprechen, so gut ich es
verstdie. Aber mein Vcrständnilit imd meine Kralt
reiehon nicht so w«t als moiii guter WiUe. kU
Diufs daher in meinem Streben auf die MitwiHiuitg
von Männern zahlen, denen es nicht
ist, deutsches Leben und Wissen und, da diu WBi
— 119 —
der dcutsdiefl Nation in ihrem Wissen besteht, die
Nation selbst bei den Ausländern in die vordienta
Achtung zu setzen. An wen konnte ich dabei zu-
erst denken als au Sie, der Sie der Beforderui^
des Rechts, der Wahrheit und des ScJtönen Ihr gan-
zes Leben nicht blois gewidmet, sondern audt ge-
opfert haben ?
Mir B^st ist philosophisches Wirken gaiB fremd,
so fremd nur Philosophie Deutschra seiu kann, in
welchen Allen das herbgeweckte Blut Hamlet's und
Faust's äicfst Aber aulser diesem meinem &bgut
habe ich nichts von Philosophie erworben; theilen
Sie den Franzosen und mir etwas von Ihrem Reich-
Ihum mit, und übernehmen Sie für mein Journal den
philosophischen Unterricht Stellen Sie sich unter
Ihren Schülern und Lesern Menseben gleich mir vor,
von gutem Willen und einiger Fassungskraft, aber
selbst ohne die Elemente der Philosophie. Es kommt
daranf au, den Geist zu durchackern, ihm philoso-
phische Empfänglichkeit zu wecken. Was ist Phi-
losophie P Was nutzt sie dem Geist, dem Herzen,
dem Leben? Welchen Einfluls übt sie auf Kunst
und WissenscbaftP Dann von dem bewulstlosen Phi-
losophiren der Menschen, die Geccfaichte der philo-
sophischen Systeme, der philosophischen Verirrun-
geu, die Verwandtschaft der anscheinend verschiede-
nen Systeme; die Einheil der Philosoph!" 'ijid Re-
ligion u. e. W' Dieses, in einer Reihe >' :, mit
UiRHLilMiHLGoist und in Ihrer anz' -stel-
^ingni BA g b ^gg^elt |^ i*>"i i^ hier die
■Uial
- 120 -
Die deutschen Aufsätze werden unter meiner
Aufsicht ins Französische übersetzt Wenn Sie aber
in Bern einen litterarisch gebildeten, in seiner Spra-
che gewandten Franzosen fanden, der unter Ihren
Augen die Uebersetzung besorgte, so wäre es frei-
lich noch viel besser. Darf ich mir nun die Erfül-
lung meiner Bitte versprechen? Ich hoffe.
Den Mitwirkern des Journals wird der Bogen,
deutsch, mit 100 Fr., französisch mit 130 Fr. ho-
norirt.
Ich bitte Sie, mich dem Andenken Ihrer Frau
G^nahlin und Ihren Kindern zurückzurufen.
Briefe an mich, bitte ich unter Couvert:
ä Mr. Straus,
Bue LqfiMe 44 ä Paris,
abgehen zu lassen.
Mit der herzlichsten Verehrung und Freundschaft
Ihr
Boeinte«
£nlogins Scbneider«
Geb. in Wipfeld den 20. October 1756,
g\iilIotinirt in Puris den 1. April 1794.
Ziur Charakter -Entwickelungsgeschichte des nachher
so blutdürstigenDemagogenEulogius Schneider möchte
der nachstehende Brief nicht ohne Interesse sein ; er
ist aus einer Zeit, in der Schneider als Professor in
Bonn den Musen und Wissenschaften lebte lind be-
vor er sich in den wildesten Strudel der französi-
schen Revolution stürzte, als deren Opfer er in Pa-
ris unter der Guillotine fiel.
An Fr. Nicolai in Berlin.
Bonn, den 2a Jnli 1789.
Sie erzeigten mir die Ehre, in den Beiträgen
zu Ihrer Beisebeschreibung meiner auf eine Art zu
erwähnen, welche mir nicht anders als schmeichel-
haft sein konnte. Mein Schicksal wollte es nicht,
dafs ich Ihre personliche Bekanntschaft machen sollte,
da Sie durch Bamberg reiseten, wo ich gerade da-
mals im Framuskaner Kloster war. Der Zwaijig der
Ignaz Ans. Fessle r.
Creb. in Czorndorf (Ungarn) 1756.
An Fr. Nicolai in Berlin.
Oberschönliausen, den 8. Jonius 1808.
Verehrter Mann!
öie erhalten hierbei Kunde von einer Unternehmung,
Welche versuchen will, eine Lücke unserer histt)ri-
schen Litteratur auszufüllen, und etwas zu liefern,
was, nach den gegenwärtigen Zeitaspecten, Vielen,
die gern mit offenem, hellem Blicke in der Zeit leben,
bald eine erwünschte Erscheinung werden dürfte.
Ich bitte Sie, den mir wohlbekannten Freund
und Beförderer alles Guten, die Sache in Ihrem
Wirkungskreise, so weit derselbe reicht, hier und
auswärts zu unterstützen.
Wer die Geschichten schweizerischer Eidgenos-
senschaft mit Lust oder mit Mortification gelesen
hat, wird meine Geschichte der Hungarn und ihrer
Landsassen wenigstens gern lesen.
Ich wünsche, dafs die Stöhne und Töchter Ihrer
— 125 —
Nation (das ist sie noch überall, wo sie sich von
Völkern und Horden, die mit dem Schein von Na-
tionalität nur betrügen wollen, nicht hat blenden
lassen) recht zahlreich auf meine, mit kräftigem
Nationalsinne geschriebene Geschichte der hungari-
sehen Nation pränumeriren, und dadurch bezeugen
möchten, wie hoch sie alles Nationale, wo es sich
auch finden mag, schätzen.
Ich verbürge Ihnen, dafs Sie in zahlreiche und
respektable Gesellschaft kommen, zwar nicht von
Berliner -Christen (denn wenn hätten diese eine so-
lide, bleibende, wissenschaftliche Unternehmung auf
eine vorzügliche Art unterstützt, sie, die selbst,
wenn sie wohlthätig, grofsmüthig oder liberal sein
wollen, immer wenigstens eines Concertes, eines
Balles oder einer Benefiz -Komödie bedürfen), sotvr
dern biederer Schweizer, besonnener Deutschen und
gründlicher Hungarn. Sie, ehrwürdiger Mann, ha-
ben schon vor zehn Jahren darauf pränumerirt, und
Sie stehen daher auch in dem Yerzcichnifs von deii
Ihrigen auf der Pränumerationsliste bei mir ohn^
Weiteres oben an. Nur die Sorge, dafs Si^ yoii
den Ihrigen in Berlin nicht allein stehen bleiben
mögen, überlasse ich Ihnen.
Mit aufrichtiger Achtung
Ihr
ganz ergebenste .
FesAler. :
'■;:#(
M. Herrn. Ferd. Ton AitenrletL
Geb. zu Stuttgart 1772, <
gest. SU Tubingen ia3S.
An Yarnhagen von Ense.
TfibiBgea, den 30. Afril 1818.
Ihre Laufbahn trennte sich von der ärztüchen, ich
ifinsche Ew. Hochwohlgeboren mAt Gewifshät, für
das Wohl der Menschheit etwas thun zu können, als
wir bei der misrigen haben, und, sollte etwa selbst
Se Staatskunst das Loos aller menschlichen Bestre-
bungen treffen, die Cartesischen Wirbel, die man
rom Himmel verbannt hat, auf der Erde zu reati-
siren, den Muth, welchen Ew. Hochwohlgeboren
aus der Ärzneikunst werden mitgebracht haben, das
elfte Uebel von neuem zu bekämitfen, nachdem al-
let Widerstand gegen z^n ähnliche frühere verge-
bens war. Ich als Arzt mufs mich mit dem Spru-
che trösten: „frühe säe deinen Saamen, und lass'
deine Hand des Abends nicht ab, denn du weiisest
nicht, ob dies oder das gerathen wird.^' — Ew. Hoch-
— 127 —
wohlgeboren sind als Staatsmann glucklicber^ da dem
klaren Buchstaben aller Verordnungen, Constitution
nen und Manifesten nach Alles, was in diesem Fa«
che geschieht, immer allein zum Besten der Mensch-
heit geschidit. So fern ist freilich mein obiger
Wunsch überflüssig, und ich habe ihn auf den ärzt»
liehen einzuschränken. Möchten Sie gewiis immer
gesund bleiben. — Um was ich aber Ew. Hoch-
wohlgeboren und Ihre Freunde, Kerner und Uhland^
beneide, ist der Geist der Poesie, welchen Sie in
das Leben zu legen wu&ten; dem Arzte erheitern
keine Götter Griechenlands die Wirklichkeit, höch-
stens kann ihm spartanische Starrhdt, sie fortzuwäl-
zen, helfen« Doch auch das ist Leben, das zu et-
was Höherem fahren muüs, und so die Verschieden-
heit der Laufbahnen am Ende nidit grois.
Mit ToUkommenster Hochachtung und Verehrung
Aiit«MHetli»
An denselben.
Tiibingeii, de» 28. November 1827.
Ew. Hochwohlgeboreu haben mir auf eine so
freundliche Art einen so ehrenvollen Antrag gemacht,
dais es undankbar von mir wäre, wenn ich die hoch-
achtbare Societät und zunächst Ew. Hochwohlgebo*
ren sdbst täuschen und versprechen wollte, was ich
nicht zu Idsten ' vermag. Ich bin ein zu sehledi-
ter Arbeiter! Wohl würde ich mich sehr glückUdi
— 128 —
gctetzen, im Umgange so geistvoller und kenntnifs-
reicher Männer, unter Wechsel weisem Ideen -Austau-
sche leben zu können; aber zum schriftlichen Sur-
rogate gebricht es mir an Zeit, und ich bedürfte
mehrerer; denn es wird mir immer schwere, einen
Gedanken auszusondern, an den sich nicht eine Un-
zahl damit zusammenhängender anderer anzuschlie-
&en strebte; so schreibe ich zu schlecht für Ihr
Institut, und meine heterogenen Beschäftigungen, die
nach aufrufen, bald als Landstand die Wirkungen
eines Zollgesetzes mir klar zu machen, bald über
den Hiob zu schreiben, und Reden übet die natur-
historische Wahrscheinlichkeit der Fortdauer, der
Menschen zu halten, damit der hi^ früher herr-
schende theologische Dogmatismus etwas aus sei-
nem schweren Schlafe aufgereizt werde, waArcmd
ich dann wieder für die Gerichtshöfe &n Gutach-
ten, ob «n Verbrecher ein Verrückter sei, zu stel-
len, und Nosologie zu lesen habe. Diese hundert
verschiedenartigen Thätigkeiten hindern mich, mir
selbst in meinem Fache, in vielen seiner Zweige
wenigstens, so viele Detail -Kenntnisse zu sammeln,
daf» ich mit Ehren als Beurthdier dessen, was An-
dere leisteten, auftreten könnte. Hat man aber
&5 Jahre zurückgelegt, so geht die Zeit auf die
Neige! Aus dem Chaos der Lektüre, Erfahrungen
und Einbildungen meines bisherigen Lebens will
ich im Beste desselben nur das zu entwickeln mich
bestreben, was ich als unbefangene Ansicht von der
Einrichtung der wirklichen Natur, so weit sie als
— 129 —
AU dem Menschenverstände zugänglich ist, von ih*
ien Spuren einer höhern Ordnung und vom Yet^
hältnifs unseres Ameisengeschlechtes zu ihr betrachte,
unbekiimmert um alle Systeme, die der Beihe nach
alle untrüglich waren. Damit aber werden Sie selbst
einsehen, dafs mir am Rezensirtwerden, das mir mdne
Einseitigkeit nun auch wieder aufdecken würde, viel
gelegen sein mufs, dafs ich aber ein schlechter Re-
zensent der Geistesarbeiten Anderer sein würde. Ein
jeder Mensch hat bekanntlich sein Steckenpferd; nach
30 Jahren, die ich meinem Amtsfache widmete, glaubte
ich berechtigt zu sein, mir auch eines anzuschaffen.
Den Inbegriff meiner Erfahrungen und Ansichten in
der praktischen , Medicin meinen Schülern so klar,
als mir möglich ist, aus einander zu setzen, halte ich
für meine erste Pflicht, und durch «ie, durch ihre akade-
mischen Dissertationen und theils auch durch meinen
Sohn, der, wenn ich meine mcdicinische Beschäfti-
gungen wegen der Landtage unterbrechen mufs, mein
Stellvertreter ist und jetzt ebenfalls für sich Lehrer
der praktischen Medicin, wird das, was etwa von
meinen 30jährigen Versuchen tauglich wäre, allge^
meiner bekannt zu werden, schon verbreitet werden.
Darum halte ich mich für weniger verbunden, es noch
selbst, ausgerüstet mit dem nöthigen gelehrten Afh
parat und der Rücksicht auf Litteratur, entweder in
eigenen Aufsätzen oder in Gesammtrezensionen der
Schriften anderer Aerzte über solchen Gegenstand,
bekannt zu machen. Aber mein Steckenpferd, das
ich mir ansdiaffte, glaube ich nun auch, wie jedet
9
imd ^or ibr
dieofdiict, fofaren,
SdriftcB,
td der Gene» hier in unserer Kiinihifiltii^BibKa-
AdL haba? Oder, wcu idi meiote, ehi annges
iBgpliiiifiBgeg Viereck, mit Sidicriieil im MiMude ge-
•dien, wirde alle Systeme der NatmfpUoBC^iUe, die
dem Erdball selbst Leben und Proddktioii des Le-
bens ^anf seiner Oberfladie znsdireBMn, nber des
Hanfien werfiai, weil der Mondsball ein anderer als
der Erdball ist, eine andere AnsJehanjEssti
andere Atmosphäre hat, und mm doch in
xnnftige Geschöpfe sich erwiesen, die eine gemein*
sdiafUiche Greometrie mit uns Itttten; die auch auf
der Qba4adie des Mondes, wie wir aof der Ober-
fladie der Erde, blols angeflogen, nidit von ihr er-
seogt (da eine andere Oberfladie imdi eine andere
Geometrie erzeugen müikte), mit nns irgendwo her
ans dem für ans leeren Raum kommen mausten, vid*
leicht angezogen dardi die Reibung der mit nnge«
- 131 -
hmxtet Sclmelügkeit im Raum sich drehendeii Wf^
iugeln, ungefähr wie in uniserer Atmosphäre ein^
sdinell umgedrehte Glaskugel Elektricität aus unse*
rer Atmosphäre auf ihre Oberfläche ansammelt? Sie
i^hen, dafs ich selbst die sogenannten exakten Wis*
senschaften nicht ohne Phantasiren bearbeiten würde*
In keiner Hinsicht also kann ich Ihnen nützlich sein.
Nehmen Ew. Hochwohlgeboren also meinen innig-
sten Dank für Ihren so gütigen Antrag, und bezeu-
gen sie ihn auch in meinem Namen den berühmten
Männern Ihrer wichtigen Gesellschaft '*). In einem
kleinen Staate ist man wie in einer Organisation der
niedern Ordnung, wo alle Funktionen in einer ver-
schmelzen, und ein Organ vielerlei derselben, ohne
zu besonderem Zwecke ausgeschieden zu sein, ohne
also diesen in höherem Grade erreichen zu können,
dienen mufs. Es hat auch sein Gutes, keine Rolle
auf dem litterarischen Weltthcater zu spielen und
dafür seinen eigenen Kohl zu pflanzen; ist der Saa-
men desselben gut, so verbreitet er sich eher in der
Stille, wenn beim Mangel eines Ursprungs -Certifi-
cats Jeder glauben kann, er sei ihm selbst gewach-
sen; obschon es etwas langsamer damit hergeht. Da-
mit Ew. Hochwohlgeboren mein Steckenpferd, mit
dem es mir im Innersten Ernst ist, deutlich erken-
nen, und um die Wahrheit meiner obigen Entschul-
digungen zu beweisen y nehme ich mir die Freiheit,
* ) Verein fiir die Herausgabe der Jalurbüclier für wit-
senscliafllielien Kritik.
9*
Karl Immermann.
Creb. in Magdeburg 1796,
gest. in Düsseldorf 1840.
An Varnhagen von Ense in Berlin.
Münster, den 28. Augast 1823* •
Ihnen die anliegende Tragödie '*') zu übersenden,
dazu veranlafst mich die liebevolle Aufmerksamkeit,
welche Sie meinen früheren Versuchen haben tu
Theil werden lassen. Ich statte Ihnen für Ihre
Kritik nochmals hierdurch meinen besten Dank ab;
sie hat mich sehr erfreut und, wie ich glaube, mehr
gefordert, als viele andere diktatorische Worte, die
über meine Trauerspiele laut wurden. Ich weifs
wohl, wovon ich s^nsgehe, aber nicht, wohin ich
gelange; ich kenne meine Meister und scheue mich
nicht, sie zu nennen, aber ich ahne selbst kaum,
was sie an mir entwickeln werden.
Diese Punkte meines tiefsten Bewufsts^ns be-
*) Periander.
- 134 -
rührt Ihre Kritik, und eben, weil sie unbestimmt läfst,
welcher Platz diesen Erstlingen gebühren möchte, for-
dert sie mich mehr als jede andere auf, mich selbst
zu bestimmen und zusammenzunehmen.
Ich bin mit der Versicherung ausgezeichneter
Hochachtung
-Ihr
gans^ ei^ebener
An denselben.
Magdeburg, den 23. September 1824.
Ew.- Hochwohlgeboren kann ich nur mit eini-
ger Beschämung heute nahen, da ich wenigstens den
Sobeia der Undankbarkeit gegen mich habe. Sie
waren so gütig, mir im vorigen Jahre die Samm-
lung der Zeugnisse über Goethe senden zu lassen,
und ieh habe Ihnen nicht einmal den fkapfiing an-
gezeigt Möchte die Unterlassungssünde in dem gänz-
lichen Wechsel aller meiner Verhältnisse, der mich
betraf, und einem staj^en äufsem Geschäftskreise
(UmstäHide, die freiem geistigen Verkehr nicht güHr
stig sind) einige Entschuldigung finden. Indessea
wird es mir immer noch erlaubt sein, Ulnen auszu-
sprechen , dafs mich die Sammlung sehr angezogen
und erfreut hat. Es ist wirklich merkwürdig» wie
die Kritik sich nach und nach an Goethe herauf-
gebildet hat, und zeigt gerade dies das Buch beson-
ders deutlich.
— 135 ~
Ich lege, indem ich mir fortwährend Ihrer Theil-
nähme freudig bewufst bin, ein neues Lustspiel *) von
mir meinen Zeilen bd. Möchte ich nur selbst d«i
Behagen daran finden, als an den friiheren Yars«-
dien. Aber ich sehe immer mehr ein, dais dramar
tische Poesie sich nur im Verkehr mit der Bühne
lernen läfst, und dafs, entfernt von ihr, nur Skiz-
zen und Studien entstehen können. Vielleicht habe
ich das Vei^nügen, Ihnen im Winter dort mündliell
die Gefühle der Hochachtung und Ergebenheit aus^
spredien zu dürfen, mit welchen ich verharre als'
Ihr
gehorsamer
An denselben. \
Magdeburg, den 9. April 18*26.
Sehr werth war mir Ihre Zuschrift, y^ehrtef
Herr und Freund, und wenn ich erst jetzt daf^
danke, so hat dies darin seinen Grund, weiV ic^
zugleich Ihnen die ästhetische Abhandlung überri^t
chen wollte, welche, vor Kurzem gedruckt, nun di^T
sen Zeilen beiliegt. Ihre Kritik über den Cardenip
war mir um so wohlthuender, als ich sie grade ß^
der Zeit las, wo mir auch die im Morgenblatte m
Gesicht gekommen war. Letztere hatte mich v&t*
wundet, so weit Fehlurtheile Andere uns verwoH;:
^) Da« A«§e der Liebe.
7tMi>.ii vollkiri—i'i Bcdtt kdSm: ie& va£i seBisl
soll. w«Hi kk äe ^
Daam Übe kk
jedock witkt aDem Scfadd, soadom ^i Theatar
ll%t dboiCdk eiB« Tkal der Ictziom. b nsdier
Udieroller Wedttdwiiimg zvisckoi Bihne und
Diclrta' erzMgt ütk aUein das wihih# gnifiie und
Mtionafe IlnuwL Ciiaer Timer glöcbt dbcr einer
flltenidcii Coqsette, wdeiie zwar ait ilven gesdmniik-
Ich Waiifen nacii alleriet Gecbea umwrfcant, sie an
iidk za femdü^ dsufegea eine wahre, tiefe Nagong
flidit Yenrtdtt und nodi -nti weniger za erwidern
W^iSi# Die Robe der Bidkät ist so sols, es ist
00 tmbriiaglicb, sich aas dersdben za edler Tha-
tigkeit ertieben za müssen. — Ich kann den nor
I^Ui^licb preisen, der nie in Versachang gerieth,
•ein Birebcn an das groise Nichts unserer Brett»
XU verschwenden. Recht sehr erfreuten mich Ihre
geistvollen biographischen Denkmale, welche ich vor
einigen Wochen las. Es ist schön, dafs Sie unserm
vaterländischen Helden Blücher Ihre Kraft widmen
wollen; der Stoff ist so dankbar und die Behand'*
hing ergiebt sich so von selbst Blücher ist doch
der einzige General der grofsen Zeit, welcher eine
ausgesprochene Physiognomie und etwas Persönli-
ches zeigte ^
Kürzlich erschien von Heine im Gesellsofaafter
eine Harzreise, die mir sehr wohl gefiel« Sie hatte
einen süfsen, phantastischen Reiz, der noch gröfsar
gewesen wäre, wenn sich Heine vor einigen bur-
schikosen Auswüchsen zu hüten gewufst hätte. Id
kann es mit Gewifsheit sagen, dafs mich meine bür-
gerlichen Verhältnisse in den nächsten Monaten nach
Berlin führen werden. Ich hoffe auf Freude von
diesem Aufenthalte, und wünsche, dafs mir das Gluck
zu Theil werden möge, Sie persönlich kennen zu
lernen. Mit aufrichtiger Hochachtung
Ihr
ergebenster
d. t
An denselben.
Magdeburg, den 8. J^^ovember 1826.
Sehr erfreulich, verehrter Herr und Freund, war
mir die Einladung zu den neuen kritischen Jahrbfl-
ehern, und gern sage ich die Theilnahme am Insti-
tute zu» Nach den Namen der GründiraT' und den
— 138 —
mir gegebenen Andeutui^en zu ürtbffllen, lassen sich
^ Sache die günstigsten Auspicien stell^i, und ich
hoffe, dais die neue Zeitschrift einmal wieder die
Ehre der Kritik als einer Wissenschaft retten wurd,
Ton welchem pmrd {fhofmeur bekanntlich die meisten
jetzigen rezensirenden Anstalten ziemlich fern sind.
Von den mir vorgeschlagenen Schriften wiirde ich
Heine's Reisebilder, Clauren^s Landhausleben und
die Novellen von Steffens wählen. Das erste
der genannten Bücher steht mir hier zu Gebote, die
beiden andern aber werde ich hier wohl nicht be-
kommen könn^i. Wird die Redaction sich mit Zu-
tendung von Schriften an die Mitarbeiter befassea?
Mit grolsem Vergnügen habe ich neulich Ihre
Biographien Dörfflingers und des alten Dessauers
gdesen, und freue mich sehr auf die Blüchers. Ich
finde besonders die Xenophontische Ein&chheit in
Suren Denkmalen ansgez^chnet und acht historisch.
Von Heine erhielt ich vor Kurzem* einen Brief
aus Lüneburg. Seine Verhaltnisse scheinen sich noch
immer nicht recht solide bilden zu wollen; er ist
fortwährend auf der W^anderschaft und, wie es mir
vorkommt, auf keiner fröhlichen. Bewegung und
Wechsel möchten seinem Naturelle und Talente viel-
leicht sehr zuträglich sein, nur wünschte ich, dafs
die Idee der Kunst sich bald ganz rein in ihm aus-
prägte, zu welcher Vollendung er gewifs berufen ist.
Seine Erzeugnisse gehörig zu würdigen, wird eine
der schwersten Aufgaben sein.
Wenn Sie mich nadi meinem dichterischen Le-
ben befrag», so weifs ich leider davon zur iZeit
— 1S9 —
wenig zu sagen. Der Druck der äu&em bürgecK*
<^ken Verhältnisse ist grade j^t zu stark, als daik
> idi an ^e Arb^ dauernd denken könnte. Hof^
fentlich kommt die Zeit vrieder, wo mir die Bmal
frei wird.
Ich bitte, mich Ihrer würdigen Gemahlin ra
empfehlen, und den Mitgliedern Ihrer GeseUschafi,
die gut auf mich zu sprechen sind, dinen freundU«
chen Gruifl von mir zu sagen. Mit aufrichtiger G^
sinnuiig
der Ihrige
e. +
An denselben.
yj
Magdeburg, den 24. Januar 1^7.
Sie konnten mir» verehrter H^r und Freund,
kein angenehmeres Geschenk senden, als die beiden
Bande mir waren, die mir durch Ihre Güte wurde»»
Wenn ich meinen herzlichen Dank nicht ^eioh nach
Empfang ausgesprochen habe, so hat dies darin aeh
nen Grund, weil ich zuvor den Blüdier wenigstens
durchlesen wollte, ehe ich Ihnen schrieb. Ich habt
mich sehr an der Biographie unseres alten Heldi^
erfreut^ und finde, dais Sie in Ihren historischm
Arbeiten denjenigen Weg einschlagen, der wir we*
nigstens als der dnzige richtige erscheint, nämlidi
die Geschichte zu individuaUsiren, zu beleben und
das Persönliche, Charakteristische durdi die Dari^el^
long dtfin harvoirlreien zu lassen. Von diaser M*
— 140 —
•torif eben Ksnst cntfenien sidi leider die
iflNDer mdr, de beadkten die Ahen omI die Eng-
Bader nidit, die daiin ak Muster h u i oüc Mchten,
wnd glauben Gescbicbte zn sehreiben, weim sie nnr
mechanische Bewegongen, Namen und Zahlen über-
liefiniL — HanptsadJich tragt zn dieser Entartung
der Gesducfatschreibnng, wie ich glaube, der Um*
itand bei, dais sie mastens in den Handee der Stn-
bengdebrtm mht, die die Gestalt des Lebens nie
geschaut haben. Wenn sie nun auch hohor hin*
aus denken, ab auf den Notizenkram, dessen ich
vorhin gedachte, so bringen sie es doch immar niu*
zu einem bleichen Schatten des Alterthums in der
Darstellung, der dann zu den ^neueren Ereignissen
sich wunderlich verhält. Geschichte sollte immer
von Kriegern oder Staatsmännern, welche zugleich
die Weihe der Kunst empfangen haben, geschrieben
i^erden; diese allein kennen die Gestalt der Gegen*
wart nach deren eigenthümlicher Form aus prakti-
scher Erfahrung. <— Ich habe an Ihrem Werke dies
auch recht bestätigt gefunden, es zeigt sich überall,
daiSs den Verfasser sein Leben in das Feldlager und
in das Kabinet geleitet hat; der dort gewonnene
Blick giebt dem Ganzen Auge und Seele. Für das
Gelungenste halte ich fast die Darstellung der Zeit-
räume, die grofsen Ereignissen vorhergehen, oder
iwisohen zwei grofsen Ereignissen liegen; doch finde
ich auch mehrere Schlachtgemälde, namentlich das
von der Katzbach und von den Tagen im Junius
1816, sehr vorzüglich gearbeitet Die Freimüthig-
keit des Werks ist äuiserst schatzbar, der geschieht*
- 141 -
Uche Takt zeigt sich wieder darin, dals die Pargo*
nen, auf welche die Ereignisse gewisse Schatten wer-
fen, z. B. der Kronprinz von Schweden und Schwar-
zenberg, mit grofser Mäfsigung behandelt word^
sind. Vortrefflich finde ich den Gegensatz zwischen
dem den Abend in Brüssel auf den Ball gehendem
'Wellington und dem ein Paar Tage später dieTrupr
pen durch den Koth nach dem Schlachtfelde treibenf
den Feldmarschall. Die Verschiedenheit der Hinnd^
lungsweise der beiden Feldherreh ist aus deii GtÜBt
den ihrer Natur dargestellt, und diese Partie des
Werks mit einer, möchte ich sagen, epischen Bruh6
und Klarheit behandelt.
Der Styl ist diesmal prägnanter, als in Ihren
friihern Schriften. Gegensätze, Adjectiva und Nu^
merus deuten auf das Bestreben hin, durch Bedeu-
tung des Sinnes zu wirken. Im Ganzen finde leb
auch diese Seite nur zu loben — manches Einzelne
hat mich indessen — verzeihen Sie mir meine Frei*
müthigkeit — gesucht gedünkt; ich hätte es einfa-
cher gewünscht. Ich kann Ihnen die Stellen nicht
angeben; der Eindruck des Ganzen war mir zu Heb
und werth, als dafs ich durch Anstreichen und Be-
merken kleiner Flecken mir ihn trüben mochte. Bei
einer spätem Auflage (die das Werk gewifs erlebt)
werden Sie, weiin Sie sich von der Richtigkeit mei-
ner Bemerkung fiberzeugen können, durch ein Paar
Striche oder Weglassungen sehr leicht auch diese
Minutien noch verbessern.
Jetzt will ich mich an die Dichter machen, und
werde mir klauben, auch darüber Ihneiti meine
— 142 —
Meinvng zu sagen, wenn Sie mdn ürtheil hören
wollen.
Uebrigens kann ich Ihnen nicht bergen, dais
idi beim Anblicke der Handschrift dnen kleinen
Schreck bekam; so wie ihn der böse Sdiuldner
empfindet, wenn er die Zuge der Glaabiger sieht
S|e gehen indessen noch sehr glimpflich mit mar
nm, nnd ich werde in mir ein reuiges Herz zu er-
W^en suchen, damit die versprochene Rezaision
recht bald fertig wird. Sie würde schon vollendet
sein können, wenn mich nicht plötzlich kurz vor
Weihnachten die Leidenschaft und der fUfer för «•
nen dichterischen Gegenstand zu sehr überwältigt
bätta Ich konnte mich von dieser Arbeit nicht
trennen, bis sie fertig war; das ist sie nun, und
jetzt will ich gewifs daran denken, mein Wort mög«
lidist bald zu lösen. —
Ich empfehle mich Ihnen^ mit den Gesinnungen
hochachtungsvoller Ergebenheit
An denselben.
Magdeburg, den 21. Febraar 1827.
Beili^end, verehrtester Freund, übersende ich
ihnen die versprochene Kritik von Arnim und Heine.
Die Vetänderung meiner Verhältnisse (wovon nach«
her) macht es mir ganz unmöglich, in diesem Au-
genblick mit Ruhe die Novellen von Steffisns zu
beurtheilen. Wollen Sie diese Arbeit einem An-
— 143 -
dern übertn^n, so mais ich es mir gefallen lassen,
soll sie mir bleiben, so werde ich sie liefern, kann
jedoch die Handschrift vor Pfingsten nidbt verspre-
chen. "Eine Zusammenstellang, wie ich sie bei Ar-
nim und Heine versucht habe, wäre mit Steffens
doch nicht möglich gewesen. Für ihn sind vdeder
andre Gesichtspunkte aufisusuchen. Ich wünsche nun
nichts mehr, als dafs meine Arbeit Ihnen und der
Gesellschaft gefallen möge; ich habe sie so gut ge-
macht, wie es mir möglich war, und bin dem Ge-
sichtspunkte treu geblieben, dafs eine wissenschaft-
liche Kritik immer zu gewissen allgemeinen Rück-
. blicken und Uebersichten hinstreben, diese aber auch
wieder durch sorgfältige Beachtung des Einzelnen
belegen mufs. Ein Beweis ist freilich auf diesem
Felde nicht zu fuhren, man kann aber wenigstens
durch Gründlichkeit etwas Beweisähnliches liefern.
Freilich mufs man dann etwas ausfuhrlich sein; in
der Kürze sind solche Arbeiten nicht wohl zu fas-
sen, und so ist denn auch die meinige lang ge-
worden. — Veränderungen und Abkün^ungen habe
ich dennoch^ bei der Durchsicht nicht vornehmen
mögen.
Meines Bleibens wird hier nur noch 14 Tage
sdn, dann gehe ich nach Düsseldorf, wohin ich v^-
setzt worden bin. Wenn Sie also später mir ant-
worten, so haben Sie die Güte, dorthin unter mei-
ner Adresse als Landgerichtsrath den Brief zu rich-
ten. Ich gehe gern an den Rhein, mit dem Idichten
lustigen Volke dort wdis ich mich zu behaben, und
der tiefern Anregungen sind denn do<^ 6cfit sehr
,1. EaeO
Am denselbeiL
2L Jan
Nor wodge Wotie woBem die Baanioa Ton
Bache begleltai, daBÖl wiit B<idi ein Post-
t^ Terbarnnt werde. An der Z agitung bin ich wahr-
tick nicht schuld, der dritte Band aingfltf mir, and
idi habe ihn, bei dem hier am Rhein höchrt dm-
den Stande des Buchhandds, erst nsK:h 6 Wodien
hu^em Harren bekominHi können.
Ich werde bei Ihnen ganz in Müäredit gd^om*
men sein, und die Rezension wird nicht dazu bd«
trag^ ihn zn heben. Die Arbdt ist sdir sddecht,
das fiihle idi redit wohl, nnd das AngquduDste
— 145 —
wäre mir, wenn die Societät sie zurücklegte, und
die Kritik noch von einem Andern liefern lasf
sen könnte. Ich habe sie mit Unlust g^chriebeB^
nach meiner individuellen Meinung ist an dem
Buche nicht viel, es ist weder Poesie, noch Ge*
schiebte, noch Philosophie , sondern eia Zwitter
von allea drei Geschlechtern -^ ^ ich habe es mar
mit Ueberwindung durchlesen können. Dana habe
ich wegen des unglücklichen dritten Bandes eüig ar*
beiten müssen. Unlust und Eile aber sind schlechte
Musen.
Ich unterzeichne mich mit den Gefühlen steter
Anhänglichkeit
Inuaieriüfiiiii« ...1
Andenseiben.
Di|s8ielfUr^ 4^11 11. jABiur 1834; ;
Entschuldigen Sie, mein Yerehrtester, dafii idi
nicht augenblicklich auf Ihre^ Brief geantwortet^ för
ihn und die ihn b^leitende w^rthe Gabe gedankt
habe. loh empfing Beides auf deat Kvankenlageiv
von dem kk nur erst vor dnigen Tageii erstand
den bin. :; A : • ■>:,■;
Ich hatte das Buch, dessen Besitz ich ieitthJIhf
rerGite verdanke, bereits gleich lütdi seinem En^
scheinen mir zu verschafBsii gewuist und^mit dem
grö&ten AntheU gelesen; > Nur ^^ mit Trauer^ gab kk
das Erborgte, welches auf gewQloiUolien W^en tdaM
z« beicoiMneB iwar, wiedcnr aus 4er Hiand|i'ik ies zu
10
— 146 -
denen gehört, zu denen man immer zurückziikefaren
wünscht Sie können hieraus abnehmen , wie sehr
es mich freuen muis, diese merkwürdigen Urkunden
eines wunderbaren Daseins aus Ihrer Hand mein Ei-
genthnm nennen zu können.
Soll ich meine innerste Empfindung, welche die
ims mitgetheilten Papiere in mir erweckt haben, aus-
sprechen, so möchte ich sagen: der höchste Gehalt,
den sie uns schenken, ist die Anschauung einer in-
definibdn, Gemüth und Glauben starkenden Persön-
lichkeit. Diese Anschauung, welche ich nicht auf
Wort und Beschreibung herabsetzen kann, ist mir
wenigstens noch theurer, als die Masse der einzel-
nen genialen, tiefdringeuden Blicke und Wahrneh-
mungen, an denen das Buch so reich ist Eine
Natur, mit unendlicher Liebe- und Leidensfähigkeit
ausgestattet, schon durch Geburt und ererbten Glau-
ben in einen gewissen Zwiespalt geworfen, wird aus
allem diesem Trüben und Düstern vom Göttlichen
immerfort an starken, unsichtbaren Fäden nach sich
giezogen. Je mehr die Jahre, die Jiier, möchte ich
sägen, nur verjüngen, vorrücken^ desto entschiede-
ner wird Aafl Beine, Wahre, Ewiggute ihr natürli-
ches Element, und so löst sie Hddeidiaft die ver-
wickeltste Aufgabe. Dafs uns nun ein solches Bild
und Beispiel nidit im Pliitarch, nicht unter den gro-
&en destalten des Mittelalters, sondern in d^i jüng-
sten Tagen, in unserer nächsten Nähe begegnet, das
ist das Hochtröstliche, Mutb und Hoffidung Verbra-
tende der Erscheinung.
'^ Freilich ist der Gram nicht zurückzudrängen,
- 147 -
dafs ein solches Leben still steht ^ ehe es noch die
Grenze, welche die Natur unwiderruflich gesteckt,
erreicht hat. Vielleicht aber soll uns damit ein Zei*
chen gegeben werden, dafs wir alles Best^i und
Höchsten uns nur geistig zu versichern haben, da&
alles materielle Trauen und Bauen auf sein physi*
sches Substrat von einem Irrthume ausgeht
Sehr wichtig und bedeutsam sind mir auch die
Beilagen gewesen. Von Angelus Silesius kannte ich
einzelne Sprüche, von St. Martin noch gar nichts.
Der Eindruck, den diese Denkweise auf mich macht,
ist ein besonderer. Ich gestehe, dafs die ascetische
Contemplation, worin Beide leben und weben, mir
nicht natiirlich ist, da mir Gott nur im Handeln
und Dulden erscheinen will. Allein ich kann die
Schönheit, die Heiligkeit solcher Sinnesart doch emr
pfinden, und so werden mir die Menschen zu Mitt-
lern mit dem Obern, Himmlischen.
Vielleicht füllen die Lebensläufe gottbegeisteter
Menschen eine wesentliche Lücke im Protestantis-
mus aus. Wir können uns den Mangel nicht v&>
bergen, für den we<der das abgemessene Wort döb
Predigers, noch unser auf mannigfache Weise wüIt
kiirlicher Cultus einsteht Der katholischen Kirdie^
wenn man durch ihre äufsere Entstelhmg hindurchf
sieht^ bleibt das unendlicher Anwendung fähige Zei-
chen, die feste, sich in Nothwendigkeit fortbewe-
gende Tradition. ^ Allein ein wahrhaft andächtiges,
in Gott seliges Leben ist etwas so Incommenaur
räbles, Mystisches, als das Zeichen,' und giebt Ulis
auch die iJeberzeu|^g von der bestäadigcdDiii'FDit-
10*
— 148 -
|iflanzung ursprünglicher, ewiger Wahrheit Viel-
leicht ist es auf diese Weise ako doch möglich,
lins Grund und Boden zu schaffen, und dra Um-
kros unseres Tempels zu ziehen.
In hochachtungsvoller Gesinnung
ganz ergebenst
I.+
An denselben.
/ Düsseldorf, den 26. Augast 1838.
Hochgeehrtester Herr Geheimer Legationsrath!
■i\r. Sie haben mich durch die gütige Mittheilung
ihrer Denkwürdigkdten und yermischten Schriften
au dem aufrichtigsten und groüsten Danke Terpflich*
tet, in dessen Ausdrucke ich leider nur allzu rück«
ständig geblieben bin. Verzeihen Sie mir^ene^est
und nehmen Sie die Worte, welche ich langst l)atte
iqprechen sollen, auch jetzt noch nachsichtig an. Ich
liabe in diesen Bänden eine reiche Quelle der Be-
Mirung und Aufklärung über die wichtigsten und
bisher zum Theil unzugänglichsten EMnge unseres öf*
ffintliclien und Culturlebens gefimden^ und halte sie
fiir ein dauerndes Denkmal der geistigen und prak«
tischen Periode, welche Ew. HochwoUgeboren mit
80 hoher Begabung durchlebten.
Was Ihnen einen so ausgezeichneten Rang un<
ter den gegenwärtigen Autoren anweiset, isi meines
Evachtens die glückliche gegenseitige Durdi(hinguug
▼on aosgebreitetster Lebenser&hrung und sinnendem
und bildeiidttm Geiste, wekhe in Ihnen zu Tage stellt
— 149 —
Dadurch ist es gekommen , da&, wo Sie das
Leben anfassen, dasselbe Ihnen nicht unter den Häiir
den schwer wird, sondern seine harmonisdi-künst*
lerischen Elemente dargiebt, und, wo Sie den freiett
Gängen des Creistigen folgen , diese sich nicht vor
Ihren Blicken zu den beliebten abstrusen Schemen,'
in welchen sich so Viele gefallen, verflüchtigen, son-
dern eben Weg und St^ durch gediegene Realität
hindurch halten.
Unsere Litteratur scheint jetzt, nachdem sie lange
seit dem Zurückziehen der grofsen Geister des aclirf;-
zehnten Jahrhunderts und seit dem Schwächerwer-
den ihrer unmittelbaren positiven Wirkungen sich
in Negationen, Hafs und Hader abgearbeitet hatte,
wieder zu versöhnenden, abschliefslichen Resultaten»
hinzustreben, und es wird immer Ihr grofses Yerr:
dienst bleiben, hierin Andern vorangegangen zu sein,
und ihnen die sichersten Ziele gewiesen zu haben.
Ich habe so sehr den Complexus Ihrer DarUe-^
tungen als Ganzes empfunden und genossen, dafs
ich kaum etwas Einzdnes besonders herauszühebea«
wüfste, wenn ich nicht das Charakterbild WiUtelaliS-
V. Humboldt als Muster, wie das AUerschwierigele
und V^wickeltste mit siegreicher Klarheit und Leiehf
tigkeit behandelt worden, nennen soll.
In den litt^arischen ürtheilen hin ich hin und
wieder für die Person anderer Meinung, ohne das
Yollgewicht Ihrer Gegenmeinung zu verkennen. Es
wird dies bei solchen Gegenständen kaum anders
sein können. So z. B. vermag ich dem Fürsten
Pückler die hohe Stelle, welche Sie ihm vindiciren.
r«
— IM —
Anerfeenimiig ludit za gAem. Ick Um
r bewnfjit. seiiie Smebat ohne Vorortlieil
liabeft, d. Jl die enken Briefe; deon, frei
d» Spüere sdüen nur gv zn kockntig
die Lectore vollepdffn zo können; aber udi
Ersten ^enniüste k^ den Gehnk nnd die F^
welche mir erst den bedentenden ScfariftsfeeBer mn-
Ak angenehmer, geistreicher Wehaann hau
BOT in jenen Briefen lieb nnd werA^ iadesen
dn bis zn der andern Stnfe ist es dem dock
sind, nidt die
enie crnndfirhere Wi
ab TR««n sie vd der
Unt ^ dmndT . desscm W\\ i— ■mhifi ick Di-
rar tiii» i«nfaakr. «ar rar ad« Taeen hier. Idi
f »MJM m und fswtkbeifidendHi Rassen haben et-
«na FMa«clwis «ad Nmk^ «as wdk iMBcr widihfaa-
t^ iMcuhn Wi. Es M item Alks mck Zobuft,
was am iwm nMd «Im» Vcffastgmkeii geworden
««t Mit anfedteigsigr Ho i h »i hiaaiK
Karl Leonliard Reinlioldt
Geb. ia Wien den 26. October 1758,
gefiit. in Kiel den 10. April 1823.
Jus möchte nicht uninteressant sein, zu Anfang des
Jahre^ J841 einen Blick auf den Standpunkt der
Philosophie zu werfen, wie diese im Jahre 1797 ge-
lehrt und behandelt wurde. Der nachstehende Brief
Reinhold's giebt uns zu Betrachtungen in dieser Hin«
sieht vielfache Gelegenheit. Da in demselben öfters
gegen Beck gesprochen wird, so ist in der Anmer-
kung eine darauf bezügliche Stelle aus dem Briefe
von Beck angeführt, welchen dieser aus Rostock den
30. März 1800 an Professor Pörschke in Königs-
berg schrieb und der sich in meiner Sammlung be-
findet. Man wird daraus ersehen, dafs auch damals
die Philosophen grob und persönlich sich anfein-
deten.
An
Kiel, den 22. Februar 1797.
Diesen Augenblick erhielt ich Ihr Briefchen vom
13. Februar, und ich kann's keinen Augenblick auf-
— 152 -^
schieben, Ihnen meine gro&e Freude und meinen
herzlichen Dank für die Nachricht von Ihrer Voka-
tion nach Anspach zu bezeugen. Es ist ein Stein
von meinem Herzen gefallen. — Sie werden in mei-
nem Herzen lesen, was mir an dieser Begeben-
heit als Ihr Freund und als Weltbürger erfreulich
sein muis.
Auch Ihr Briefchen vom 30, December — und
ein älteres vom August habe ich richtig erhalten.
Innere und äufsere Hindernisse haben mir das Brief-
schreiben überhaupt lange Zeit her unmöglich ge-
macht.
>. Also ist die Rezension der einzig möglichen
Standpunktslehre in der A. L. Z. Ihre Arbeit. J)bs
hätte ich nicht vermuthet, da ich doch d^ Rezen-
»on über Schelling's Ich — augenblicklich ihren
Verfasser ansah. Ich hielt Rehberg für den Re-
zens^iten der Standpunktslehre,
So begründet ich Ihre Erinnerungen gegen die
Becksche *) Behandlung der transcendentalen Aesthe-
*") Beck schreibt: „la Ihrem letzten Briefe sagen Sie
mir Einiges über die übele Laune Kani's, deren Aeufse-
rbngen Sie zum öftern reizen, sich Ton ihm zu entfernen.
Dafs der Ton der Weisheit in der Rede des wirklich sonst
sehr hochachtungswürdigen Mannes durch den Schall seines
grofsen Ruhms etwas verstimmt worden sei, mag wahr sein.
Bei aller Aufinerksamkeit auf sich selbst kann sich wohl
in die Seele des tugendhaften Mannes ein Gift einschlei-
chen, das von ihm selbst nicht bemerkt wird, und das sich
AndetB in dem Mangel der Umgaiigstugenden , in närri-
8«|iMn \¥'e6en «od in der Neigung j Alle nehen sieh goring-
- 153 -
tik finde, so wenig, und gerade darum kann idi
in den Bei&U einstinunen, den Sie dem Becksoheii
Standpunkte im Uebrigen als dem einzig mögliohea
geben. Hat Beck den Kantschen Standpunkt in der
Aesthetik verfehlt, so bat er ihn auch in der Ana-,
lytik verfehlen müssen* Verstand ist nur in Be«
Ziehung auf Sinnlichkeit Verstand — und wird gaoK
verkannt, wenn man ihn in seinem Unterschiede
schätsig zu. beartbeilen, bemerkbar macbt. lob nebme ämB
AUes dem sonst ehrwürdigen Greise so sebr nicht öbel^
aucb nebme ich es ihm nicht übel, dafs er mich in seino
Erklärung gegen Fichte verflochten hat. Denn was feinen
aucb gegen mich gerichteten Unwillen betrifft, so denke
ich darüber so: Er mag vielleicht hin und her Einiges in
meinem Standpunkt gelesen haben. Nun habe ich aD^*
dings mich darin zum öftern über die Dinge an sich etwas
zu crafs ausgedrückt. Mein Zweck war, mich dem fadea
Geschwätz des Reinhold's zu widersetzen, und ich verlor
dabei den Begriff des Intelligibeln zu sehr aus den Augen»
In einer so schweren Untersuchung war wohl dieser Feh-
ler noch verzeihlieh, und eine freundliche Zurechtweisung
von Kant wäre der Sache wohl angemessener gewesea,
als es die hirnlosen Bescbuldigunge» Sehulze's waren , ^«n
neu Kant Beifall gab. Ich nehme ihm mehr die Schmein
cheleien übel, die er manchen jämmerlichen Menschen er-»
wiesen hat, worin eine gewisse Unredlichkeit. liegt, deren
Folgen es eigentlich sind, die dem alten Madne jetzt wehe
thun."
„Von Fichte hört man hier nichts. Mein Urtheil über
ihn bleibt. Er ist ein Narr, und die Unredlichkeii selbes
Betragens leuchtet mir zu stark ein, als dafs ich sie nicht
fassen solltet Reinhold hafst mich, und in seiner hohlen
Sprache greift er mich bei jeder Gelegenheit an. Ich achte
den Narren nicht."
- 154 -
and Zusammenhang mit der Sinnlichkeit ver-
kennt Er setzt die Gegenstände ursprünglich nicht
unbedingt — sondern 1. unter der Bedingung der
Sinnlichkeit als eines von Ihm wesentlich verschie-
denen Vermögens — 2. unter der Bedingung der
Empfindung, — die als solche durchaus kein ur-
sprüngliches Vorstellen des Verstandes ist und sein
kann. In der und durch die Kategorie der Reali-
tät ist selbst, wenn sie im Schema als Grad ge-
dacht wird, nichts als die Form des Empfindbaren
a priori und durchaus nicht die empirische Mate-
rie gesetzt Wie glimpflich haben Sie der empö-
renden und ekelhaften Exegese erwähnt, durch wel-
che Beck in seinem Commentar Kant das Gegentheil
von dem, was er gesagt hat, sagen läist
Ich begreife, wie Sie sich um Ihren Beifall durch
die wirklich bewunderungswürdige Geschicklichkeit
dieses Menschen, mit der er seinen Tiefsinn zu ge-
brauchen weiis, überraschen lassen konnten. Auch
mir hat er eine Zeitlang imponirt, und würde mich,
wenn ich den Hauptfehler meiner von ihm arg ge-
mifshandelten Elementarphilosophie nicht schon von
andern Seiten und aus andern Gründen eingesehen
hätte, in nicht geringe Verlegenheit gesetzt haben.
Auch mir ist nicht weniger als ihm die Ungereimt-
heit aufgefallen, die in dem Versuch liegt , eine
Transcendentalphilosophie' aufstellen zu wollen, die
lediglich einen empirischen Grund und Boden hat
Diese Ungereimtheit würde Kaut eben so wie mir
zu Schulden kommen, wenn er die Philosophie als
Wissenschaft hätte aufstellen wollen. Seine Kritik
- 155 -
konnte sich begnügen, den Unterschied und den
Zusammenhang zwischen dem Transcendentalea
und dem Empirischen zuerst entdeckt und be«
schrieben zu haben. Herr Beck will mit aller
Gewalt in ihr die Begründung der Philosophie
als Wissenschaft gefunden haben, und er dringt ihr
nun dasjenige auf, was er für diese Begründung
hält, und was er das ursprüngliche Vorstellen nennt,
wodurch er nicht nur die Kategorien setzt dadurch,
dais sie gesetzt sind, sondern worin er Alles hin-
einschiebt, was er in dieser Eigenschaft als gesetzt
für nöthig hält, Raum und Zeit und selbst die
Empfindung. Um das Transcendentale vom Empi-
rischen unabhängig zu machen, postulirt er, dais
wir uns unmittelbar ins Transcendentale hineinsetzen
sollen, das wir (die wir es schon durch die Kritik
kennen gelernt haben, und in das wir uns sonst
unmöglich wie durch den Schlag einer Zauberruthe
versetzen könnten) denn auch wohl thun können,
ohne dadurch etwas anderes als das Formale der
objektiven Realität gewonnen zu haben, Beck ver-
drängt das Empirische durch das Transcendentale,
indem er es durch dasselbe setzen läfst, und das
er doch (nur unbemerkt aber) unvermeidlich zu
Hülfe nehmen mufs, um sein ursprüngliches Vor-
stellen zu realisiren. Und so muls er denn doch,
was er sich auch dagegen sträubt, zu etwas aufser
dem ursprünglichen Vorstellen, zum leidigen Dinge
an sich, gegen welches er so thrasonisch triumphirt,
seine Zuflucht nehmen.
Meine Elementarphilosophie mufste ihren Zweck,
^
— 156 —
di^ Form der Philosophie als Wissenschaft zu be-
gründen, verfehlen, weil sie durch die Thatsache
des Bewufstseins keinen andern als einen empi-
rischen Grund imd Bod^i gewählt hat
Wenn sich der Grund des Unterschiedes und
des Zusammenhangs zwischen dem Transcendenta-
len und Empirischen nicht aus reiner Vernunft
ableiten läfst, so ist nie eine Philosophie als Wis-
senschaft möglich; so wird man immer zur Realität
des Transcendentalen das empirisch als empirisch
voraussetzen müssen und der Skeptizismus gewon-
nen Spiel haben.
Ich bin endlich durch die Einsicht in die Feh-
ler meines Systems zum Verstehen des Fichtischen
gelangt, und finde in demselben alle Anstalten zu
einer Philosophie als Wissenschaft völlig gemacht.
Lassen Sie sich nur ein paar Worte sagen, wie ich
mir sein Ich und Nicht ich denke. Es giebt eine
Thätigkeit, die keine andere voraussetzt und von
jeder andern vorausgesetzt wird, die also, in wie
fern sie gesetzt ist, durch keine andere als
durch sich selbst gesetzt ist Sie heüst in so fern
Selbstthätigkeit
Wenn es u^end eine Thätigkeit giebt — und
dafe es eine gebe, weüs ich aus dem Bewufstsein
meines eigenen Denkens — ; so ist auch jene Selbst-
thätigkeit gesetzt, die von jeder andern Thätigkeit
vorausgesetzt wird.
Die Selbstthätigkeit ist gesetzt,, heilst nichts an-
deres als: sie setzt sich selbst, und man mufs
— 157 —
unter Selbstthätigkeit überhaupt und ohne ein an-
deres Prädikat nichts andres denken als die sich
selbstsetzende Thätigkeit
Sie kann Subjekt heifsen, in wie fern sie setzt,
Objekt, in wie fern sie gesetzt ist; aber da sie nur
gesetzt ist, in wie fem sie setzt , und setzt, in^ wie
fern sie gesetzt ist, so ist sie Objekt und Sub-
jekt zugleich* Man kann sie in so fem ein Ich
heifsen, wdl wir unser Ich unter einem ähnlichen
Charakter im Selbstbewufstsein kennen. Aber man
muls sich hüten, sie mitunserm Ich zu verwech-
seln. Sie kann nur unsar r^sines Ich heifsen, in
wie fem sie der Möglichkeit des Selbstbewufstseins
und des in demselben vorkommenden empirischen
Ichs zum Grunde liegt Stolsen Sie sich nidbt
daran, dais ich das Ich des Selbstbewufstseins em*
pirisch nenne. Der Grund wird sich von s^bst
ergeben.
Die Selbstthätigkeit als solche ist noch keine
Vernunft, dazu mufs sie aus sich selbst heraus
gehen und eine (etwas, das Nichtselbstthätigkeit ist)
vernehmende Selbstthätigkdt werden.
Sie wird zur theoretischen Vernunft, in wie
fem sie in gewissen Operationen von einer Nicht-
selbstthätigkeit abhängt, zur praktischen, in wie fem
die Nichtselbstthätigkeit von ihr abhängt
Der erste ursprüngliche Akt der Vernunft
ist die absolute Thesis, das, was Fichte ausdrückt:
das ich setzt sich selbst ~
Der zweite (jenen vorausseCzende) die absolute
— 158 —
«
Antithesis, das nnbeduigte Entg.egensetzen, wo-
Ton das fonnale Nicht-ich abhängt
Der dritte die absolute Synthesis, die das
Ich und Nicht -ich dadurch verknüpft, dais sie eines
durchs andere einschrankt oder bedingt
Wie konnte ich doch nicht langst schon daraof
verfallen, dais die Synthesis nnr unter der Voraus-
setzung einer Antithesis und Thesis, die audi Hand-
lung des Geistes sein muls, Handlungsweise der
Spontaneität sein könne!
Durch jene ursprüngliche absolute Synthesis ist
allein das Ich als ein durchs Nicht-ich bediiig^r
tes Ich, und in so fem allein als Subject, und
das Nicht-ich als ein durch Ich bedingtes Nicht-
ich und in so fern als Objekt denkbar, so wie ihre
gegenseitige Beschreibung den C!harakter der Ver-
nunft als eines sich auf Objekt und Sjibjekt be-
ziehenden Etwas begreiflich macht
Das Nicht-ich ist an sich nichts als die Ne-
gation des Ichs; formale Entgegensetzung und, wenn
man davon abstrahirt, nichts — das leidige Ding
an sich. Die Philosophie konnte und kann es nicht
entbehren, in wie fern sie z. B, in der Kritik dem
Phänomenen im Ich, das vom Ich verschiedene
Noumenon zum Grunde l^te, ein blofses Pro-
dukt der reinen Vernunft, wozu aber die Vernunft
durch ein Leiden im Ich (äuisere Empfindung) be-
rechtigt sein mufste. Das Noumenon ist als Pro-
dukt der Vernunft kein Ding an sich. Aber so
lange man's nur unter dem Namen Noumen kannte,
- 169 -
äffie es uns noch immer durch Verwechselung mit
jenem Undinge.
Nicht das Nicht- ich an sich, sondern nur als
bedingt durchs Ich ist Objekt, oder viehnehr kann
dazu werden.
Alles im Ich durch's Nicht -ich Bedingte als
solches ist empirisch; Alles im Nicht -ich und im
bedingten Ich durchs reine Ich Bedingte ist trans-
cendental.
Nur ein schwaches Pröbchen, nach welchem
ich Sie nur meine Ansicht der Fichtischen Philoso-
phie, nicht diese Philosophie selbst zu beurtheilen
bitte, der ich nicht gern unrecht thäte, weil ich sie
wahr glaube.
Schellingen scheint es an Nüchternheit der
Spekulation zu fehlen. Indessen ist sein kleines er-
stes Schriftchen von zwei Bogen über das Funda-
ment der Philosophie trefflich.
Ich habe Gefsnern auf sein Verlangen das Pe-
stalozzische Manuskript zugesendet. Er wird's selbst
verlegen.
Baggesen ist im Begriff, seine Frau, die au-
fserdem nach dem Urtheile der Aerzte nicht leben
kann, auf drei Jahre nach Italien zu bringen. Er
wird künftigen Monat über Hamburg zur See da-
hin abgehen. O, dem Armen ist nicht zu hel-
fen! Die Gemüthskräfte, über die er herrschen
soll, sind^ zu gro£s und zu viel; und das äuiscre
Schicksal scheint ihn selbst daran zu hindern, mün-
dig zu werden.
- 160 —
Die Nachricht Yom Tode Ihres Kindes ging
mir um so näher, da meine drei Jungen und mein
Mädchen zu unserer grofsen Freude sehr frisch blü-
hen. Schreiben Sie bald und senden Ihre Adresse
an Ihren Sie innig liebenden und sehr hoch schäz-
a^den
Relaltold«
ImmaHuel Kant
Geb. zu Königsberg in Pr. den 22. April 1724,
gest. ebendaselbst den 12. Februar 1804.
Von unsterblichen Geistern, wie Kant, ist jede Zdie
der Beachtung und Aufbewahrung wetth; daher mö-
gen hier zwei Briefe desselben folgen, welche er an
den berühmten Verfasser der „Lebensläufe in auf-
steigender Linie", Theodor Gottlieb von Hippel,
schrieb. Hippel war seit dem Jahre 1780 Bürger-
meister, Polizeidirektor und Stadtprasident Brief a.
ist wegen des darin enthaltenen Witzes merkwür-
dig; der Gefängnifsthurm, dessen unfreiwillige Be^
wohner Kant durch ihre Andacht störten, war sei-
nem Garten so nahe, und nur durch einen schma-
len Weg getrennt^ dais der grofse Philosoph wohl
Grund zur Beschwerde haben konnte. Der im Brief
b. erwähnte junge Dr. Jachmann ist derselbe, wel-
cher in dem' berühmten *Gelehrteny^ein von Kö-
nigsberg so häufig erwähnt wird, und, später zu den
taglichen Gesellschaftern von Kant , Hippel , Scheff-
ner u. s. w. gehörte*
11
— 162 —
An Theodor Gottl. v. Hippel in Königsberg.
Königsberg, den 9; Juli 1784.
Ew. Wohlgeboren waren so gütig, der Be-
schwerde der Anwohner am Schloisgraben, wegen
der stentorischen Andacht der Heuchler im Gefäng-
nisse, abhelfen zu wollen. Ich denke nicht, dafe
sie zu klagen Ursache haben würden, als ob ihr
Seelenheil Gefahr liefe, wenn gleich ihre Stimme
beim Singen dahin gemäfsigt würde, dafs sie sidi
selbst bei zugemachten Fenstern hören könnten (ohne
auch selbst alsdann ans allen Kräften 2u schreien).
Das Zeugnifs des Schützen, um welches es ihnen
wohl eigentlich zu tbun scheint, als ob »ie sehr
gottesfurchtige Leute wären, können sie dessenunge-
achtet dodi bekommen; denn der wird sie schon
hören, und im Grunde werden sie nur zu dem Tone
herabgestimmt, mit dem sich die frommen Bürger
aus(»r^ guten Stadt in ihren Häusern erweckt ge^
)iiug föhlen. Ein Wort an den Schützen, wenn Sie
denselben zu sich rufen zu lassen und ihm Obiges
icnr beständigen Regel zu machen bdieben wollea,
wird diesem Unwesen auf immer abhdifen, und den-
jenigen einer Unannehmlichkeit überheben, dessen
Ruhestand Sie mehrmalen zu befördern gütigst be^
mühet gewesen und der jederedt mit der vollkom-
menisten Hochachtung ist
Ew. Wohlgeboren
gehorsamster Diener
I. HLant.
An denselben.
Königsberg, den 29. Sepi))f. 1786.
Ew. Wohlgebor^a bezeige meine herzliche
Freude an der v^dfienten, Ihrem Namen beigefug-
ten Distinction, welche zwar Ihrer wohlgegründeten
öffentlichen Ehre keinen Zusatz verschaffen kann,
aber dennoch ein Zeichen ist, dafs Sie künftig in
Ihrer Absicht, Gutes zu stiften, weniger Hindernils
antreffen werden, ein Interesse, welches, wie ich
weifs, Ihnen allein am Herzen liegt.
Erlauben Sie, dafs ich, Ihrer gütigen Aufmun*
terung gemäfs, dazu jetzt von Seiten der Universi-
tät eine Gelegenheit in Vorschlag bringe. Herr
Jachmann der Aeltere sagt mir, dafe seia Stipen-
dium, welches er durch Ew. Wohlgeboren Vor-
sorge bisher genossen hat, mit diesem Michael zu
Ende gehe. Da er sich jetzt seinem medizinischen
Studium mit Eifer widmet und durch den zu seiner
Subsistenz nothigen Privatunterricht fast alle Zeit
verliert, jenes gehörig zu treiben, so bittet er in-
ständigst, Sie wollen die Güte haben, ihn zu einem
von den verschiedenen, im Intelligenz werke bekannt
gemachten Stipendien zu verhelfen.
Erlauben Sie, dafs er sich selbst dieses Anlie-
gens wegen persönlich bei Ihnen melden, oder schrift«
lieh deshalb einkommen darf, so belieben Sie, mir
hierüber einen Wink zu geben. Gut wird diese
Wohlthat an diesem rüstigen, wohldenkenden und
II*
- 164 -
fähigen jungen Menschen inuner angewandt sdn, da-
für kann ich einstehen.
Ich bin jederzeit mit Hochachtang und Herzens-
Anhänglichkeit
Ew. Wohlgeboren
ganz ergebenster Diener
Ernst Tbeodor Amadeas Hoffinanir.
Geb. zu Königsberg in Pr. den 24. Januar 1776,
gest. zu Berlin den 24. Juli 1822.
Den Briefen^ welche theils in Hoffinann's Biographie,
theils im dritten Bande der von mir herausgegebenen
Denkschriften und Briefe mitgetheilt worden, mögen
sich hier noch vier Briei|p des unvergefslichen Man-
nes an seinen Freund, den Präsident von Hippel,
anreihen, welche man gewifs mit grofsem Interesse
lesen wird. Brief a. malt Hoffmann's Angst übec.
die Möglichkeit seiner Nichterlösung aus Plock, b,
und c. seine Sorge, dafs die mit Hippel lange vor-
bedachte Reise nach Italien nicht zu Stande kom-
men werde, — und sie scheiterte, denn das Unheil^
welches Napoleon über das gesammte Vaterland
brachte, traf auch jeden Einzelnen! — Brief d.
giebt ein treues Bild von Künstlers Erdenwallen!
/
— 166 —
••i
An den Präsident Ton Hippel
Plock, dem 10. DeceaWr 18tl
Mein einziger theoerster Freund«
Jetzt weifs ich's, dafs Ehi mein Freund im gan-
zen Sinne des Wortes bist, und dies ist volle Ent-
schädigung für alle Erbärmlichkeiten der trivialen
Lebentweifle, welcbe mich schier su Boden drSckt,
und der ich mit einem Aufwände von Kräften ent-
gegen arbeiten muis, welch», geht es noch länger
so fort, nothwendig den ganzen Yorrath in Kurzem
au£eehren muls. — Du kannst mir jetzt nidit hd-
fen, das ist sehr schlimm — es gehört zu den Stri-
chen des bösen Genius, der mich verfolgt, seit ich
ans Berlin bin. Ist es indessen mit I>efaietti Aner*
Weten, mir das Verlangte in drei Monaten zu schaff
fen, Ernst, woran ich nicht einen Augenblick zw«fle,
so ziehst Da mich doch mit einem Ruck aus all»
Verlegenheit, und setzest mich in die Lage, dals
mir nicht noch das Bischen armseliger Lebensge-
ttnls, wekhes ich hier dann und wann mit Mühe
erhasche, durch Sorgen der bittersten Art vwkränkt
wird/
Um einer jugendliche Sottise willen, von der
mein Antheil nicht einmal feststeht, muis ich auf al-
les, was mir lieb und theuer war, Verzicht thun! —
Mein Sinn für die Kunst ist hier so i&rs de Miswiy
dafis ich überall damit anstofse und mich verwunde.
— Die Malerei habe ich ganz bei Seite geworfen,
weil mich die Leidenschaft dafiir, hinge 'ich ihr nur
— 167 —
im mindesten nach, wie ein griechisches Feuer un-
auslöschlich von innen heraus verzehren könnte —
ich würde vielleidit zur grofsen Erbauung der UnisAe*
hendeu mit einem Male wie jene Prinzessin im Mähr*
chen, die mit dem Salamander kämpfte, der ihr ei*
nen unsichtbaren Feuerbrand ins Herz warf, in ein
Aschenklümpch^i zusammenfallen! — Die Musik mit
ihren gewaltigen Explosionen ist mehr ein Theater-
Donnerwetter — ein £euerspei<mder Berg von Ga»
brieli (jene Kunst ein Vesuv m ncAwrd) — man kann
sich mit ihr ohne Gefahr v^trauter machen, darum
habe ich sie zu meiner Gefährtin und Trösterin ericieset
auf diesem dofnigen, steinigen Pfad! — im Ernst,
lieber Fi^eund, — in dieser Abgeschiedenheit steige ich
herab oder lieber hinauf in die unbesuchtesten Re-
gionen, wo die Muse ihren geweihten Jüngern das
Buch der Geheimnisse aufschlägt In Prosa so viei:-
ich studire mit Eifer die Theorie der Musik, und
dieses Studium, so wie der Umgang mit meiner
Frau, die sich. Dank sei es dem Schicksal! meinem
Anachoreten- Leben ganz anschmiegt, ist das Einzige,
was mir zuweilen Augenblicke des Lichts gewährt
— - Einen Freund, mit dem ich mich über alles, was
mich quälte, hinw^hob, hatte ich nur so lange ich
mit Dir lebte!
Du bist auch nicht ganz glückli<^ und hier ist
unser Schieksal sich wieder gleich ; wir st^en beide
nicht auf der rechten Sielle. -- Wie, wenn ein Ge»
»ins erschiene und löste .die Ketten, welche uns «n
unser •erbärmliches Alltagsleben fesseln (am Ende
0»d diese Ketten vielleicht nur das Spiel unserer
— 168 —
Einbfldung?) — was thäten wir? — Ich ^griffe
den Wanderstab, ginge nach Italien, ^bildete mich
zum tüchtigen Componisten aus, und es wäre schlimm,
wenn ich, hätte ich mich zu dem gewandt, wozu
ich organisirt wurde, nicht ein besseres Schicksal -^
ein besseres Fortkommen mit meiner Kunst erarbei-
ten sollte als jetzt! — Doch das sind pia desideriaf
— Ich kehre zur Wirklichkeit zurück! — Meine
(Korrespondenz nach Berlin stockt, — ich bin ohne
alle Nachrichten. — Weder Beyme noch Schldnitz
haben geantwortet, auch Pocke schweigt auf zwei la-
mentable Sendschreiben; alles dieses sind sehr trau-
rige Aspecten ! — Hat Dir wenigstens nicht Schlei-
nitz geschrieben, in wi^ fern sich Beyme mdoen
Wünschim geneigt gezeigt hat, oder nicht — Die
w^werfende Art, womit man mich — laufen läist,
kränkt mich unbeschreiblich, und legt noch ein be-
deutendes Gewicht zu den liebeln, die mich hier
zu Boden drücken. — Durch Dich kann ich wenig-
stens erfahren, ob mein Yersetzungsplan total ge-
scheitert oder ob noch einige Hoffnung da ist Lass^
Dir meine üble Lage zu Herzen gehen, und thue für
mich, was Du kannst —
Ich hätte eher geschrieben, wenn ich nicht vor-
her, so viel jvie möglich für den Moment, meine
Angelegenheiten in Ordnung hätte bringen müssen;
jetzt ist das vorbei, und ich bin gerade so weit,
dafis ich mich auf die schwache Stütze, die bis
Ostern I\alten soll, verlassen mu&. — Vergelte da-
her nicht Gleiches mit Gleichem und schreibe mir
bald, damit ich endlich ruhig sein kann. Mduae
— 169 -
Frau empfiehlt sich Dir und Deiner Frau, so wie
ich mich auf das Angelegentlichste. —
Lebe wohl, einziger Freund, ewig, ewig
Dein
Hoffknaiio*
An denselben.
Warschau, den 6. März 1806.
Mein theuerster, einziger Freund.
Der Regierungsrath Siebenhaar hat Dich in Ber-
lin gesehen! Nein^ nicht beschreiben kann ich es
Dir, welch' eiix banges Gefühl mich bei dieser Nach-
richt ergriff; irgend eine dunkle Ahnung lag ihm
zum Grunde; als ich im Stande war, ruhiger mei-
nem 'Ideengaoge nachzugehn, fand es sich, daiii
mich der Credanke, Du konntest mich vergessen ha-
ben. Du könntest jetzt von Berlin aus ohne mich
die grcmd Towr^ machen , so gewaltig erschüttert
hatte.
Jetzt glaube ich nicht mehr daran, und adres-
sire diesen Brief nicht einmal nach Berlin, sondern
nach Leistenau, wohin Du meines Bedünkens schon
zurückgekehrt sein wirst! —
Je älter ich werde, mein Freund, desto be*
stimmter entwickelt sich mein Selbst dazu, wozu es
das höhere Walten, wogegen der Mensch verge-
bens mit seinen kleinlichen Ab- und Einsichten eiia-
zugreifen wagt, bestimmt hatte.
Mein' Geschäftsleben ist die ekelhafte Poppe,
— 170 —
w<dche die schönen Fittiche des Knns^^us einzu-
schliefsen strebt, bis sie gewaltsam darchbreohen ! ^^
Der KuDstcyklus, in d^oi ich mich hier mnhertreibe,
ist eine Anmahnung zum Naohstreben des Bessern,
er übt und stärkt, wiewohl er, als Zweck betrach-
tet, nur ein Spiel mit hohlen Nüssen um hohle
Nüsse sein kann, und ich hiernach auch den Vor-
wurf , der dem Wilhelm Meister von jenem soi di-
sani Offizier gemacht wird, verdienen möchte! —
Du, mein Freund, bist meine einzige Hoffnung, in-
dem ich des festen Glwibens lebe, dafs die höhere
Macht, deren Einwirken in unserer Zeit selbst blö-
den Gesiditern blendend erscheint, sich des schön-
sten, womit sie den Sterblichen beglückt, nämlich
der Freundschaft, als Mittel bedienen wird, mich
aa erlösen von dem Uebel, das midi mit eisernen,
schmerzhaften Banden lunstrickt und festhält! -— Was
ist es anders als unsere Rdse, welche unser besse-
res Selbst einander näher bringen, was, ja, ich sa^
es, uns Beide dahin stellen wird, wo wir hingehö-
ren, und wo wir Beide jetzt nicht stehen! — Wäre
es möglich, dafs 2ieit und Umstände Dich, mein
theuerster Freund, hätten vergessen stachen können,
was wir so oft über diese Angdegenheit in Gesprä-
chen feststellten, so sei Dir meine jetzige Anmah-
flong em feuriges Wort, das Dein entschlafenes bes-
Mres Ich entflammt! — ^
Noch eins, mein theüerster Frennd! lass' uns
sidit wie Reiche reisen; meine Finaasen halten es
nicht aus, und Deine werden sicfa woiii dabei be^
finden, und wo ist mehr Genub? ^"*
- 171 -
W&re ^ m&glteh, wir tilli^n, 4i6<)hdtens ^n Be^
dtentei"! *^
Wetili tauen wir ^h? wo treffe wir tMsMn-
men? -- Dn bii^t iti Beruh von Deihar Familie um«
geben gewesen , ich habe ktine -^ Du sollst für
den Staat leben und steigen, mich fesselt eine elende
Mediokritäl;; in der ieh sterben und terderben kann.
«-^ Diese Ungldchheiten, dünkt mich, vermögen nichts
gegen den gldchen Sinn far die Kunst, der uns ver^^
einigte, und den wir nie la^en! ^^*
Ich beschwöre Didi, widerstehe dem Einwirken
einer vielleicht nur zu prosaischen Umgebung und
Anrei^ng. Alles hängt von Deiner Erklärung ab.
Ich bin ein Spieler, der das Letzte auf eine Hoff*
nung wagt! — Schreibe mir bald, und verzeihe mir
meinen rhapsodischen Brief der beängstigenden Stim-*
mung, die mich quält, und die durch das Peinliche
meiner jetzigen Lage nur zu oft erregt wird. «-
Antworte mir baid und bestimmt! -^ Adieu!
Ewig Dein
Hoffknimit«
An denselben.
Warseban, den 19. Juai 1806.
Welches sonderbare Gerächt in Berlin schickt
mich mit einem polnischen Grafen auf Reisen? —
Nein, mein theuerster, einziger Freund, meine ein-
zige Hoffnung ist darauf gebaut, dais Ereignisse je-
der Art Deinen schone Entsohiufii nidit tadetn
- 172 —
werden, und ich habe den festen Glauben, dafis die
Ausfuhrung desselben auf Dein Leben , so wie auf
das meinige, d^ entscheidendsten wohlthätigen Ein-
flufs haben wird. — Warum willst Du erst auf den
Herbst nach Warschau kommen, warum nicht jetzt
in der schönsten Jahreszeit? — Wenn Du allein
kommst, kannst Du bei mir wohnen, und damit Du
Dich gleich zu mir ^hinfindest, so frage nach der
Senatoren -Strafse, da wirst Du mich im Zweiten
Stock des Böslerschen Hauses erblicken!
Komme so bald als möglich! Adieu!
Dein
Hoffknaiuii.
*•*) +
An denselben.
Mein einziger, theuerster Freund.
Nein! — ich lasse den Muth nicht sinken, da
ich auf Dich bauen kann, und die feste, innige Ueber-
zeugung habe, dafs mit meinem ersten Fufstritt aus
Berlin sich all mein Leid enden und in Freude und
Wohlsein umwandeln wird. In einer solchen hülf-
losen Lage, wie die letzten acht Tage iiber, bin ich
noch nie gewesen; zufällig wurde sie von einem
meiner Bekannten, dem ehemaligen Begierungsrath
Friedrich, welcher mich trostlos im Thiergarten fand,
errathen; uQd selbst in Verlegenheit theilte er doch
sein letztes Geld mit mir.
*) Ohne Ort und Datum, docb gewiCs im April oder
Mai 1807 geschrieben.
-- 173 —
Um nicht einen Augenblick mit der Abreise nach
den Empfang des Qeldes zögern zu diirfen, habe
ich mir schon im Voraus die nothwendigsten Kid*
der und Wäsche bestellt; Bezahlen und Abreisen
wird daher wohl der Akt eines Vormittags sein, —
Da siehst, mein theuerster Freund, dafs ich, nun
ich nur der Hülfe gewüs bin, auch meine Muthlo«
sigkeit, die wohl — mit einem Wort gesagt — durch
wirklichen Mangel der schrecklichsten Art, durch
den Hunger, erzeugt wurde, ein Ende hat, und daüi
ich nun mein Schicksal preise, wdches mich mit ei-
nem Ruck dahin versetzt, wohin mich schon Fängst
meine ganze Neigung trieb. Bei der jetzigen Con-
currenz brotlos gewordener E^ünstler war es wirk-
lich viel, ein Unterkommen zu finden, welches schon
zu den bedeutenderen gehört, und für mich um so
erspriefslicher sein muis, als ich nun nichts thun
darf, als schreiben, um bekannt zu werden. In War-
sdbau konnte ich aber Opern stofs weise componiren,
ohne dafe irgend eine Menschenseele davon Notiz
nahm.
Wie aber meine Sehnsucht nach dem Orte mei-
ner Bestimmung mit jedem Tage steigt, davon hast
Du keine Idee! —
Es geht so weit, dais ich nicht mehr ruhig ar*
beiten kann, sondern unwQlkiirlich vom Tische auf-
springe und Stub' auf Stub' ab laufe, ehe ich es mir
versehe, auch wohl auf der Strafse und im Thier-
garten bin, wo mir seit einiger Zeit die einsamen
Partiell sdir lieb sind, indem, mich Lichtenberg'^
Abhandlungen von lichtscheuen Hasen und derglei-
— 176 —
ben ist, sind hier einige Tage hindurch unruhige
Auftritte gewesen, die aber bald durch starke Pa-
trouillen zu Fufs und zu Pferde gedämpft wurden!
üeber die mir zugesagte Hülfe bin ich voll un-
ruhiger Erwartung, und werde meine ganze Seelen-
ruhe nur dann geniefsen, wenn ich dem Weichbilde
Berlins entflohen bin.
Griifse herzlich Deine liebe Frau von mir; ich
wünsche, in ihrem Andenken zu leben.
Ewig bis in den Tod
Dein treu^
HoffknaiMii*
Nachschrift. Lass' unter keinen Umstanden
unsere vorige Briefträgheit und Kargheit wieder ein-
reifsen! — Von mir sollst Du wenigstens fleüsig
Briefe erhalten, Du muist aber auch antworten. Wie
Wenn es heUsen whrd: „Bamberg, den — Heute
wurde eine Oper: die Schärpe und die Blume^ auf-
führt u. s. w."
ff
Karl Ludwig tob Woltmann*
Geb. in Oldenbarg den 9. Februar 1770^
gest. in Prag den 19. Jani 1817.
An
Göttingen, den 22. Juli 1799.
i^chon seit einigen Posttag^i harre ich, ihearer
Freund, auf frohe Kunde aus Ihrem Hause. Als
dem Justizrath Hufeland ein Sohn geboren war,
schrieb er blofs: Er ist da! So viel werden ^
mitten in der Verwirrung der Freude und kleiner
Besorgnisse, welche, doch bei solcher Gelegenheit
nicht ganz fehlen, mir auch schreiben können. Es
bedarf mein Herz der Kunde vom frohen Gesdiick
eines Freundes, denn unser Wardenburg, wddiflii
ich bei meiner Ankunft schon sehr abgezehrt fand^
liegt seit einer Woche völlig, darnieder. Ach, er
war jetzt in der schönsten Hoffnung, sich eine wohl-
thatige Hütte für dieses Leben bauen zu können,
und uns^e Freundschaft ward immer reiner und fe*
ster. Zieht ihn sein Fieber, ich furchte sehr, ein
12
— 178 —
schleichendes, dem Grabe immer näher: so werde
ich hier noch lange nicht aufbrechen. Sonst hoffe
ich nach ein paar heitern Wochen, die mir für
meine Arbeiten noch fehlen, von hier nach Pyr-
mont zu gehen, und dann auf ein paar Wochen in
das geliebte Oldenburg zu eilen. Wohin ich dann
weiter reise, ist sehr ungewifs geworden; denn warum
sollte ich in dieser schrecklichen Zeit und unter tau-
send Gdkbren durch Holland, Frankreich und Spa*
nien reisen, wie mein Plan war? Nach Paris käme
ich wohl; aber von dort nach Madrid durch bür-
gerlichen Krieg und Räuberbanden? Meine äui^ere
Lage ist so, dafs ich bessere Zeiten im südlichen
Europa abwarten kann. Holstein, Kopenhagen und
Stockholm erscheinen mir auf einmal in einem Lichte,
welches meine Sehnsucht erweckt.
f ; Durch die Furcht vor den Russen uml toi^ ei-
ü^ Pest im tiä^ksten Herbste reize ich nodi bisweilen
ABtera kranken Freund, welchem sonisl beinahe AI«
ten gleichgültig gewordeiL Der Moskovitism, sage
ick ihm, wird sich nun über Europa lagern; der
barbarische Winter hat ihn verkündet; der verab-
scheuungswürdige Frühling, und der Sommer, wel-
däelr sich Tom Monat April sein Recht hat nehmen
hmBim, sind mit ihm im Bunde; eine Pe&t rerschlingt
in Herbste das ganze gd>ildete Menschengeschlecht;
«ie und Kaiser Paul werden herrschen« Beide wer-
den auch England mit seinem Pitt verschlingen, wel«
eher den Zorn des Himmels durch seine Grundsätze^
den Herrscher des Nordens durch sein Gold auf sich
gelogen hat Bei diesen Worten lächeh ujiser Freund,
— 179 —
denn wie ein tuclitiger Chevalier der franzotisdien
Revolution halst er den englischen Staatsmana wie
den Teufel.
. In Göttingen schlaft der menschliche Geist nod^
früher ein, als dais ihn die Pest im Herbst hinweg*
raffen könnte. An Bürger's Stelle trat Karl Ras*
hard; Lichtenberg's Kalender wird Girtanner fort«
setzen. Mein edler Plank hat in der vorigen Woeh«
sein vortr^Eliches Werk ganz vollendet, nun wird aodi
er wohl nichts mehr unternehmen. Die Geschichte
ist hier jetzt blofs Buchstaben wesen, anstatt daft
man bei Spitder's Hiersein sagen konnte, sie sei
von einem fremden G^te besessen. H. kann keinett
tiefen Griff thun, und er wird vor Anstrengung^
Geschmack zu haben, bald ^mzHch ermatten. Sar»
torius ist höchstens ein historischer Taschempieler^
in Allem, was man an Spittlern tadelte, ein zwei-
ter Spittler. Wie ein historisches Orakel murmelt
Schlözer bisweilen noch eine Sentenz, und merkt
nicht, dafs höchstens noch Herder seine Orakd*
Sprüche achtet, welcher gern hinter sich die Brück«
abwerfen möchte, auf welcher man in das Gebiet
der Genialität eingeht Grellmann ist gemeiner als
ein Yerzeichnüs vom Aus- und Eingange ungari-
scher Ochsen in der Statistik. Man hat die Göt-
tingische Akademie zu sehr mit einem Ballaste von
Professoren beschwert, aus Furcht, däfis sie sinken
möchte; me kann jetzt nicht leicht segeln. Sie
werden s^en, mein Freund, dafe ich einmal wieder
die schwarte Seite mit Fleüs nach auis^» kehre;
d>er was kunn ich d«für, wenn das Ghar#|(teri*
12*
— 180 -
stische sich nur im negativen Wesen oder in po-
sitiven Fehlern findet.
Auf diesem Blättchen Ihres Briefes war auch
die Erwähnung des westphälischen Almanachs? wird
er poetisch oder prosaisch sein? müssen die Ge-
dichte auf Westphalen Beziehung haben und einen
bestinunten westphälischen Geist? etwa ein poeti-
scher Pumpernickel sein, wie Vossens Poesie? Dann
wäre der Gedanke des Almanachs vortrefflich.
Das eine Blättchen Ihres letzten Briefes, wel-
ches zum Theil für Unger war, habe ich ihm ge-
sandt, aber bis jetzt weifs ich noch nicht seinen
Entschlufs deshalb. Auf diesen Sommer und den
nädisten Winter sind seine Pressen, seine Leute
zum grö&ten Theil uitd er selbst von der Regie-
rung in Acquisition gesetzt.
Dafs in diesen Tagen doch ja ein recht schö-
ne^ Glück in Ihr Haus komme! Mit welcher Hei-
terkeit werde ich dann es betreten, und wie unaus-
spredüich wäre meine Freude, wenn ich den gene-
senen Wardenburg mit in dasselbe fuhren könnte.
Lieben Sie wohl, mein geliebter Freund.
UToltmimii«
An Varnhagen von Ense.
Prag, den 11. Januar 1816.
Ich hätte Ihnen freilich für Ihr^ gewichtiges
Schreiben vom 22. November noch im vergäi^enen
Jahr danken sollen; aber an Fäfsen und Händen
— 181 —
labm lie^ ich schon wieda* eine geraume Zeit za
Bett Auch meine Zunge war ^e Zeit lang so ge-
schwollen ^ dafs ich nicht sprechen konnte, und so
blieb ich endlich nur in Gedanken und Willen nodi
rüstig. In diesen werde ich es bleiben für Wahr-
heit und Freiheit, welche indeis ein Historiker an-
ders erkennt, als die im Namen des nie lauter ge«
sinnten Merkur lärmenden Liente am Rhein. Idl
glaube selbst auch anders als Niebnhr, der bei
einem muthigen Schwung der Ideen mit seinem weit
ausgeholten und bd furchtbarem Pfdfen oft niaeiil*
losen Bedestreichoi den deutschen Barbaren ^eichi,
die nach einem langen Schlag mit ihren weitge-
streckten und flachen Sdiwertem sie wieder gerade
streichen mulsten, und inzwisdien dem Gegner man-
che verderbliche Blöfie gaben. Wie sdir ist die*
ses bei ihm der Fall gegen den hsi lachtfiertigeii
Schmalz. Wie wenig Conseqnenz der BegnSe in
der fernher tonenden Einleitung, und wie miklog
Alles verspielt durch das Zugesteht! einer politi-
schen Sekte, die das sein oda* jeden Ai^enblidt wer-
den muis, was er leugnet ZBm Theil hat Sdimalz
in der zweiten Schrift die gegebenen Bldfsen be-
nutzt. Ich hatte ihn und Niebofar in einer atufibr«
liehen Rezension für die Jenaer littentar'Zeüiiog
zusammengestellt Sie ist leider zn sfit gekommen,
da sich sdion ein anderer Rezensent mit der Sadbe
befaikt hatte. Wahrscheinlich hatten die Preoisen
midi für nnpartheüsch gdialten, wenn ich die ih-
nen gebührende Freiheit wider Schmalz nnd leinei^
Gleichen in Schatz nahm.
— 182 —
Von Ihnen ist wahrscheinlich der Bericht über
die Hofihung Preufsens auf die neue Verfassung,
welche ich in diesen Tagen im Nürnberger Cor-
respondenten u. s. w. fand. Er ist treffend, alle
Parthei^ berücksichtigend und schonend. Ich freue
inich zu glauben, was ich nicht geglaubt habe, dais
der Wille des Königs für die Verfassung eines freien
Volkes sei, weil er die Erkenntnifs von ihrer Noth«»
w^idigkeit besitzt. DaDs alle Partheiung in der Nähe
Hardenberges aufhöre, ist wahr, wenn dies so viel
heifsen soll, dafs er keiner Parthei angehöre. Soll
€iB aber so viel heifsen, dafs er Meister jener Blitze
des Verstandes und des Willens sei, wodurch alle
Piarthei zurückgescheucht wird, so werde ich stre-
ben, mich auch dieser Hoffnung zu überlassen, an
die ich bisher nicht geglaubt habe. Ich gestehe,
dafr ohne den Glauben an diese Hoffiiung ich nicht
viel auf Verwirklichung der Idee von Freiheit baue,
ohne welche die preufsische Macht leicht wie Ne*
bei zerstieben könnte, indem sie sich als eine echt
deutsche befestigen ti4I1.
Wer schreibt die*Bremer Zeitung? Ihre Wür-
digung des österreichischen Beobacht^s über die
Pariser Verhandlungen ist in jeder Hinsicht vor-
trefflich. Kemhaft und edel ist, was wahrschein-
lich Sie in der Allgemeinen Zeitung wider densel-
ben gesagt haben. Sein Benehmen und Sinnen stel-
len die Mä&igung und billige Klu^eit Oesteireichs
so sehr in Schatten, als die frechen und himge-
q^innstischen Uebertreibungm des rhanischen Mer-
— lai —
kur die Kraft und Liebe PreuiMis ftr
und Freiheit Deotschlands.
Wie sehr «"freut mich die Aossiehi in
Briefe 9 da&' der junge Napoleon unter
Obhut der Stifter jenor Freiheit werden könne, mA
welcher das unglückliche Frankroch so lange ?er-
gebens gerungen, und weiche die soganmilcs fmm
mm gern fiir ewig dem Sdicüerhaofiai opfim
ten* Man sagte mir Ton Verbiodnagai
französisdien und deutschen DemokralieD, die rm*
züglich Gmn^ geleitet hatte. Uabea dirn r l bf mtk
jene T^idenz für den kleinen Kapcdeon, dann Hdl
ihnen* So könnten O e ateiiei A und die
Demokraten ja znsammenstdien.
In der Cbankteristik Gneisenan's habe ich
derum etwas vom fialinstiiis entdeckt, woriber Sim
üdk nicht besehwnen sollen. Ich gbnbe, nodk
nichts so Gutes über Sie gesagt im haben, als wie
idi Ihr Talent mit seiner Gesdbicttschiribmig wv»
glich. Knüpfen Sie ja durch ahnliche Cbacaktarisl^
ken meine Einsamkat an den diplomttisrbf wad
politischen Verkehr. Vielleicht ist der pmze fi«^
destag in Frankfivt zu nidtfs anderem «ertii
berufen, als dafs Sie ihn portraitifen. Oder
Sie einen Geist in deamelben, der fir DsntsfiilinJs
Fmheit warm nnd ein% werden käomUf
Der Staatskanzier sollte Sie dodli nicht iforn
sidi. lassen; in der Krisb, die dem innefn Pre»-
ümui beforsteht, ist Ihr Stand bei Uul V/m Sie
dort wärkw können, ist überwi^end gi^en den Ge*
— 184 —
winn von Bearbeitung der öffentlichen Meinung in
Deutschland, welche Sie in Carlsruhe freilich fort-
setzen können. Auch gehören Sie und Ihre Gemah-
Hn eigenthümlich in den regen geistigen Verkehr der
Berliner. Sollten aufserdem trotz der. gebildeten Män-
ner, die mit den Heeren zurückgekehrt sind, der zur
Bildung einer neuen Verfassung, oder, vielmehr der
eisten, die Preuisen haben wird, tüchtigen Kräfte so
vMe sein, daüs man sie nicht mit der gröfsten Sorg-
samkeit in Berlin versammeln müfste? Hoffentlich
weüs ich Sie bald dort, sobald der wichtige Mo-
ibent wirklich gekommen ist, und darf Ihnen meine
Ideen über eine freie Verfassung, wie Preulsen sie
für sich und Deutschland brauchen kann, obgleich
ein Nichtpreufse, mittheilen. Das Leben in Oester-
reich und das anhaltende Studium der Geschichte,
dieses wunderbaren politischen Baues, Idirt mich
durch den Kontrast viel für Preufsen« Vielleicht
gebe ich schon Einiges von dem, was ich gelernt
habe, in politische Blicke und Berichte, die ich
bald herauszugeben gedenke, ungedruckte Abhand-
lungen^ zum Theil auch bisher ungedruckte Ideen.
Ein wahres Wort von Niebuhr, dafs unsere Zeit zur
politischen Bildung unfruchtbar sei*
Fleifsig bin ich Krüppel übrigens nicht sehr. Der
sechste Theil meines Tacitus wird in diesem Winter
erscheinen. Politische Rezensionen von mir finden
Sie in den Jenaischen Blättern. Nicht zum Druck ge-
dgnete Memoiren arbeite ich über verschiedene Ge-
genstände, so wie sie von Oberbehörden in Wien
verlangt werden.
— 1« —
Das letzte N<nreariicntick des
kurs, welches mir die
det eigentlidi Sie als einea Ycrimcker ^w ds Ge-
richt sämmtlicher Potentalea o. s. w. !■
über Tettenbora halle ich Are Worte
„d^ französische
von einer Zeit die Bede, wo >
zösischor Kais» war, iomI <fie
wenn sie Ycm
taosenden den
Leotlan, possiriidie
n«i Speichdlecker des Kaisen. weil
rie nidit buchstabiren
gleich darthon, dais idi kein
Wahrlich 6ex £rken]iftiii£i wA der
in den deutschen TroMnieni der FicAeit moA wUL
weniger, ab ehwnals in den
Mein Urtheü lUber Napoleon ist
Rezension über Läder^s elc
chen. Die alte Fran XcnMas wird
herzigt Ich halte was aof dieselbe, nnd fift ^
putzt wartet sie im Schruke anf eine GAfßtkmti,
zu Ihnen za kommen.
*
Indem idi Ihnen ein henüdwa LikewM w^
gen und um baldige firrmMfarfaAtidbe Chmlmsf
bitten will, sehe ick mkk wieder Ton de» TSmAs^
tage befimgen. Sollen Stein nnd KiMer ak fn«.
fsische Gesandte z nsam m e ngeiyanat yam, i^^MX vul
Dieser ohne Hnfeisen? oder nie der X^Mi^^JMsr
von Hamburg, der d« SMeuhei tum^ m^ kmi
Allein Kästor wird nida aof d» yAi0^^ wd^iU^
— 186 —
Stein au^agt; diese zwei rechtschaffenen Männer
sind zwei Extreme, welche nicht zusammentaugen.
Vtobeugt Friedrich Schlegel sich gut, wenn ihn Al-
bini zu einem Gesandten schickt?
Friedrich v. Raumer hat mich im Sommer zu
Prag besucht, ein frischer Geist mit Gelehrsamkeit
ohne Prunk und Pedanterie, ein kräftiger Freund
' der Freiheit ohne allen Factionsgeist Wir kann*
ten uns zu Berlin nicht; aber in Prag hat mich so«
gar Manso ans Breslau besucht, welcher so viele
Jahre in der Bibliothek der schönen Wissenschaf-
ten stand, und hinter dem Repositorium her ytm
dem Bogen seiner Charitinnen Pfeile auf mich ab-
sehofs. Irgend einen Verkehr mufs er mit den Gra-
^n gehabt haben; denn er hat eine gewisse Hbld<-
Seligkeit. Interessirt hat er mich auch; er hat äioh
jetzt, wie es scheint, auf das beschieden, was er
sein kann, und dieses ist ehrenwerth. Wie ehemals
Jacobs etc. sein Herz als vortrefflich rühmten, so jetzt
Baumer. Ein dritter Breslauer Gelehrter, Professor
N Passow, hat mich ebenfalls interessirt So werde
ich hier fast mehr durch preu&ische Gelehrte er-
freut, als zu Berlin selbst. Aber nun endlich, le«
ben ^ie wohl!
Ihr •
IVoItmann.
— 187 —
An denselben.
Pragy d«ii 11. Juni 1816.
— — — . Ihre Ruhe wider den Herrn v. HeCi
hat läieh sehr gefreut In Ihrer Ankündigung Ihrer
Geschichte des Wiener Congresses charakterisirmi
Sie Memoiren, die ein historische Kopf verbült,
wacher mit seiner Zeit fühlt und denkt Dem kiinf-
tigen Geschichtsdreiber jener viel wichtigeren Frie-
densversammlnng, als sie es den Erwartungen der
Zeitgenossen schien, werden Sie dne Vorarbeit hß*
fem, wie man sie über keinen Friedenscongreis hat^
und bei welcher ihm schwer werden möchte, sie
nur als Material zu gebrauchen. Schreiben Sie mir
doch etwas Näheres darüber. «— Der sechste Band
meines Tacitus wird in einem paar Wochen gedruckt
sein. Er ist, den Anstand der Bescheidenheit wage
idi g^en Sie zu verletzen, gründlicher philologisch
übet den grofsen Geschichtschreiber, als sdbst Ju«
stus Lipsius, der einzige Philolog, gegen welohee
ich tiefere Ehriurcht fühle. Haben Sie meinen Ta»
dtus nicht, so werde ich Ihnen ein Exemplar dei
ganzen Werks übermachen. Ich wünsche, dafs et^
liehe kräftige Stimmen, die nicht zur philologischeii
Gilde gdiören, sich jfUr ihn erheben, gegen das tJn-
sal unserer Litleratur. Die alte Frau Nanesis ete.
soll damit erfolgen.
Goethe schreibt mir, dais er aus der neuen
Ausgabe sdner Werke Paralipomena zurückbehalte.
— 188 —
welche zur Erscheinung nach seinem Tode er mir
anvertrauen wolle. Noch las ich das Neue in sei-
nen beiden ersten Bänden^ auch sein Reiseheft nicht.
Es soll mich erquicken, wenn der Druck des Taci*
tos vollendet ist. Wir wollten diesen Sommer zu-
saaunen kommen; ich wei£s nicht, ob es geschieht,
und wo ich nach einigen Wochen seifi werde. Die
l^iefe an mich gehen vorläufig stets Meher.
.. In PreuiBen scheint eine Entwickelung an der
Tagesordnung zu sein, wodurch die Kraftvollsten in
Dunkel und Unthätigkeit gesetzt werden sollen. In
meiner kranken Abgeschlossenheit nehme ich imge«
meinen Theil daran, und weifs keine würdige Stimme
ia Berlin darüber zu befragen. Theilen Sie mir nach
wie vor Ihre politischen Urtheile mit Sie sind in
der. Fülle der Thatsachen mit historischem Blick.
Was machen Stein, Gneisenau, Grüner? Im Oester-
r^hischen, wo die bürgerliche Freiheit wie ein Na-
turproduct wächst, hat sie durch das Glück unserer
Tilge gleichsam einen neuen Schufs bekommen. Man
kann sagen, ein trefflicher Geist wohnt den Habs-
burgern im Herzen. Auf eine nähisre persönliche
Bekanntschaft mit Metternich bin ich sehr begierig.
Er will mir überaus wohl, und ich glaube an eine
lichtvolle Heiterkeit in seinen Ideen und seinem
Willen. In welchem YerMltnifs ich in Oesterreich
sei, werde ich es ohne politischen Ehrgeiz sein;
denn meinen Ruhm mufs ich einmal in der Littera-
tur und Geschichte suchen.
Lesen Sie nun den dritten Theil der Memoi-
- 189 —
ren des Freiherrn von S — a? Der Leipziger Com-
missionair des deutschen Museums hat seine Freude
an dem Buch, wie er sich kaufmännisch ausdrückt.
Trügt mich nicht Alles, so werden diese Memoiren
zu einer der Wurzeln, aus welchen unsere Littera-
tur erwächst. Den besten Dank für Ihre Gedichte,
über welche meine Frau mehr an Rahd schreibt,
die ich ehrerbietig und herzlich grüfse. Leben Sie
wohl, mein verehrter Freund.
Der Ihrige
MToltmanii«
Karl Angnst, Fftrst nn Hardenberg.
Oeb. in Hannover den 31. Mai 1750,
gest. in Genua den 26. November 1822.
l/er in preufsische Dienste übergetretene Regierungs-
rath, Doetor Wilhelm Butte, liefs im Jahr 1815 eine
Schrift unter dem Titel drucken: ,,Die unerläfslichen
Bedingungen des Friedens mit Frankreich. Eine firei-
müthige und prüfende Darstellung der öffentlichen
Meinung. Hierzu einige Bemerkungen über das Miß-
lingen der teutschen Bundesakte." Da dieses Buch
durch den nachstehenden Brief des Fürsten v. Har-
denberg Bedeutung erhält, so mögen Butte's Frie-
densbedingungen zuvor hier einen Platz finden. Der-
selbe will:
1. Frankreich soll zunächst auf seine Sprach-
grenze beschränkt werden, namentlich soll es das
deutsche Land diesseit der Vogesen und Ardennen
(also das ganze Elsafs und Lothringen, sodann die
ehemaligen Bisthümer Metz, Toul und Yerdun) an
Deutschland zurückgeben; das Königreich der Nie-
derlande soll, wo nicht durch die Abtretung der
ganzen noch französischen Niederlande, wenigstens
— 191 —
durdi die Gr^izfestungen Lille und Yalenoiennes bes-
ser geschützt w^en.
2. Frankreich soll eine namhafte Kriegskontri-
bution von .... Millionen zahlen, die in das von
ihm ausgesogene Ausland in klingender Münze zu-
rückflieise. Freie, dann reichliche Verpflegung d^
Truppen, während ihrer in Frankrdch erforderlichen
Anwesenheit, eine eigene, nicht in jener Kontiibu*
tion begriffene Umlage zur Aufbringung des Soldes,
Herstellung der im Feldzuge schadhaft gewordenen
Rüstung aller Waffengattungen, und gute, vollstän-
dige Bekleidung aller heimkehrenden Krieger ver«
stehe sich von selbst.
3. Frankreich soll alle seit den Bevolutions^
kriegen in Europa durch €rewalt oder Last wegge^
nommenen Kunst- und Wissenschaftsschätze zurück-
geben, und das, was etwa davon durch seine Schuld
verloren ging, ersetzen; forthin soll die Unverletz«
lichkeit der jedem europäischen Staate eigenthümli«
eben Wissenschafts- und Kunstschätze unter die au»^
drüeklichen Bestimmui^en des europäischen Völkei>
rechts aufgenommen werden.
4. Jene öffentlichen Denkmäler, welche seit der
Revolution erfoehtene Siege französischer Heere auf
eine für die jetzt siegreichen Völker und deren Herr*
scher demüthigende Weise darstellen, sollen vemich-
tet; Benennungen an sich nützlicher Anlagen, die der
Uebemuth von unglücklich^i Kämpfen gegeu Frank-
roieli entlehnte^ sollen vertragsmäfsig umgeändert und
damit wtmggleiig aus dem Gebraodie des öffentlicliea
Lebens und des Gesdiaftsstyls veitnunit werden.
Job. Crotthard Ton Reinhold.
Geb. zu Amsterdam 1771,
^est. zn Hamburg den 6. August 1838.
J« H. V. Wessenberg lieft als Manuskript einen Ne-
krolog seines innigen Freundes Reinhold drucken,
Tcm dem auch Auszüge in die Allgemeine Augsbur-
ger Zeitung (Beilage No.50. 19. Februar 1839) er-
schienen, die den Werth und das Verdienst des aus-
'^zeichneten Mannes in ein helles Lacht stellen. —
Beinhold war fiir den Handelsstand bestimmt, yer-
^lieis denselben, ward JMilitair, dann Geschäftsträger
bei den Hansestädten, 1809 Gesandter in Berlin, wo*
selbst.er neun Monate blieb, lebte dann bis 1814
zuriickgezogen in Paris, ward Gesandter beim päpst-
lichen Stuhl und bei dem. Grofsherzog Ton Toscana.
Im Jahr 1824 leitete er die auswtUitigen Angelegen-
heiten, Jcdirte in demselben Jahre nadi Rom ab Ge-
sandter zurück, 1825 ward er von seiner Stellung
in Rom entbunden und fungirte nur in Florenz. 1827
ward Reinhold nach Bern versetzt, 1832 erhielt er
den Gesandtschaftsposten in Kopenhagen, bat jedoch
um seinen Abschied und begab sich nach Hamburg,
woselbst er starb.
y
- 195 —
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten
beriohtete an Napoleon. über Reinhold Folgendes:
9sB icrU parfaüwieni h frangcM. Ses depeches so0
le9 plus remärqualdes de la earrespondence, ei eUei
egalmi ob earreeüam ei eu agriment ceUes de nos phu
habües agmu. Sa correspondence powirdt smvir de
modek, aoue le re^ppori de la elairti^ de la mMode
et de la pridsion.'*^ Und Kardinal Consaivi sagte
von ihm: „i2 mndsiro d6 Pae&bassi e U pm oorieee
ed ü pm caipaße di tuüo ü Corpo DiplomaHcoJ*''
Die nachfolgenden Brirfe dieses seltenen Gei*
stes gewähren uns ein schönes Bild von dem Manne,
bei dem „im diplomatischen Verkehr Offenheit und
Redlichkeit stets im Verein mit klarer Besonnenheit
und kluger Umsicht wahrzunehmen war/' -^
a. f
An Varnhagen von Ense.
Rom, den 1. Juli 1817*.^
Vor zelm^ zwölf Tagen »hielt ich mit dem
Stempel von Mailand Ihren Brief vom 1. Mai» tnein
hochgescbätxter Freund t und weifs dem Herrn vpn
Eckardtstein Dank/da£i er noch nidit langer dacanf
' warten lassest. Sehr wfreulieb war mir dieses Im^
cbw Ihres jfreundsohaftlidien Andoikens; zuglmeh
als Ueberzengung von dem .meinigen, auf welches
Sie nicht vergebens gerechnet hab^i. Oeffentliche
9QWobl als PrivaAnachrichten haben mir verstattet,
dftn Lauf Ihmi Schioksals in .diesen letzten Zeitm
13* .
_ 196 —
tu folgen, und weder Ihre Reisen, noch Ihre Staats-
geschäfte, noch Ihre jetzige Anstellung sind mir un-
qekannt geblieben, so wenig als Ihre Yerheirathung.
Nur von den Yerhaftnahmen, die Sie mit anfuhren,
WQÜs ich nichts. Auch Ihrer litterarischen Thätig-
keit war ich in so fern nicht fremd, dais ich we-
nigstens die Anzeige Ihrer Schriften gesdbien, woran
mir wider Willen genügen mufste. Ich sehe der
Erfüllung der Hoffnung entgegen, die Sie mir eröff-
nen, daCs Herr v. Eckardtstein mir wenigstens Ihre
Kriegszüge mitbringen wird, deren allein Sie erwäh-
nen, ohne der Erzählungen zu gedenken, noch der
Geschichte des Wiener Congresses. Letztere jedoch
ist vielleicht noch nicht erschienen; auch wunderte
ich mich bei der Ankündigung, dafs der Augenblick
der Reife für ein solches Werk schon gekommen
wäre. Vton den anonymen Schriften, deren Sie ge-
denken, ist mir schwerlich etwas zu Gesicht gekom-
men, es müiste denn in der Allgemeinen Zeitung ge-
wesen sein; denn der litterarische Verkehr zwischen
Rom und Deutschland erstreckt sich nicht viel wei-
ter als auf diese, wenn nicht etwa hie 'und da ein
Reisender irgend eine Novität mitbringt. Die ein-^
zige Sammlung, die ich erhalten habe, bestand mei-
stens^ aus Kinderbücheni, und ich hätte kaum ge-
wuDst, was ich zugleich .mitbestellen sollte. Von so
weit her hat man gern etwas Gewichtigeres, als was
Uofs zur Befriedigung d^ Neugier dielen kann, und
so lebendig die Theilnahme sei, so mangelt doch
die besümdige Anregung. Sie haben sich, scheint
es, ganz in das Gebiet der Geschichte und Politik
- 197 -/
g[eworfen; eia Feld, das zum Anbau der Talente
nie zu viel haben kann. Nicht den unwichtigsten
Theil haben Sie gewählt, wenn Ihr Zweck vorzüg-
lich das Wirken auf die Gegenwart ist; ich wün-
sche Ihren Bemühungen Gedeihn, und ein desto
grofseres, je mehr sie von Besonnenheit und Mäfsi-
gung geleitet werden. Sie gehören zunächst einem
Staat an, wo allen denen, die auf seine Schicksale
Einflufs zu üben berufen sind, jene Eigenschaften
in hohem Grade Noth thun. Mit Vergnüget sehe
ich Sie vom Staatskanzler ausgezeichnet, und warum
sollten Sie nicht mit dem Ihnen angewiesenen Wir-
kungskreise zufrieden sein? An Neidern wird es
Ihnen ohnehin nicht fehlen; vollends da man Sie
immer für einen hinzugekommenen Preuisen halten
wird, obgleich Sie der Geburt nach 'ein wirkliehor
geworden sind. Die Assimilation der Neupreufsen
wird noch lange die schwierigste Angabe für. die
Regierung bleiben, die doch beständig ihr Bestoe-
ben darauf richten müls, wenn der Staat kräftig 'Wer-
den soll Jedoch ich verirre mich in ein frem*
des Gebiet, und eile es zu verlassen.
Von Ihrer Gattin habe ich früher viel Schönes
gehört; das Schönste sagen Sie mir, nämlich, dafis
Sie ihr ihr häusliches Glück verdanket. Diesem, wie
allem Guten, was Ihnen der Hinmiel gewährte, ver-
leihe er Dauer und Zuwachs demjenigen, was des-
sen fähig ist!
Audi Ihrer Frau Schwester Verbindung war mir
bekannt Sie können leicht denken, da& ich, und
die Meinigen die Bande mit unsem lid>en Hambur-
— 198 -
gern mcht abgebrochen haben, and dals coeie uns
▼on AUem Bericht erstatten mussra, was sidi dort
EQtragt In meines Hauses Innern sieht es noch
ans, wie Sie es in Paris gesehen haben; die Per*
sonenzahl hat sich nicht vei^öisert^ nur sind ein
Paar von uns seitdem gewachsen; indeis die An«
dem sich begniigen, nicht abgenommen zu haben.
Jene werden durch die in Ehren gehaltene Brief*
tasdie nnd die derlich^ Kunstwerke noch immer
an Herrn v. Ense erinnert So ganz lateinisch, wie
Sie Toraussetzen, sind sie nicht geworden; dazu
wird bei uns zn viel deutsch gequroch^ und unser
Verkehr ist weit mehr mit Fremden als Eängebor-
Durchrasende Deutsche sprechen meist bei
Tor und finden eine wohlwollende Aufioahme;
attck an deirtschen Diplomaten £dilt es nicht, mit
A mmtk allen wir auf so freundschaftlicbem FuCse ste-
Imb. als ihnen sdbst genehm ist Herr Niebuhr
lebt auch hier viel für sich; bis jetzt scheint ihm
Rmi nkkt wie das sdnige einzulenchten^^ und die
ixMaisck^ GetscUchte mochte ihm zweihund^ Md-
lon T\Hi Korn klarer Torkommen. Vielleicht auch,
w«Mi «r sich in Berlin zuweilen nadi Born sehnte,
maip «r sich jetzt manchmal nadi Berlin sehnen. In
%k>r Rennmifs des nenem Bona thut es ihm Herr
liaHhold>\ der so lai^ hier war, natürlich zuvor;
h^t^»1nr hat uns jetzt auf einige Zeit verlassen, um
ülH>r law>nio nach Ober-Italien zu reisen. Noch
ist er als GeneRÜ-Consul nirgends öffisntlich aufge-
titMvtt. Kineti Theil von den Neuigkeiten, die er
Auftreibt^ kennen Sie in der Allgemeinen Zdtung
- 199 -
unter der Rubrik Rom, Neapel, Mailand u. s. w. le-
sen. An Herrn von Ramdohr, der früher hier die
preufsischen Geschäfte v^sah, hatte ich einen sehr
freundschaftlichen Cöllegen, obgleich er kein so gro-
ßer Gelehrter als Herr Niebuhr, noch ein so gro«
fser Politiker ist als Herr Bartholdy. Er ist seit
Kurzem, wie Sie vielleicht wissen, förmlich in Nea-
pel aecreditirt, wo er seit Monaten in aufserptdent«
liehen Aufträgen war. Wäre Italien nicht besetzt,
so würde ich Ihnen sagen: lassen Sie sich Ueher
schicken. Rom gewährte Ihnen vielleicht Einiges,
was Carlsruhe Ihnen nicht , darbietet. Aber <Ue Ent-
fernung vom Staats -Mittdpunkt gefiele Ihnen wohl
nicht
Wir sind mit unserm Aufenthalte ganz zufrie-
den, was wir freilich mit jedem zu -sein trachten
würden, der uns. einmal festhielte. Man geniefnt
hier einer Unabhängigkeit, deren man sich in anr
dern Residenzen weniger erfreut; die Römer mu*
then Einem nicht viel zu, und geniren. in gesell^
schaftlicher Hinsicht wenig oder gar nicht Mehf
wäre in diesem Punkt von den dch anbäufendeil
Botschaftern zu besorgen, wenn sie anfangen soll*
t^i, die Grö&e ihrear Monarchen in wetteifemdeii
Gastgeboten darstellen zu wollen. I<di hoffe nicht)
dafs sie uns den Boden, der das Pantheon tiägt
und die Asche der Sdpionen aufbewahrt, vedeidea
werden.
Sie sind so gütig, sich der Musen an der Elbe
zu erinnern. Zwar haben uns diese nicht gänzlich
verlassen; aber »ie haben von uneer/n Innern Botitz
fenoflUBen und find doft Tentnnunt, io dafii sdlai
IMT an Ton Ton Omen crUhigt Nur bei wcmgen
bcsondcm Anläften kämmt es dakia; so bei Gde-
fjtukeii der Bückkehr der Antiken ertönten ne in
Stanzen, die, ich weüs nicbt wie, ihren W^ ins
Morgenblatt gefandoL Zn groiserea Dichtm^en
»angelt, aoiser dem Mnthe, die Mnfse, nnd die
Gattnng der hiesigen Geschäfte vertragt sich so
wenig damit y ab die Mannichfidt^mt der Zer*
strenungen«
Für die Nachriditen von den gemeinschaftli-
dien Bekannten danke ich Ihnen. Nenmann war
anch für nns verschollen gewesen. Nun er Kriegs-
Gommissar ist, wird er ja wohl jene damals zu lan-
gea Aermel ausfüllen, doch unter dw Bedingung,
dais sie nicht für die kurzen zusammenschrumpfen.
Gern wiirden wir Sie beide hier etwas bess^ bc-
wirthen als zu der Zeit Wie ist denn Char-
misso zum Naturforscher geworden? Hat ihm Lud-
wig XVIII. — von^ dem ich noch Ihr gut gelun-
genes Bildnüs besitze — keine Pairie für die lange
Bmigration angeboten? Von Steffens habe ich durch
Baumer und von der Hagen ^ die sich eine Weile
hier aufhielten, gehört Hat ex die Vers^ung nach
den Rebenhügeln aufgegeben? Sie werden seine
Schrift über das Werden unserer Zeit kennen; ich
nur die Anzeige davon. Hoffentlich ist sie nicht
von der Art, dafs Adam Müller sie loben wird,
wie die des Herrn von Haller.
Sie wollen Georg Kerner's Lebensgeschichte
schreiben. Ich, sein Jugendfreund, sehe gern diese
- 201 —
Aufgabe in würdiger Hand, und zweifle nicht, dafii
Sie ein Bild aufstellen werden, worin Jedar die
reine und schöne Natur, welche in ihm lebte, wie-
der erkenne. Die Wittwe, meiner Schwester ver-
trauteste Freundin und mir nicht weniger theuer,
hatte uns geschrieben, Herr Justinus hätte die Ab-
sicht, eine Biographie seines Bruder? herauszuge-
ben, und wolle sich deshalb mit mir in Correspon-
denz setzen; aber ich habe nie eine Zeile von ihm
erhalten. Er ist es vermuthlich, der Ihnen das,
Werk übertragen hat, das ich weit lieber in Ihr^
Händen als in den seinigen sehe, aus Gründen, die
ich verschweigen wilL Wenn Sie Ihr Vorhaben
ausführen, so werden Sie wohl thun, an die Wittwe
zu schreiben, und ihr das Manuskript mitzutheilen,
ehe es zum Druck befördert wird. Wäre ich nicht
zu weit aulser dem Wege, so würde ich um die
nämliche Gunst ersuchen. Oelsner, Schlaberndorj^
Ebel können Ihnen die interessantesten Materiali^
liefern, weil sie Kernern in der sq^önsten Epoche
seines Lebens gekannt haben, während welcher er
und ich getrennt waren. Es war die seiner Begei-
sterung für Ideen, welche eine Wiedergeburt der
Menschheit zu begründen schienen, und die sich
vielleicht in keinem Gemüth reiner ausgesprochen
hat Diese Begeisterung war überhaupt der hervor-
.ragende Zug seines Charakters, der sich in so vie-
len Handlungen der Aufopferung und Selbstverläug-
nung aussprach, welche sein Leben, vorzüglich
in jener Zeit, auszeichneten. Die kindliche Hia-.
gebung, die alle sein Thun begleitete, gewann ihm
— 202 -
Aller Uerzea; gegen die Revolution verhielt er sich
wie Seide gegen Mahomet; er gehörte ihr ganz an,
so lange er sie für tugendhaft ansah; von ihren
Ausartungen hat sich keiner tapfrer losgmssen, und
er war mehr als einmal nahe dabei , ihr Opfer zu
werden. So wie in jedem Menschen sich ein Thdl
der Tendenzen seiner Zeit darstellt, so hat sich in
ihm ihr edelstes Streben geoffenbart. Glühende
Liebe für das Schöne umgab' seine Jugend mit ei-
nän strahlenden Glänze; glühender Hais für das
Sddechte adelte sein männliches Alter, aber trug
zugleich dazu bd, die Keime seines Lebens zu zer-
stören. Er ist nicht unwerdi, in dieser Hinsicht
als ein Ideal aufgestellt zu werden, und gewifs wer*
den Sie in allen Materialien, die Ihnen versprochen
sind, die Belege dazu finden. Ich würde Ihnen
giem Auszüge aus Briefen mittheilen; aber sie lie^
gen mit meinen Büchern in Hamburg in Kisten ver*
schlössen. Zur Hand habe ich nichts als ein la*
irinisches currksuivfm vüae^ das er im Jahre 1802
dem CoUegmm medicum zu Copenhagen iibergab;
wenn Sie es nichl haben, will ich Ihnen dasselbe
zuschicken. Ich weifs nicht, ob unter den Papie«
feil, welche die Wittwe an Joslinus gesandt, sidi
raiige Gedichte von mir, nach Kerner^s Tode ge-
schrieben, befinden; wo nicht, will ich sie Ihnen
adttheilen; sie enthalten einige Züge' seines Bildes,
wie es sein bester Freund aufGafste, so wie zur Char
jrakteristik ihrer Freundschaft, die in einem volbtanr
digen Gemälde nicht unberührt bleiben darf. Einen
einzigen dazu gdbiiörigen Zug, den Sie vielleicht an-
- 20S -
derswoher nicht erhalten möchten, will ich noch hin-
zufögen. Die Natur hatte ihm ausgezeichnet Bchöne
Gesichtszuge verliehen; in seinen Junglingfffahren
glaubten Viele, in ihm das Bild des Heiiiuides zu
erkennen, wie die veredelte Tradition es darstelil«
Späterhin wurde ihm eine grofse Äehnlichkeit mft
Buonaparte b^gelegt, ehe die Züge des letztern sidh
vergröbert hatten.
Von Frau v. Jordis haben wir bisweilen Briefe,
imd wir wufsten von ihr, dafs Sie sieh wieder ge-
sehen hatten. Ohne Zweifel war Ihr kriegerischer
Ungestüm in^ friedlichere Formen übergegangen. Die
liebenswürdige Frau s<Aeint sich in ihr Schicksal
ergebeif zu haben; beim Lichte besehen, kann sie
es auch; was ihr versagt ist, darin hatte sie ihr
Glück nicht gesetzt
Die Frau v. Humboldt haben wir nicht gese-
hen, werden es aber vielleicht künftigen Winter^
wenn sie von Neapdl zurü(^ke)urt Von wenigen
Menschen habe ich, ohne sie zu kennen, so vid
gehört. Ich habe mich gefreut, von Bieinen Kriegs^
gefährten zu hören. Den General v. Geusau hattaft
ich in Hamburg wiedergesehen. Von Herrn v. Die-
mar Mruiste ich nichts. Also zum adlichen Stallmei-
ster hat er sich hinau^eschwimgen? Der Sd^wong
ist wenigstens nicht zu klugnen.
Wir haben das Vergnügen gehabt, zwanzig Mo«'
nate die Frau v. Pobdieim und ihre beiden Töch-
ter in Rom zu besitzen. Vor einigen Wochen hat
sie uns verlassen, und wird in diesen Tagen mit ih-
rem Sohne Fränkel in München zusammeHti^iren.
- 204 -
Des 5u
Dieser Brief gdit erst heute ab, weil ieh ver-
nommen, AaSä die Mittwochspost nichts hilft.
Interessante Neuigkeiten wtils idi Ihnen nidit zu
mehlen. Vor einig«: Zeit glaubte man den Papst '^)
seinem Ende nah; er hat sich jedoch erholt, nur
dals die vorigen Kräfte nicht wiedorkehr^i wollen.
Er sollte immer noch etwas leben ; ich wiiiste nicht,
wo ein besserer herkäme. Seinen ersten Minister**)
werden Sie von Wien her kennen; es giebt gewils
'nicht Viele an einer Stelle wie die seinige, mit de-
nen in Geschäften so gut zu verkehren ist. Solche
OflEenheit bei solcher Feinheit ist ein wahres Phä-
nomen.
Sie haben plötzlich einen päpstlichen Nuntius
bei sich erscheinen sehen; eine Aufgabe für Ihren
Scharfisinn und Spürgabe. Wenn Sie etwas Be-
stimmtes über seine Sendung erfahren, so möchte
ich Sie wohl bitten, es mir mitzutheilen. Ich bilde
teir ein, dals er die Badische Regierung hat bewe- '
gen sollen, den verruchten Ketzer Wessenberg auf*
zugeben.
Fürst Metternich sollte vor einigen Tagen hier
-eintreffen, bat aber geglaubt, die hohe Braut nicht
verlassen zu können, die auch ^ger schmachten
mufs, als berechnet war. Er hat übrigens verspro-
chen, noch zu kommen, wenn's angeht
Wir haben hier nachgerade eine römische Hitze»
♦) Pius VII.
) Kardioal Consalvi.
»«r
— 205 -
Möge dieser Brief Sie so warm antreffen, als Ihrem
Herzen, mid so kühl, als Ihrem Verstände wohl thut!
Meine Frauen empfehlen sich Ihnen. Mit auf-
richtiger Hochachtung und Ergebenheit
der Ihrige
ReinlMld.
b. f
An denselben.
Rom, den 27, December 1817. •
Ihr Brief aus Brüssel vom 19. September, mein
hochgeschätzter Freund, liefs mich über Ihren wei-
tern Reiseplan in einer Ungewifsheit, die, hofite ich,
über kurz oder lang irgend ein Zeitungsartikel he-
ben würde. Aber die Gazettisten, wenigstens die
mich bedienen, sind schlecht bedient; denn kein ein-
ziger hat mir ein Wort von Ihren Kreuz- und Quer-
zügen berichtet, und wer weifs, wie lange ich nocli
hätte in den Zweifeln verharren müssen, die mich
auch Ihnen zu antworten abhielten^ wenn es nicht
noch Privat -Novellisten neben den öffentlichen gäbe.
So habe ich denn eben erfahren, dafs icb« Ihnen
wieder nach Cärlsruhe schreiben kann, und bin zu-
gleich der Schmach überhoben, einen unrechten Ti-
tel auf die Adresse zu schreiben. Irgend ein from-
mer Mann, oder ditto Frau, die mein Bedürfhifs ah-
neten, haben ihm abgeholfen, indem sie Ihre Reise
nach Berlin und dann auch unter Anderm Ihre Er*
nennung zum Minister -Residenten hieher gemeldet,
wodurch sie mir überdies die Freude vearschaflft, mei-
- 206 -
Brief mit eina: Gratnlatioii anwifimgeiL Nun
iDiifii ich Sie woU als ganz for die gemdnadiaftli-
dhe Laofbabn gewonnai betrachten, und wünsche
Ihnen von Herzen die Ente Tielcr cdympisdieB
Kranze aof ihr, am sich dereinst stat, nicht in ei-
nem fremd^i mid langweiligen, sondern in dnem ei*
genen und angenehmen Carls -Rohe daran zu laben.
Sehr überraschend war das Datum: Brüssel, mir
an der Spitze Ihres letzten Briefes; neu auch war
mir, dafs Sie einen so nahen Verwandten in Nie-
derland haben. Ihre wenigen Bemerkungen über die
Lage der Dinge daselbst sind lehrreich für mich ge-
wesen« Ich glaube gern, dals die Spaltung, von der
Ski reden, an Ort und Stelle i^ufifallen muls; aber
worauf muüste man mehr vorbereitet sein? Hat man
dessenungeachtet aus Zweien Eines machen wollen,
flo muis man geduldig den Verlauf der Z^t abwar-
ten, welche in die Berechnung mit au^^ommen war.
Ich bin mit Ihnen der Meinung, dafs Hoiland nicht
vor Belgien schwinden darf; aber wewn die Vor*
thrile, die ihm Seemadit, Kolonien und andere Um-
stände gewähren, geschickt benutzt werden, so bat
es von. der gröfsem LÄnd^masse Belgiern nichts zu
besorgen; vollends wenn man erwigt, dais die bel«
gbchen Provinzen, erscheinen sie aiuch Holland ge<
genüber als Eines, doch unter einand^ nichts we-
niger als Eins sind. Das grolste Uebel aber und
die gröfste Schwierigkeit für die Regierung li^en
üi dem Nebeneinanderbestehen in diesen Provinzen
französischer Laxität und Anmafsung mit altbraban-
tischem Fanatismus und Starrsinn. Einen Theil d^
- 207 -
hieraus entstehenden Folgen kann Niemand besser
baurtfadlen als idi, in der Lage, in der ich mich
befinde, mid wo die aoq>Qoavvfj^ deren Sie no'ch in
Ihrem letzten Briefe gedenken, mehr als irgendwo
unerläisliohste Eigenschaft ist
In dem Augenblick, da ich dieses schreibe^
werde ich durch ein Geschäft unterbrochen, wA-
ches den besten Beleg zu der eben gemaditen Be^
merkung mithält, und das mich nebenher Terhin*
dert, mich so ruhig und gemüthlicb mit Ihnen zu
unterhalten, als ich gewollt hatte; ich müfste denn
diesen Brief'acht Tage liegen lassen, weil die Post
nur ein Mal die Woche abgeht, -*-- was ich auch
nicht wilL Also, mdn Freund, ndimen Sie mit dem
Wenigen vorlieb, was meine Feder im Fluge giebt '
Zuerst meinen Dank für Ihre Geschichte des
Tettenbomschen Feldzuges, die ich schon seit eini*
ger 2^it besitze und die ich mit vielem Interesae
gelesen habe, besonders den Theil, welche die Ef'-
eignisse auf französischem Boden erzählt, und der
mir lebhaft die strategischen Operationen ins Ge^
dächtnifs zuräckrief, die ich, manchmal mit beklonv>
mener Brust, zur nämliche Zeit in meinen vier Wän^
den zu Paris machte. Ihre Schrift wird ein wichtiger
Beitrag ziu: Kriegsgeschichte jenes Zeitraumes blei*
ben, mid ist in dieser Hinsicht etwas mehr als das
Motto besagt (Hiebei fäUt mir — salm eampamh
Hone, wurde ein Pedant sagen — meine kleine Ma»
rie ein, welche, ohne, jenen Spruch und den Tfau*
cydides zu kennen, neulich zu ihrer Mutter sagte^
die sie, einige Worte singen hörend, fragte, was sie
- 208 -
da sänge: Mama, es ist ein Augenblickslied.) Aber
die Wahl ehrt Ihre Bescheidenheit und verspricht
ein XTijfA,cc auf alle Zeit; denn auch eben so gut
hatten Sie die Devise wählen können: — ei quorum
pars magna fm. Herr von Tettenborn ist Urnen in.
jedem Fall vielen Dank schuldig, dais Ihre Freund-
schaft so glücklich sich bemüht, sein Bildnils schon
für die Mitwelt aufzustellen; das Denkmal, welches
Sie ihm in den Zeitgenossen setzten, ist auch bis
zu mir gedrungen und begründet jenes Urtheil mit
Für die darin fehlenden Züge, welche Sie in die
Biographie des Lebenden nicht verweben konnten,
wird der Plutarch sorgen, der ihn überlebt
Herr von Eckardtstein, der Ueberbringer Ihrer
angenehmen Gaben, befindet sich seit ein paar Mo-
naten in Rom, wo er von seinem frühem Aufenthalte
her sehr bekannt ist, und wo es für seinen Gesel-
ligkeitstrieb durch die groise Menge der anwesen-
den Fremden reichliche Nahrung giebt Hiebei fällt
mir ein, Ihnen zu sagen, dals der Maler Navez aus
Brüssel die Briefe Ihrer Frau Gemahlin an die Frau
V. Humboldt und Herrn Bartholdy vor Kurzem glück-
lich durch mich eingehändigt hat
Wiewohl die Engländer überwiegen, so hat es
an Deutschen hier auch keinen Mangel. Heute hat
Herr Cotta v. Cottendorf sich mit einem Gefolge bei
mir gemeldet Die Hofräthin Herz nebst Fräulein
Klein besitzen wir seit einiger Zeit Die Deutschen
halten sich genau zu uns; könnten wir nur, wie die
Franzosen sagen, nicht se meUre en quaire, sondern
en äix oder en cent, um allen diesen ehrenwerthen
- 209 -
Fremden zu genügen, und den Ervvartungen, die «ie
hegen, zu entsprechen! \
Nach dem, was Sie in Ihrem letzten Briefe sa*
gen, scheine ich in dem meinigen über die ewige Stadt
mich ein wenig lau ausgedrückt zu haben, und Sie wa-
ren nahe dabei mir es ein bischen zu verdenken. Wenn
Sie erwägen, dafs ich bereits drei volle Jahre der
glückliche Besitzer von Roms Schönheiten bin, so
werden Sie vielleicht meinen gedämpften Enthusias-
mus entschuldigen. Aber Sie würden mir Unrecht
thun, wenn Sie glaubten, dafs ich darum für die
Wunder der Kunst und die begeisternden Anregun-
gen dieses Bodens gleichgültig geworden bin. Zwar
wende ich nicht, wie Winkelmänn von sich sagte,
jeden Tag eine halbe Stunde dazu an, über das
Glück nachzudenken, das ich habe in Rom zu le-
ben; aber ich weifs deswegen, was Rom mir ge-
währt, doch nach Gebühr zu schätzen, und ich
wüfste nicht anzugeben, mit welchem andern Auf-
enthalt ich es tauschen möchte. Und war' ich vol-
lends wie Winkelmann nur hier, um für Kunst und
Alter thum zu leben, wer weifs, wie ich alsdann ge-
stimmt sein würde! Lassen Sie sich also durch
meine scheinbare Lauheit nicht herabstimmen, und
kommen Sie immerhin mit gespannter Erwartung:
meine Gleichgültigkeit soll Ihnen nichts verleideii.
Ohnehin würden Sie, glaube ich, Herrn Niebuhr ei-
nen Dienst erzeigen, ihn abzulösen; denn diescar
gute Mann erkennt sich in dies§|^ He^nath Cicero's
gar nicht wieder. ;,
Sehr ungern habe ich in diesen Tagen den
14
' T.
im Uisr wsinr, wir haea. ncnr
JuoL -wridtssi -^wr jnn so.
9. a» ^aiB ^ ^sraaann^
m
V— ^
ka iBf m ^ Ion. xnusa, *G»ygn'n. se tes
S dk w ib e « . vki koaunt also m Dve Nahe. v«s jede
erfeidktieni «ireL Tob fltr votde idi hören, was
8ie bereiti für Rntrige erlialtai Üb«, vad dmos
idien, ob das Wenige, was i^ geben kau, dar*
itnt^ iit oder nicht. Ich freoe mich Ihrer Bereit*
irjllfgkeit, der Wittwe Ihren Ao&atz niitzntheflen;
nur meine Entfemong hindert midi, Ihr Anerbieten
toch für mich anzunehmen. Aber die beste Freon-
din erdetet hierin den besten Frennd hinlänglich,
tumal begabt mit Einsicht, wie jene ist
— 211 —
Mit Vergnügen vernehme ich die guten Nach-
richten von Ihrer Frau Schwester, der ich mich ge-
legentlich zu empfehlen bitte.
Meine Frauken empfehlen sich Ihnen. Bei mei-
nem Kleinen erhält das niedliche Taschenbuch des
Herrn v. Ense ihn stets in frischem Andenken.
Mit aufricht^ster Achtung und Freundschaft
Reinliold«
c. +
An denselben.
Rom, den 13. Juni 1818.
Ich habe Ihnen, hochgeschätzter Freund, einen
angenehmen Brief und eine interessante Sendung zu
danken. Letztere wurde mir vor ungefähr acht Ta-
gen; unser Freund Wessenberg hatte sie mir ange-
kündigt, und sie hat meiner Erwartung entsprochen.
Der Ihrigen gemäfs, mache ich davon keinen Ge-
brauch als den besten. Auf die weitere Entwicke-
lung sind die Gleichgesinnten mit mir begierig. Hier
sieht man dem Unternehmen mit Argwohn und Ab-
scheu entgegen; übrigens mit dem Entschluis, nicht
zu weichen, verstärkt durch die Hoffnung, das Ver-
bundene zu trennen. Gutes erwarte ich nur von
einem ausgedehnteren Verband, zu welchem endlich
die Noth wendigkeit treiben wird*).
Mit Vergnügen höre ich von Ihrer mehr als
*y Beziebt sich auf die damals in Frankfurl a. Bf. be-
gonnenen Verbandlnngen deutscber Fürsten und freier Städte
über die Angelegenheiten der deutschen katholischen Kirche.
14*
- 212 -
ostensiblen Wirksamkeit, und hoffe, dafs die Früchte
Sie und das Ganze über die verspätete Biographie
von Mirabeau trösten werden, in welchem Sie wahr-
scheinlich mehr den Wendepunkt der Zeit, als einen
Lieblingshelden aufetellen wollten. Nicht weniger
freue ich mich Ihrer Ausflüge in die henachbarten
Gegenden und der vielfältigen Anregungen, die Ihnen
dort werden. Die königlichen Personen, die Sie mir
anführen, habe ich nicht das Glück zu kennen; aber
jene beiden Frauen haben auch königliche Würde von
der Natur erhalten, die Eine * ) an Schönheit, die An-
dere **) an Geist. Ich könnte wünschen, dafs Sie
etwas mehr in Betreff der „unangenehmen Lebens-
wendung" der ersteren berichtet hätten. Es ist lei-
der die zweite dieser Art; der früheren stand ich
sehr nahe; ein billiger Grund zur Thcilnahme an
der späteren. Ich höre, dafs der Gemahl vom Man-
zanares wiedererstattet bekommen, was ihm der Main
entzogen; gern wüfst' ich, welcher .Gott der Frau ei-
W\\ Ersatz aufbewahrte. Was jene andere betrifft,
90 ist es allerdings schmeichelhaft, zwischen ihr und
Ihnen der dritte zu sein; aber meine Forderung, dafs
$ie mich gleich erkennen sollte, war so ungeheuer
jpicht, da sie meinen vollkommen ähnlichen Schat-
tenrifs besafs. Ein Lehrer meiner Jugend, auch in
Stuttgart, der mich seit meinem zwölften Jahre nicht
gesehen hatte und meine Nähe gar nicht ahnete,
erkannte mich nach dreifsig Jahren, so wie ich in
sda Zimmer trat. Was mich verdriefet, ist, dafe
') Frau V. Scbol«. ♦*) Frau v. Huber.
— 213 —
jene geistreiche Frau an die Galeere der Redaction
des Morgenblattes geschmiedet' ist, und doeh noch
zmr Ergänzung des Fehlenden Geschichten für Tw-
schenbüchcr schreiben mufs. Sie sollten die Köni-
gin oder den König von Würtemberg auf sie und
ihr Verdienst aufmerksam machen, dafs sie sie ent-
weder zur Oberhofmeisterin des enfam de Würtem-
berg oder an die Spitze irgend eines Instituts stell-
ten. Haben Sie jetzt erst ihre Bekanntschaft ge-
macht? Sie wissen vielleicht von ihr, dafs die mei-
nige sich auf zwei Stunden unsejrs ganzen Lebern^
beschränkt, dafs unsere frühere briefliche Verbin-
dung ein NachMs ihres Mannes war, und dafs mit
diesem mich innige Sympathie verbunden, obwohl
wir einander auf dieser Welt nie gesehen haben.
Der Gedanke an die andere Welt kann mich
Bxi kein anderes Bild zunächst führen, ak auf Georg
Kerner. Indem ich dieses schreibe, erwarte ich stünd-
lich die Nachricht, ob seine Wittwe wirklieh nach
Schwaben aufgebrochen ist. Sic werden das Nähere
hierüber von Justinus erfahren können. Ich wiedeN
hole, dafs ich gern die Aufstellung emes EhrendeniD-
mals für den Verstorbenen in Ihre Hände lege, d«
ich die Arbeit nicht übernehmen kann. Weira Al-
len, welche die fraiizösische Revolution leiteleft, MJ^
rabeau's Verstand zu wünschen gewesen wär^ o hät-
ten Alle, weiche sie mit fortbewegten, Georg Ker«
ner's Herz gehabt!
IMe nordischen Miscellen sind also nicht ganz
zur Miakulatur geworden und nicht auf das Exem- v
pleir besdiränkt, dafs sich xlavon zwischen^ ttdimEi
— 214 —
Büchern in Hamburg befindet? Nicht ungern sah'
ich einige meiner Blüthen darin wieder, und wie
sich die verhüllten Liebeserklärungen darin ausneh-
men. Aber davon steht geschrieben:
Der Lenz entflieht ; die Blume schiefst in Samen,
Und keine bleibt Ton allen, welche kamen!
Frau v. Schlegel habe ich noch nicht kennen
lernen. Sie ist einige Tage nach ihrer Ankunft mit
einer Frauen -Colonie aufs Land gezogen, nach Gen-
zano, Zwanzig Millien von Rom. Sie ist dort von
lauter Freundinnen umgeben: Frau Herz und die
Fraulein Klein, Härtl und Seitzer. Die Vorletzte
kennen Sie wohl von Wien her. Wie schön mufs sie
in ihrem zwanzigsten Jahre gewesen sein, da sie in
ihrem zweiunddreifsigsten des Malers Overbeck Ideal
als Madonna geworden, die er, um si6 immer ne-
ben der Staffelei zu haben, im Begriff ist zu ehe-
lichen !
Frau V. Humboldt denkt nachgerade an ihren
Abzug von Rom, wo sie, glaub' ich, lieber bliebe,
als nach London zu gehen. Ihre erste Station wird
das Bad von Noccra im Kirchenstaat sein. Sie nimmt
einige schöne Kunstwerke mit.
Seit acht Tagen haben wir den Grafen v. Schia-
den hier sammt seinem zahlreichen Gefolge. Er wird
auf dem Schiffe, das ihn von Livorno nach Civita
vecchia gebracht hat, über Neapel seinem Ziel, dem
Bosporus, zusteuern.
Frau V. Nicbuhr schickt sich an, im nächsten
Monat ihrem Manne das zweite Kind zu schenken*
Letzterer lebt beständig -in Erwartung von Ijistructio-
— 215 -
nen, die nicht ankommen. Hofrath Bartholdy schreibt
häufig an den Staatskanzler und an Herrn v. Jordan.
Die Römer bedauern, dafs seine Bekehrung nicht voll-
ständig seL So wie sie ist, meinen sie: non ha fatto
aUro che cangiar stanzä nel palazzo del Diavolo. Von
Zeit zu Zeit geht noch ein Kunstjüngerlein hier zum
katholischen Glauben über. Dazu sollte die Lust ei-
gentlich in Rom vergehen. ^
Von Lulu Jordis hatten wir kürzlich Briefe durch
den sächsischen Major v. Schreibershofcn. Sie ist
recht krank gewesen, und war noch schwach. Wir
haben sie aufgefordert, die Wiziterluft Roms zu ver-
suchen, und würden uns sehr freuen, wenn sie den
Vorschlag annähme. Nichts erneut die hiesigen Merk-
würdigkeiten Einem selbst mehr, als sie einem Freunde
zum ersten Male zu zeigen. Doch auch ohne das
werden sie Einem nicht alt. Wir wohnen nur ei-
nige hundert Schritte vom Capitol, und haben den
Marc Aurel immer vor Augen; dennoch betrete ich
nie die Stelle, an der er steht, ohne ein eigenes
Gefühl, und eben so das dahinter liegende Forum,
und wie manchen andern Ort innerhalb und aufser
den Mauern Roms. Die gröfste Anziehung behal-
ten für mich stets die Spuren des Alterthums; selbst
die Meisterwerke der Kunst üben keine so starke.
9
Vor Kurzem waren wir in Ostia. Kein Fleck des
Erdbodens vielleicht vermag, ein lebendigeres Bild
der Vergänglichkeit zu erregen; nirgends ist das Ge-:
fühl der Schwermuth mehr zu Hause als da, wo alte
und neue Trümmer neben einander liegen, und auf
den Gräbern der Todten aus so vielen Jahrhunder-
— ö« —
Weldk cHfer 0>atni€ Uer ibcnil
GdUnr zu erl/jtclMQ. «cd dock darf
Aes Allef za Ycraiiijcn wisen; ich aber Ule
Die Einlage bitte ich «nserm Fremde zansld-
len* Ihre Sendmi; bereditist mich zur E m ai tau g
▼on andereiL In EmiangeliiBg Reisender schickes
Sie mir mit der Post, was sich dazu eignet; aof et-
was Porto kommt es gar nicht an.
Meine Umgebongcm schicken Ihnen die frennd-
Uehsten (iruise.
Mit onreranderlich^ Gesinnong
der Ihr^
An denselben.
Rom, dea l.x'SoYemhet 1818.
Seit dem Empfang Ihres letzten liebon Briefes
Tom 1 1. Augast) habe ich Ihnen, mein hochgeschätz-
ter Freund, nichts zu sagen gewufst, das die weite
Reise wcrth gewesen wäre. Dazu kam, dafs ich
bei Annäherung des Aachener Congresses immer mit
dem Gedanken behaftet war, Sie würden auch da-
hin berufen sein; ich meinte tagtäglich, Ihren Na-
men unter den vielen andern zu lesen, die sich auf
dem Wege nach jener gelobten Stadt befanden, oder
- 217 —
sie erreicht hatten. Diese Erwartung ist nun firei-
lich getäuscht worden, und ich nehme daher an, dafk
Sie nicht von Ihrem Posten gewichen sind, wo die*
ser Brief Sie denn hoffentlich gesund und heiter an*
treffen wird.
Mehreres hat sich in dem Zwischenräume zu«
getragen und entwickelt Die badische Verfassung,
die Ihr Brief als beyorstehend ankündigte, ist er«
schienen. Studirt habe ich sie nichts aber bei der
Durchlesung ist mir vorgekommen, dafs sie leicht so
gut sei als jede andere. Ich sehe aus den neuesten
Blättern, dafs nun auch Hannover an die Reihe will;
dort aber wird Mehreres hart abgehen. Preufsens
Plane reifen in der Stille. Ich wünsche von Her-
zen zu Deutschlands Wohl, dafs alle die neuen
Schöpfungen sich in der Anwendung bewähren m5*
gen, wozu vor allen Dingen gehört, dafs die Deut-
schen sich reif und verständig zeigen. Unter dem
Mancherlei, was von dorther nach diesen Gegenden
herüberhallt, sind auch Zweifel an der Aufrichtig-
keit der Regenten und ihrer Minister gewesen; ja
mehr; doch dem hab' ich keinen Glauben b^ime^en
mögen. Ueber alles Dieses spreche ich wie ein Blin-
der zu einem Sehenden. Was aber, mein Freund,
haben Sie zu der Ehrenerklärung gesagt, die der
König von Baiern dem römischen Stuhl über seine
Staatsverfassung zu geben für gut befunden hat?
Wie wird man in Deutschland diesen Widerruf auf*
genommen haben? Wie die baierisehen Nichtkatbo-
liken^ die Entdeckung, dafs das Religions- Edikt blofe
fnr sie bindend sei? Und werden nicht die Qesaftd-
— 218 —
tCB des Frank&rter Furste u itar an s, wenn sie iai Be-
griff waren, ihren Fli^ endlicb zn ndwen, rat Er*
staumen stdien geliehen sein? Gerade die nene-
stm hier eii^etroffenen Nadiridiien Beisen ims die
baldige Ankunft j^ier Herren erwarten. Kommen wer-
den sie ja wohl; aber der liebenswürdige EmpCing
des ersten Ministers (Consalvi) wird ihnen die un-
günstige Stimmung des Hofes nicht lange yerhüllen.
Schon das Yerhaltnifs, worin Letzt^er zu dem ba-
dischen Hofe steht, versetzt sie in eine unbequeme
Stellung. Sie könnten vielleicht gar hier zusammen-
treffen mit 'der Bekanntmachung einer G^enschrift,
w.ovon seit längerer Zeit die Rede war, die^ auch
fotig sein mufs, aber immer noch das Licht nicht
sieht, so dafs Einige glauben, sie sei dem Nuntius
nach München zur Vertheilung mitgegeben worden.
Ich sehe bei alle dem die Möglichkeit nicht ein, da&
der Versuch, sich zu verstandigen, gelinge. Die Han-
noveraner, die unter den günstigsten Umständen ihr
Werk begannen, sind nach achtzehn Monaten nur
so weit gekommen, dafs sie vor Kurzem ihrer Re-
gierung diesseitige Anträge eingeschickt, welche sich
von den bisher geäufserten Grundsätzen und For-
derungen Jener noch sehr weit entfernen. Preufsen
fahrt fort zu temporisiren, und wird wohl am be-
sten wissen, wann Zeitgewinn anfängt das Gegen-
theil zu werden. Ja, der Augenblick scheint heran-
zunahen, seitdem der Staatskanzler Herrn Bartholdy
nach Aachen berief, um sich mit ihm^ wie er sich
in eigenhändiger Zeile ausdrückt, über mehrere Ge-
genstände zu besprechen; hierunter sind nun ohne
— 219 —
Zweifel die Verhältnisse mit Rom, das römische
System u. s. w. gemeint: Dinge, die Jener so
lange an Ort und Stelle beschaut, berochen, beta-
stet, kurz durch alle Sinne in sich gesogen hat
Herr Niebuhr seinerseits wird auch nicht vergeb-
lich $0 viel chiffirirt haben, oder durch die Herren
Brandis und Bunsen haben chiffiriren lassen (Letz-
terer, ein Philologe, der nach Asien reisen wollte,
sich aber unterwegs in Rom mit einer Engellande-
rin verheirathet hat, ist auf Herrn Niebuhr^s Vor-
schlag kürzlich zum Legationssecretair ernannt wor-
den, an Brandis Stelle, der, ehe er zu seiner Pro-
fessur nach Bonn abgeht, mit dem Professor Bekker
die Bibliotheken Italiens bereist, und sich jetzt zu
Monte Cassino befindet). Ich glaube nicht, dafs
diese gesandtschaftlichen Berichte die Hoffnung, hie-
selbst mehr als Andere auszurichten, verstärkt ha-
ben werden. Die natürlichste und vernünftigste Folge
von Allem wäre,, dafs der deutsche Verein sich da-
gegen durch den Beitritt von Preufsen und Hanno«
ver verstärkte, und alle nichtkatholischen Regierun-
gen Deutschlands gemeinschaftlich handelten.
Herr Niebuhr ist vor Kurzem Vater einer Toch-
ter, seines zweiten Kindesy geworden, und der Ge-
lehrte scheint, wie Jener beim Tasso, ein wenig
invilito
Negli affetii di padre e dt maritOf
wobei der Mensch und die Zufriedenheit eher ge*
winnen, als einbüfsen. Er lebt sehr zurückgezogen,
und die hier sich einstellenden Landsleute und ihre
Aufwartung sind für ihn mehr Gegenstände der Ehre
arift des Vergjiüga& Jetzt befinden sick dmmltt
flin Graf Magnis, Graf Scha^otecli, Toa Heymert,
Oiierbergraüi duurpmitier il s» w.
Die Fian ▼. Humboldt macbt keuo*!^ Anstalt
zani Abznfe, lebt aber muner meinr für skk. IKe
VefbaltuisBe ihres Mannes Imben sie sehr TersdnuBt;
anch leidet ihre €»esiindheit Ich möchte wksca, wie
maa ia Previsen oberbaupt die Eisachieboiig des Qot-
%m r. Bemstorf ansaht
Wir besitzen stets Frau Uerz osd Fraa Schle-
güi; jene eben so protestantisch, als diese katho-
Ksch« sich aber anter einem Dache Tcrtn^ead. Letz*
tBte habe ich zu£iUig noch nicht kennea lernen. Sie
iragen, ob Overbeck auch katholisch sei? Ja frei-
lich; seit mehreren Jahren und so beüs, dals man
schon einen Mönch und künftigen Heiligen in ihm
sah. Seine Selbstkasteiungen haben non eine an*
dere Gestalt angenommen; denn s^ einigoi Wo-
chen ist Fradleiu Hard seine Frau; aUerdings eine
schöne weibliche Erscheinung, nur, besorg* ich, an
Attsprikhe gewöhnt, deren Nichtbefinedigang sie drük«
ken wird. Sie leben einsam in einan sehr enll^e-
neu Theile der Stadt, und bewohne« ein Haus, wo
Orerbeck einige Zimmer mit Frescoinldem schnuik«
ken soll. Leider lohnt ihm diese Arbeit sehr we«
nig. Zu den Erzkatholiken gehören unter andern
die Herren Veit, Söhne der Frau Schlegel. Die
Bekehrung der hier ankommenden jungen Deutschen
machen sich noch immer mehrere fromme Personen
nr Pflicht. Als Gegenmittel hat Herr Niebuhr sich
Prediger Tom König aosgebeten, der ihn zu*
- 221 -
gesagt hat. Den Anlafs gab zunächst die Lage, in
der sich der Graf von Ingenheira hier befand, und
zu dem, als er sterbend lag, sich allerhand Bekeh-
rer zu schleichen versuchten, wiewohl ohne Erfolg;
doch über die Geschichte dieser Versuche ist dex
König sehr aufgebracht gewesen. Einen russischen
Legationssekretair, der nicht so gut bewacht war,
haben sie vor einiger Zeit auf seinem Todbette um-
garnt. Dafür ruht er nun in einer Kirche, statt bei
der Pyramide des Cestius.
Mich verlangt, ob Sie mir in Ihrem nächsten
Briefe die Frau Cruikshank aufführen werden, auf
die Sie mich vorbereitet haben. Ja wohl, warum
soll man's nicht immer aufs Neue versuchen? Die
selige Frau von Stael dachte auch so, und da sie
dem Geliebten nicht treu zu bleiben vermochte, blieb
sie es der Liebe, der zu Lieb die Geliebten denn
doch eigentlich nur da sind, und so war die eon-
9i€mce dans tanumr gefunden, dje sie nebst der du-
ree de CmdhovLsiasmey für die Bestandtheile der hoch»
sten Glückseligkeit auf Erden er klarte. Denen, die
ich liebe, gönne ich übrigens lieber, als ein sol*
ches Geschick, das, wenn auch nicht günstige,
Schicksal der guten Lulu, die wenigstens mit freiem
Blick zum Himmel aufschauen kann. Diesen Som*
mer schickte sie uns einen Empfohlenen zu, durch
welchen wir sie auffordern liefsen, sich selbst
uns zu bringen; seitdem aber hörten wir nichts
von ihr.
Gestern verliefs uns der König von Neapel, der
uns vierzehn Tage begluckt hat, uns manches Gala
Bacsaesmiic nut- ^
^ »<tlt«mc wr «• W« der Bm ii |i & die Sache
jjgjfM» Mwi fir an vwkniis; dafc« sich als
p^*K^I»«»f« b««nid»te nnd ab «oldie« afiiete. Zwar
4^ i/'ii »km »ftlUt das nkht sagen; nicht der Pro-
I^mH <^ KatboUken.
Fr. Angnst von Stägemann.
Geb. in Tierraden den 7. November ITGS,
gest. in Berlin den 17. December 1840.
Wie weit Du steigst, es endet doch: „Hier liegt,"
Und „Staub su Staub" beschliefst das sehSnste Lied.
Stägenunn an Dorow. 1836.
iiis wird gewifs noch sehr lange dauern, bis eine
erschöpfende und Zufriedenstellende Biographie von
Fr. Aug. von Stagemann erscheinen kann; die Dar*
Stellung seiner Wirksamkeit ist eine Geschichte der
Entwickelung der preufsischen Administration seit dem
Jahre 1804. Grofsentheils wurde er bei allen innem
Angelegenheiten des Staats zu Bathe gezogen; er be-
safs das Vertrauen der Staats -Ministers von Stein,
Fürst von Hardenberg und Graf von Lottum. Der
Abrifs seines Lebens und seiner Wirksamkeit er-
schien in den Berliner Zeitungen vom Februar 1835
bei Gelegenheit der Feier seines Jubiläums; seine Ne-
krologe, welche zum Theil jetzt in den öffentlichen
Blättern gelesen werden, sind unvollständig, mager
und dürftig. Es herrscht ein Zwiespalt darin; soll^
der Dichter, der Staatsmann oder isoU die liebens-
>
uirr*
aa. lesiiiasusESL oa. "^^smimiiijBr zsiseu. web:
«itfi<iv:r<«* *(
[Q? DEE- J'iüllk Ulli
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vir äcscB n äiBoiL Boa^ Seiir 112 jefesen;
Xumka^Gk Lsi üa. u idkänt ii der Bcvthei-
lamg der Kiies^esui^ gcschüden *>. Im V
9»'s: ^<icr Wie&er Konpti^"^ ki6t es Tom
Msum: **> rrE^cr Gciieöie Soacntk Sdigeauim eift*
*y Zur Ge«€liiekt««lbr«iiHM^ «b^ Utleraiw. HaailiBr^
tWi, H. 613 C
**) fl«okiriniigkefü^B and Teniscble Sckrifioi Toa K.
A. Vi>rffli«fMi T, £iiKe. Xe«e Fol^. 1. M. Iicifs« 1840.
pfing idi mit der traulichen Fröhlichkeit, welche deia
muthvoUen, freien, auf eigene Tüchtigkeit wie auf al-
les Beste der vaterländischen Ueberliefening. gegrün-
deten Manne bis in späte Tage glücklich verblieben'
ist Der Verein so entgegenstehender Eig^ischalten^
wie dichterischer Schwung und strenge Geschäftsver-
waltung sind, führt in Preuisen auf das Beispiel Frie-
drichs des Grofsen hinauf, und kann hier in der That -
schon als ein Hochponkt nationaler Eigenthümlich-
keit gelten. Die Poesie Stägemann's aber quoll ^äsr
ker und frischer, als die des Königs in seiner Zeit
und Sprache es vermochte. Er war den Heeren der
Verbündeten mit kühneu, waffenkräftigen Liedem^ge-
folgt, und hatte besonders die preufsischen Thaten
gefeiert, wie bis dahin noch kein Krieg dichterisch
begleitet worden. Dafs aus aller Last der Gescl^^
bei ihm die Muse sich frei empor rang, wufste man
wohl, und' der Gedanke lag nahe, ob, wie der Krieg,
nicht auch der Kongrds zu Gedichten Gelegenheit
sein würde? Doch Stägemann lächelte der Zumur
thung, und meinte, die Poesie: habe zwar d^. Fort
men viele, aber hier möchte schwer zu wählen utad
die rechte erst nadi der, welche der Gegenstand
selbst annehmen werde, zu finden sein.''
Durch die in den nachf ölenden Blattern, ge?
machten Mittheilungen sollen, allein nur Baust^ne
zu der künftigen Charakteristik des ausgezeichneten
Mannes beigebracht werden. Die Gedichte, gab mir
Stägemann zur freien Verfügung, wenn es von ihm
heifeen würde: „Staub zu Staub." Diese Gedidile
sind von Wichtigkeit zu seiner Benrtheilui^; sie
15
bekcwitnfd! Das KricpiKd diditetc
Wies im Detemher 1814, wie solckes. to»
Hand gesckneben, TodiaiideB iil: spiier liefii er
ei jedodi, ToDig nn^eandeit und kmmt mdm keu-
bar, ia den Uslorisdie» Erimerv^eB Seite 183 ak
in „Wien im Man 1815'' abgefidst, abdrackea. —
Voa „Unsere Zeit'^ findet sidi bier dn Abdivck
naeb dem Ton Stagemann znerst im Jabie 1820
niedergeKhiiebenen, nadi Konigdierg in Pkeo&en
an Karl GotlL Bock gesendeten Manoshript. Es
beridit flidi anf Fr. Sddegefs Verse: „Unsere Zeit'%
welche in der von Fr. Sdilegel herao^egebenen Zeit-
sebrift: Concordia Seite 71 stehen. Mit Äoslassnn-
gen nnd Umänderungen findet mau dieses Gediqht
glmchfalls in den ,,historisdien Erinnerungen &281.'*
«^ In einer Kirchenzeitong erschien eine harte Kri-
tik des „Berliner Musenalmanachs fiir das Jahr I830^\
und namentlich ward das Gedicht ^ ^Am Buistage^'
bitter getadelt; dasselbe war von einer Frau, weU
die unter dem Namen Karoline uns mit lebensfiri*
sehen, trefflichen Poesieen besch«ikt hat Stagemann
nahm sich der tief Gekränkten ah, und machte die
„Apologie der unbufsfertigen Karoline.'' Das Ge-
dicht „Zum 6. April 1838'' ist nur als Manuskript
sur Verthcilung bei einem Feste gedruckt^ welches
in Berlin zur Erinnerung desjenigen Tages gefeiert
wurde, an welchem vor sechszig Jahren Friedrich
der Grofse in den Krieg zog, um Baierns Selbst*
ständigkeit zu erhalten.
Der Briefe können jetzt leider nicht vide ge-
— 227 -
geben werden; ist der Inhalt auch gerade nicht be-
deutend, so lassen sie doch einen Blick in das In-
nere des Schreibers thun, geben eine Probe seiner
Schreibart, und w^den vielleicht Vemnlassung, auf-
merksam zu machen, damit die gewifs noch vielfach
zerstreut liegenden ßriefe des einflufsteiöhen Mannes
gesammelt und erhalten werden. Dieser wichtige Ge-
genstand sei der allgemeinsten Beachtung dringend
empfohlen. Der Brief a. bezieht sich auf das von
Yarnhagen van £ß$e verfafste Buch über Sachsens
Verhältnisse: Deutsche Ansicht der Vereinigung Sach-
sens mit Preufsen. lieipzig 1814. . (Stuttgart und
Tübingen, bei Cotta.) Der Brief c. ist historisch
von Wichtigkeit; ein Fac simile dieses merkwürdigen
Briefes erschien im dritten Hefte der von mir her-
ausgegebenen „Foc stmäe yon Handschriften berühm-
ter Männer und Frauen. Berlin, L. Sächse etc. 1837.
4." Herr v. Stägemann, der seine Absicht mit der
Herausgabe der ,,Acht lyrischen Gedicht« 2(ttr Er-
innerung an die Jahre 1830, 1831, 1832", so allge-
mein verkannt ^ah, die ^ bittersten Angriffe — am
heftigsten vom Grafen Aug. v. Platen-Hallermünde
*— deshalb öffentlich erdulden mufste mid darüber
sehr bekümmert war, sprach öfters, mit niir über
diesen Gegenstand, ergriff gern die durch Heraus-
gabe der Fap simUe sich darbietende Gelegenheit, ei-
nige Worte zum richtigen Verstandnifs dieser „Po-
len-Lieder'' öffentlich zu aagen^ und solurieb odr zu
diesem Behufe den hier mitgetheilten Brief.
15
- 228 -
Kriegeslied.
Wien im December 1814.
Es schläft sich süfs an süfser Bnist
Im schwanenseidnen Bett,
Und lieblich klingt von Lieb' und Lust
Irenens weich Sonnett.
Die Palme schmückt des Helden Haupt,
Die Kronen edler Olanz.
Und dich, mein Lied, auch dich umlaubt
C>*anenblauer Kranz?
Du g&rtest ab Dein muthig Schwert?
Du schniirst den Harnisch los?
Auf! wieder auf, mein Kriegsgefilhrt,
Von Mägdleins weichem Schoos.
Die Fahnen Brandenburgs, mein Lied,
Die schwinge noch einmal,
Und noch einmal« enümf Gemüth,
Krgreif den tapfiorn Stahl!
I^eun dort ein feiger Mammeluck
Und hier ein Jesuit —
Da« grinst uns an, weil un& ein Schmuck
Von Ehren reich umbläht:
Das hängt an unser Hochgesims
Peohkranxes' brennend Reis,
Und hetxt die Hund' auf uns, voll Grhnms,
Und mehr noch voll Geschreis:
\
— 229 —
Die Hunde Frankreichs, noch nicht heil
Von Wunden unsrer Jagd.
Auf, Kugelnblitz ^ auf, Lanzespfeil!
Die Hunde wollen Schlacht
Sie haben sie! Geschofs Apolls,
Verkünd' es durch die Gaun! .
Was sie geschürzt, das Eisen <soUs
Auf ihren Kopf zerhaun.
Auf, Brandenburgs iglorreidier Stamm!
Der Pommern starke Faust!
Auf, Preufsens Flut, die durch den Damm
Wie sturmgeflügelt braust!
Hie teutsches Schwert, und Freiheit hie!
Dort Frankreich und Tyrann!
Des Rheinbunds Ketten dort, und die
Erträjgt kein teutscher Mann!
•
Auf teutschen Thronen kein Satrap,
Dem freien Volk ein Fluch!
Und, spielend mit dem Fürstenstab,
Im Rathe kein Eunuch!
Besudle nicht die Lippen, Lied,
Mit Namen voller Schimpf!
Hinaus ins Feld, wo Lorbeer blüht,
Aus tückischem Gesümpf!
Und stehn wir nur auf uns gelehnt
Ein Felsenphalanx steht!
Heran, ihr Wölfe, goldgezähnt!
Vom Priester und Prophet!
- 2S0 —
Heran, von schmaobgefleokter Zucht,
Ihr Eber von dem Leohf
Und ihr, die Bwanzig Jahre Flocht
Nicht fromm gemadit, nur frech.
Es brennt die Welt! auf, w&lzt sie fort,
Die ungeheure Glut!
Den Fluchgedanken Brudermord
Erstickt in Bruderblut*
Ihr habt die Fackeln kühn getaucht
In Höllenflammen, kühn!
Wie Copenhagen ewig raucht,
Soll Friedrioh's Sitz euch glühn.
Ja, glühn — er wird es -— von der Glut^
Die sich in Toden löscht.
Und zischen wird's, wenn euer Blut
Des Moffdbrands Fackeln wäsdit .
Wir schreiten kühl, mit Blitzesstahl
Zerspaltend Helm und Schild!
Erkling', in Morgens goldnem Strahl,
Erklinge, Memnon's I^d.
- 2S1 -
Upsere Zelt.
An Friedrich Schlegel.
/
Siegeslied ist oft erklangen
Aus der gottergriffnen Brust
In den Gauen teütschef Zungen,
Unserm Volk zu Ruhm und Lust.
Denn, wo Gottes Geist gewaltet,
Hat sich Licht und" Lied entfaltet,
Gottes innen sich bewufst
Siegeslied wird oft noch klingen;
Denn die Zeit ist nicht vollbracht.
Uns zu Füfsen legt ihr Schlingen,
Um die Häupter webt ihr Nacht,
Und der Höllen alt Gepolter,
Sporn und Ritter, PfafF und Folter
Zieht herauf zu neuer Schlacht
* •
Ewig Recht zwar hat gesprochen,
Denn die Babel, ihren Hort,
s
Hat der Arm des Herrn zerbrochen.
Und der Zeit gewaltig Wort.
Längst verhallt aa frommer Stä4;e
Sind des Liederbuchs Gebete
Wider Papst und Türkenmord.
Dennoch haltet Wat^ht, ihr Hüter!
Denn des Drachen junge Brut
Schleicht umher, besprützt Gemüther,
Scheu nur vor der Geister Glut.
N
- 232 -
Doch den Funken zu erdrücken,
Haucht sie, wo sie athmet, Tücken,
Geifert, wo sie kreucht, nur Blut.
Haltet Wacht! denn Priesterfrevel
Ist unsterblichen Geschlechts,
Und noch heute glimmt der Schwefel
Für die Husse links und rechts.
Aus versunknen Marterkammern
Warnt uns noch der Unschuld Jammern,
Noch der Märtyrer Geächz.
HeH Dir, Königsburg der Preufsen!
Die den Söhnen Teuts erglänzt,
Wenn in Kämpfen, in den heifsen,
Palmenlaub die Schläfe kränzt.
Schwirrt um Deine goldnen Zinnen
Eulenflug der Nacht, und inndn
Wankt des Wahnes grau Gespenst?
Denkmal herrlicher Triumphe,
Nein! die Finsternifs entflieht,
Die, erzeugt in Isters Sumpfe,
Deine Stralenstirn umzieht!
Und den edlen Aar begleiten
Siegeskläng' aus neuen Saiten,
Wenn sein Antlitz sonnen glüht.
Heil und Leben Kaiser Franzen!
Seines Reichs Chinesen nur *)
Woir Er nicht zu uns verpflanzen.
Auszurotten Friedrichs Spur.
) Siehe: Coacordia S. 39&.
- 233 -
Adam Müller, Grenz und Werner,
Schlegel, Haller und so femer,
Blühet frisch auf Qestreichs Fliur!
Uns verkünde Du, o Wahrheit,
Was der Herr und Meister spricht!
Du entzünd', o Geistesklarheit,
Uns Dein evangelisch Licht!
Heldenthum, dess Spor nur klinget,
Weisheit, . die nur Messen singet,
Herr und Meister, gieb uns nicht!
Gieb uns, dafs wir froh vollbringen.
Was wir ernst durch Dich gedacht,
Wenn wir um den Morgen ringen
Mit dem Geist der alten Nacht!
Was wir glauben, lieben, hoffen,
Jeden Himmel gieb uns offen.
Heiter, hell, in Tages Tracht.
Apologie d^ imbassfertigen Karoline«
An ihren Bufsprediger in einer Kirchen-
Zeitung.
Du fällst, ein heiliger Verdreher
Der nassen Augen, auf Dein Knie,
Und dankst dem Gott der Pharisäer:
Dafs Du nicht worden bist wie sie;
- 234 —
Dafs Dich der Schweif des Widersachers
Noch heftig in den Nacken schlägt,
Indefs da* Arm des Weltbewachers
Sie unter Engelsfittig legt
Dich wäscht von angebornen Tücken
Der Bufse Schwefelbad. — Ach nein! —
Sie saugt des Lebens süfs Entzücken
Aus tausend Blumenkelchen ein.
Verfolgt von zornesrothen Blitzen
Stehst Du vor ewigem Gericht;
Herab auf sie von Sternensitzen
Glänzt Hur d^ Gnade Angesicht
Wenn Du den Holzstofs anzuzünden,
Die Flammenzunge gierig leckst.
Den Purpur mit den stummen. Sünden
Des Ohrenbläsers frech befleckst^
Dann, ihre Brust voll Nachtigallen,
Wallt sie durch Lenzes Blüthenhaiu,
Und tritt in ihres Friedens Hallen,
In ihres Himmels Wonnen ein.
Unlieilig^ Geschlecht der Juttiger
Des Loyola! wie wohl ihr schlecht
Euch evangelisch nennt; die Ringer
Der Wahrheit sind nur Licht und Recht.
Ihr leuchtet -^ mit der Feucfplage
Des tiefsten H/&Uflnpfiihls. Ihr sprecht
Dem Sünder joiil der scharfen Frage :
Der Teufelskrallen ewig Recht
— 295 —
Du aber samtnF uiw^ Karoline,
Von Blumen, roth und weiüs und Uau,
Wie mit der Kunst der süCsen Biene,
Des zarten Liedes reinen Thau, -
Und steig' hinauf 2ur Frühlingsfder
Aus dumpfen Wänden, drin es stockt,
Steig' auf zu dem, dem Dein^ Leier
Anbetendes Idyll frohlockt!
Zum 6. April 1838«
Sechszig Jahre sind's, ihr Baiern,
Seit der Held sein Schw^ geeückt,
Seit der Brennen* Aar den Geiern
Ihren frechen Raub entrückt.
Werdet ihr's in Tempeln feiern? .
Habt ihr euch ssum Fest geschmückt?
*
Jene Tage sind entflohen,
Und der Mönch mit frevler -Hand
Wirft des Hasses düstre Lohen
An des Rheins Gut-Edel- Wand;
Und ein Nacht -Rab auf dem hohen ■
Isar*Thurm dmrebheidt das Land.
Mönche, wegt weg, Undankbisire,
Die des Unheils Saaten streun.
Und der Zwietracht Schlang' im^ Haare,
Weit umher Verderben dräun.
Um den Kauqtf der drei&ig Jahre,
und den Tilly n ernenn! *)
Wir^ ein«Bnid«T(^ Yerbonden
Um Altar nnd Thron gereiht,
Palm^ um das -Schwert gewunden.
Denken freudig jener Z^t.
Nicht verweht im Flug der Stunden,
Heilst ihr Nam' „Unsterblichkeit!
r»
Seht! Yom goldnen Sternen -Saale
Neigt ein Schatten, hddenacht.
Sich herab zu unserm Thale,
Friedes^nend s^ Geschlecht,
S^nend mit dem Sonnenstrahle
Seines Schildes: Licht und Recht
Sanmielt euch um Friedrich's Manen,
Söhne Preufsens, fort und fort!
Hört das Rauschen seiner Fahnen,
Hört des Königs ernstes Wort!
Um den Thron der Helden -Ahnen
Sammelt euch, um euren Hpil!
Und vor Allem au^erüstef
Mit des Lichts Geschossen seid
Wider den, der antichristet,
Diesen finstem Gast der Zeit!
*) Siehe ilisoiulerbeit die Würzburger Zeitung« wider
welche die Bundesverhältnisse vergeblich au%erufen sind.
— 237 -
Wehe, wenn ihr, überiistet,
Ihm die Waffen streckt im Streit!
Niemals! sehallt herab yom Throne
Zu des Volks bewegtem Chor.
Niemals! schallt mit Siegertone
Tausendstimmig Thron ^ empor,
Frei vom Geisteswahn, vom Frofane
Fabcher Sazong, wie zuvor.
Schwebe von der Saar zur Dange,
Liedes -Fittig, ausgespannt! >
Friedrich's Heldenhaus empfange
Seiner Treuen* Herz und Hand.
Ruft es bei Posaunenklange!
Wiederhall' es, Vaterland!
An in Dresden.
Wien, den 16. December 1814
Der IJJerr Staatskanzler hat verschiedene Schrif-
ten verfassen lassen, die sächsischen Angelegenheiten
betreffend, unter andern eine mit dem beigefügten
Titel, die Herr Cotta aus Tübingen, der sich hier
aufhalt, verlegt und in Leipzig drucken l&lst. Er
findet aber bedfwklich, weil er an wörlembergischer
Unterthan bC, sanol ^^UBBen diza het zu g eb en, and
nach Leipziger Censorgesetzen ist in solchem Fall
eine besondere Eriaubnils sowohl zun Drucke als
zum Verkauf erforderlich. Es ist heute nicht mög-
lich, den Herrn Staatskanzler mit d&r Sache za be-
helligen: ich erlaidie piir daher ganz ergebenst, Sie
um ge&llige Besorgung des Imprimatur firenndsdiaft-
liehst zu ersuchen, mid fuge zugleich den Brief von
Cotta an Kummer in Leipzig bei. «
Wir sind jetzt in einer Krisis. Man giebt aber
gegenseitig nach und die Sache wird sich hoffentlich
bald enden.
Die Schmähschrift Sachsen und Pre«ilsen soll
ja Sartorius aus Göttingen verfEUst haben. Er war
noch vor Kurzem hier.
Ich empfehle mich Ihnen auf das Ergebenste
Stftseinaiiii.
b.
An den Kriminal-Direktor Dr. Hitzig*)
in Berlin.
>
Berlin, den 10. November 1S25.
Schulz hat mir von Ihretwegen, verehrungswür-
diger Freund, die Anlage gegeben, an der ich je-
doch nichts weiter zu ändern gewufst, als dafs ich
nüch, der Wahrheit gemäfs, zwei Monate jünger ge-
macht habe. Ich bin übrigens der Meinung gewe-
*) Hitzig gab damals „das gelfbrte B^iiHn'' hcitaiis.
- 239 -
sen, dafs ich in ein Gelehrtes Berlin gar nicht ge-
höre, da ich in die Musen -Almanache ganz zufällig
ohne mein Wissen durch die Güte einiger Freunde
gekomtnen bin, Yind hoffentlich kein Mensch diese '
Verse gelesen hat W^en der Kriegsgesänge bin
ich zweifelhafter. Mein Hauptbedenken ist jedoch,
dafs ich für einen Gelehrten, wenn gleich nur für
einen gelehrten Berliner, gelten soll, während nn*
8ere erhabensten Staatsmänner, deren Weisheit doch
wesentlich auch Geldirsamkeit ^ein sollte, in dem
Verzeichnifs fehlen werden. Was die am Schlufs be-
rührte Staatszeitung betrifift, so scheint nur das, was
mich angeht, in einen mich betreffenden Artikd zu
gehören, und den Verfasser Ton Tornister -Lieschen
würde es mit Recht verletzen, wenn er, der so Vie»-
les geschrieben, neben Jemand genannt würde, der
so wenig Gedrucktes geschrieben ; Geschriebenes frei-
lich mehr.
Könnte mich in Bezug auf die Kriegsgesänge
nicht das Factum heraushelfen, nämlich aus dem ge-
lehrten Berlin, dafs ich sämmtliche Exemplare bei^
der Auflagen, da ich sie auf eigene Kosten drucked
lassen, an mich genommen und vernichtet habe?
Doch salvo neUaru
Unter Versicherung der freundsohaftliehgtea
Hochachtung mich angelegentlich empfehlend.
• 1 . .; ■ . f ' ; J I r ;
— 240 —
An Dr. Dorow in Berlin.
Berlin, den 10. April 1832.
Da& ich Ihrer Bedenken g^en meine pohlischen
Änti-Messeniennen gewärtig gewesen bin, theuerster
Freund, haben Sie schon in meinem Vorworte gele-
sen. Die Unternehmung eines unterdrückten Volks,
seine Fesseln gewaltsam zu lösen, wird überall und
zu sdlen Zeiten die Gemüther bewegen und die Dich-
ter zu Gesangen entflammen. Ich habe in frühen
Tagen die Araukaner besungen. Aber von dieser
edlen Art ist die deutsche Theilnahme an der Sa-
che der Polen nicht; man müfste die Augen absicht-
lich yerschlidsen, um nicht gewahr zu werden, dafs
unsere sogenannten Notabilitaten, zu deutsch Ober-
flachlichkd.ten , nur die Triuq[^phe verkündigten, die
sie über die vaterlandischen Regierungen zu feiern
erwarteten. Diesen Triumphen, nicht den Nieder-
lagen der Polen habe ich mein Pereat gebracht.
Mit den Polen, die mir nichts zu Leide gethan ha-
ben, bin ich schon durch meine Frau befreundet,
deren Vater in Kowno geboren war und in Mohilew
begraben liegt; auch hat mich der Warschauer Auf-
ruhr nur im ersten Moment erschreckt, weil den In-
surgenten eine russisch -disciplinirte Armee zu Ge-
bote stand, mit der sie die altpolnischen Provinzen
Ruislands in Bewegung bringen und einen allgemei-
nen, unheilvollen Krieg herbeiführen konnten; da
man sich jedoch hierüber bald beruhigen durfte, der
wohlbekannte Reichstag die Geschäfte übernahm und
- 241 -
die Verheifsungen der repiiblikanischen Faction in
Paris sich auf ein Charivari beschrankten, was di&
2ieitongsschreiber den Russen und Preoisen brach*,
ten, so war eine frühe Beseitigni^ des ganzen liams
keinen Augenblick zu bezweifeln. Ein Vaterland
übrigens, ct0us rei ianta esi vis^ ac tanta natura, vi
Itfyxcam iUam, in asperrimis saaculis, ianquam fddum^
affixam, sapienti8smmvh'imm(nialiiaH(mt^(merei, ha*
ben wir doch auch, wie die Polen, und soll Eins von
Beiden untergehen, darf es doch vergönnt sein, für
das unsere zu kämpfen und zu dichten. Nächstens
mehr und mich angelegentlich empfehlend.
TiOusTims.
An denselben in Königsberg in Pr.
Berlin, den 9. März 1835.
Mein liebster Dorow!
Prosit das neue Jahr, und nun, wie Buohholz
sagt, zur Sache:
Die Cottaschen Papiere, habe ich erhalten, und
werde d^von weitem Gebrauch machen. A. v. H.
beharrt darauf Herrn v. Cotta einen Orden zu ver-
schaffen. Da der König auf den Antrag der Minister
die Verleihung versagt hat, so mufs noch ein anderer
Weg gefunden werden. Die Versagung Sr. Majestät
basirte sich auf der Allgemeinen Zeitung, und auf ei-
nem, wie mir geschienen, nicht ganz richtigen Grunde^
wenigstens ein^n für Herrn von Cotta unschuldigen
Grunde. Mein mir unerwartetes Jubiläum hat mich
16
— 242 -
in grote Privatf erwimmg gebndit, da es mir ganze
Tagei, ich nochie sagen WocImo, von meinen Dienst-
arbeiten entzogen hat, und noch lange bin ich nicht
mit meinen Gegenbesnchen nnd Danksagnngsschrei-
ben für empfimgene Gratulationen fertig. In der That
bat mich der Antheil des Publikums an der von mdi-
nm Freunden mir bereiteten Gunst und Ehre über-
rascht, da Ton meinen amtlichen Miihen dodi nur
meine Begistratoren und Kanzellist^i genaue Kennt-
nils erhalten* Dais ich bei den vielen Schmause-
reien, die noch nicht ein Ende nehmen *— heute
Mittag hat mich der Jubelgreis, Montagsklub ge-
nannt, ungeladen — bei Kräften geblieben, ist ein
Wunder. Der König, dem meine Klagen über das
viele Stehen bei den Besuchen und Einladungen der
Prinzen zu Ohren gekommen, hatte mir befohlen, mit
einem Stocke zu ihm zu kommen, wovon ich aber,
da wegen seiner Krankheit die Einladung sich verspä-
tete, keinen Gebrauch gemacht, habe. Wahrschein-
hck ist Ihnen mein Bild, von Herrn vrKlober ge-
malt, zu Gesicht gekommen. Die Sitzungen vor
Herrn v. Klöber und vor Bauch (wegen der Bü-
ste) kamen mir auch höchst ungelegen, die Lange-
weile ungerechnet Die Damen, die meiner Lange-
weile Gesellschiift leisteten, versichern, ich sei zu
alt im Bilde, obwohl ich doch wirklich über sieb-
aig bin.
Die junge liebenswürdige Frau des Bibliothek-
kttstos Stieglitz hat sich einen Dolch ins Herz ge-
stofseti, um ihrem Manne die entflohene Gemüths-
mhe für seine poetischen Erzeugnisse, deretwegen
- 243 -.
er schon einen zweijährigen Urlaub erhalten hat, wie-
der zu geben. Irgendwo hat es ihr auch gefehlt
• Herr Professor Gerhard ist als Archäolog bei
dem Museum angestellt und zugleich der artistischen
Gommission beig^eben, die nun auf acht Bädern
fährt. ^Graf Brühl hat einen Balsam auf die Wunde
erhalten, die ihm durch die artistische Commisston
geschlagen ist.
Wenn Sie Gelegenheit haben, mit einem dorti-
gen Magistratsmitgliede bekannt zu werden, oder es
schon sind, so haben Sie doch die Güte, aus der
Magistrats •B.egistratur mir eine Abschrift des Ge-
didits zu verschaffen, was ich im Anfange de9 Jali^
res 1808 auf ^e Zurückkunft des Königs und d^
Königin nach Königsberg im Namen der Stadt Kö*
nigsberg verfertigte. Ich besitze. kein Exemplar da-
von, und obwohl es kdnen besondern poetischen
Werth hat, so. wünschte ich es doch zu haben. Viel-
leicht ist ein Exemplar übrig.
Meine Frau, in deren Zustand sich wesentUdi
nichts verändert hat, läfst tausendmal grülsen« Mit
scheint, dafs'sie jetzt schmerzloser ist, aber dais ihre
Unruhe mit der Abnahme der Schmerzen wächst.
Empfehlen Sie mich freundschafdichst Ihrer Frau
Mutter und Schwester.
Totus Taus
16*
— 244 —
An denselben in Berlin.
Berlin, den 4. September 1^40.
Mit dem verbindlichsten Danke, verehrtester
Freund, sende ich Ihnen die Anlage zoryck^). Al-
l^ings ist die Setorilitat in dieser Abschr^ sehr
gemildert, indeis doch nicht w^zawischen.
Dais Herr v. Schön in den Grafenstand werde
erhoben werden, ist unwahrscheinlich, weil er es in
seiner nur beschrankten pecuniaren Lage nicht wohl
wünschen kann, und ihm eine Grafschaft zur Dota-
tion zu verleihen, kein genügender Anlais ist Herr
Y. Hülsen auf Wiese, will ich nicht bezweifeln. Viel-
Idcht die Herren v. Brüneck, die wenigstens zu den
bei wdtem wohlhabenderen Ghitsbesitzem gehören,
wie zu den ältesten Familien des Landes.
Sehr wohl gefallen hat mir die Beschreibung
des Königlichen Einzuges, die aus einer Privatcor-
respondenz in der Vossischen Zeitung von gestern
steht Doch bezi^eifle ich, dais die Kränze von
Georginen den weiisen Mädchen wohl gestanden
haben; die jungen Patrizierinnen müssen denn ko-
lossale Gestalten gewefien sein.
Mich herzlich empfehlend
Stfti^ciiiaiiii«
*) Cretreve Nachschrift der AenfseruDgen, welche Pro-
fessor Dr. Schdnlein in seinen klinischen Vorlesungen über
die Jnden und mehrere hiesige Aerzte gemacht hatte. —
Herr Ton Stägemann ersuchte mich um deren Mittheilung,
da er bereits so viel Lügenhaftes darüber gehört habe.
I
Ludwig Im KSnig von Baiern.
In unsrer Zeit, die mit wahrhafter Freigebigkeit be-
flissen ist, die Versäumnifs einer früheren dadurch
gut zu machen, dafs sie durch Denkmale und Stif-
tungen das Andenken grofser und berühmter Man- _
ner ehrt; in unsrer Zeit, die, wie keine andere, et
sich angelegen sein läfst, in Nekrologen und Bio«
graphieen ehrend derjenigen zu gedenken, welche
durch ihre Stellung im Leben und ihre Wirksaln-
keit auch nur einigermaßen bedeutbnd geworden
waren; in dieser Zeit erhielt ein Dahingeschiede*
ner, der wahrlich! durch Stellung, und Wirksamkeit,
durch geistige Fähigkeit und persönliche Liebenswür-
digkeit ausgezeichneter dagestanden , als sehr Viele
der durch alle Zeitblätter gefeierten, erhielt ein sol-
cher Mann auch nicht ein Wort des Nachrufs, das
geeignet gewesen sein möchte, ihii in dem ehren-
den Andenken der emporwachsenden Zeitgenossen
zu fixiren oder dem der künftigen Gleschlechter zu
empfehlen! — ' Kein Anderer ist gemeint, als der
Tor einigen Jähren verstorbene Job von Witzleben,
— 246 —
General -Lieutenant, Kriegsminister und General -Ad-
jutant Sr. Majestät Friedrich Wilhelm III.
Es mag allerdings eine Aufgabe von ganz ei-
genthümlicher Schwierigkeit gewesen sein, über das
Leben dieses Mannes und seine Wirksamkeit etwas
Geeignetes und Würdiges zu sagen; über eine Wirk-
samkeit , die in so inniger Beziehung und Wechsel-
wirkung mit der Wirksamkeit seines Königlichen
Herrn stand, dals eine die andere ergänzte; eine
Wirksamkeit, die sich in mannigfacher Richtung als
Organ seines Königlichen Gebieters, sowohl im In-
nern Organismus dei^ Staats als in den nach au&en
hin gerichteten Beziehungen desselben, geltend ge-
macht hatte. Nichts desto weniger blieb es &ne
unärläisliche^ eine heilige Pflicht derjenigen, die mit
Fähigkeit und Mitteln -dazu ausgestattet waren, an
eine Würdigung dieser Wirksamkeit sich zu wagen,
selbst miter diesen erschwerenden Umständen und
selbst innerhalb etwa gebotener enger Grenzen. Lei-
der ist dies aber nicht geschehen , und wie unsere
Zeit die längstvergang^e der Versäumnifs und Un-
gerechtigkeit g^en ihre bedeutenden Manner zu be-
schuldigt sich berufen fühlt, wird die kommende
mit demselben vollen Rechte uns anzuklagen Veran-
Ih^sung elrhalten. Dann wird auch Job von Witz-
leben seine Würdigung finden! denn seinem Cha-
rakter, . sdtier Stellung, seiner Wirksamkeit nach,
von der hier nur eine sdiwache Andeutung g^e-
ben, ist er ein Mann der Geschichte, und künftige
Historiographen der Regenten -Wirksamkeit unseres
daUng^chiedmen Helden ^Königs, Friedrieh Wil*-
- 247 —
heltn IIL, werden und müssen seiner gedenken,
wollen sie treu und wahr den Königliäien Herrn
schildern. . !ü
Damit sie aber solches aueb einstens zu thun
vermögen, bleibt solchen Zeitgenossen, deren Beruf
es nicht w«r, in T<»^edachter Beziehung ihre Feder
dem hier genannten Entschlafenen zu weihen, «s als
unerläfsliche , heilige Pflicht auferlegt, jeglicheä JDo-
kument über Witzleben's Wirksamkeit und deren An*
erkenuung beizubringen, und als Material ßar die Ge-
schichte zu T^öffisntlichen. .Indem dringend dazu
aufgefordert wird, und zu diesem Zweck schon. im
vierten Bande der „Denkschriften und Briefe" ein
d«a Verfasser vrie den Empfänger gleich ehrendes
Schreiben bereits mitgetheilt worden, möge hier ein
ähnliches von des Königs Ludwig von Baiern Ma-
jestät an den General v. Witzleben folgen, um so
wichtiger, da der König auch zugleich klar und un-
umwunden die gewifs nie genug zu beherzigende
Wahrheit ausspricht: „Nur in ein festes Halten
an Preufsen sehe ich Teutschlands Heil und
diese Ansicht ist mir nicht neu.''
An den General v. Witzleben in Berlin.
München, den 7. Mai 1831.
Herr General, bekannt, rühmlich bekannt sind
Sie mir (obgleich nicht von Angesicht), denn ich
kenne, was Sie im Kriege und Frieden geleistet ha-
ben, weifs: wie teutsch Ihre Gesinnung ist, welchen
- 248 -
Werth Sie darauf legen, Preu&en und Baiern ver-
eint zu sehen. Ihnen dieses schriftlich zu äufsern,
kann ich mir nicht versagen. General Rühl wird
diesen Brief überbringen, dessen Sendung mit leb-
liofter Freude mich durchdrang, Mrie dafs ich ihn
von den eben genannfen Gesinnungen gleichfalls er-
füllt gefunden habe. Nur in ein festes Halten an
Preulsen sehe ich Teutschlands Heil und diese An-
sicht ist mir nicht neu, Willkommen ist mir gegen-
wartige Gelegenheit, mit Wärme ergreife ich sie, um
die Gefühle welche Sie mir einflöisten auszudrük-
ken, mit denen ich bin
•^- Herr General
der Ihnen wohlbeigethane
Karl, Freiherr Tom Stein.
Geb. in Nassau an der Lahn den 25. Octöber 1757,
gest. ebendaselbst den 29. Juli 1831.
xlaben wir mit Widerwillen die Briefauszüge in der
so eben erschienenen Lebensbeschreibung des Mini-
sters yom Stein *) gelesen, worin der verstorbene
Fürst von Hardenberg gemüSshandelt wird und die
zur Ehre des Schreibers um so mehr hätten unt^-
drückt werden sollen, als wir oft Augenzeuge wa-
ren von der Courtoisie und einer ungehörigen dienst-
beflissenen Ergebenheit, welche ^^r Freiherr vom
Stein gegen den Staatskanzler ~ als dieser lebte
und Wünsche befriedigen konnte — ausübte, so
mögen hier zwei Briefe desselben aus meiner Samm-
lung folgen, welche mis dagegen wohlthuend an*
sprechen und einen Blick in das religiöse Gefühl
des kraftigen Mannes thun lassen. Um so in-
teressanter sind diese Briefe, als solche Ergieisun-
gen dar Frömmigkeit in den bis jetzt bekannt ge-
*) Leben des KÖnigl. Preufs. Staats -Ministers Fr^-
herrn vom und zum Stein. Ein Denkmal. 2 Tboile.' Leip-
zig 1841. .;
^VDTBBBC *^"^— >'i OBr »^iwfn VIHI. ^"^iT^B- -^*»*'^) "W-
Ml JL. .^rL IttUL
JtBBL
%:» mr^r.:^ ^am -^(mw, ml. mt Im vds Ckn-
-voui jut ine l3%;!igr mt <i
swm^n J1U1&. lUii xesc ^^ ttat inoei: se in. ioi Ckor
■iiiiL Eraäsr uui SsiLNpesasa mmL
- 251 -
essant; ich danke Ihnen dafür^ und adiicke Uin^
sub lege süentü ei remissioms Abschrift dines BrirffM
von Alexander Humboldt.
Kommen Sie zu mir nach Nassau — ich lasse
Sie mit einer Warst und meinen Pferden in Schwal-
baoh abholen.
Leben Sie wohl, und finden Sie Trost , und
Hülfe bei dem, auf dem alle unsere Hoffnungen ge-
gründet sind.
Ich kann um sieben Uhr in Höchst sein«
Stelvu
An Theodor Mülhens in Frankfurt a. M.
Cappenber^ den 13. März 1826«
An dem traurigen Ereignis, dessen E\y. Hoch-
wohlgeboren in Ihrem Schreiben vom 9. c. erwäh-
nen, nehme ich den lebhaftesten Antheil; das Hin-
scheiden eines jungen braven Mannes, eines glück-
lichen Gatten und Vaters ist für die zurückgeblie-
benen, selbst entfernten Freunde sehr erschütternd.
Sie finden nur Trost in dem schönen liebenswiirdi-
gen Enkel, in dem übrig gebliebenen Sohn, und in
dem Gedanken, einst wieder mit dem, der Ihnen
vorangegangen, sich auf immer vereinigt zu sehen.
Auch von meinen Freunden haben mich im
Laufe eines Jahres mehrere verlassen; ein junger
dreüsigjähriger Mann, Adolph Wallmoden, dessen
ich mich lebhaft erinnere, wie seine Mutter ihn
Anno 94, den Neugebornen, dem aus dem Nieder-
ak jvnGs IxtKOiswurB^ BranC ▼or
Dier Tod 4»
an. um ^™^h
Besdtäaer — ofca? An wie
■ a rhBiHHe t. geneckt worden. k& sebe lagfidh den
Baooi, der mieh irom &ab trenne
idie Bohe, Einsamkeit, and sad»e
wimt mö^ebst zm TeremfiKiicn od
— gf fMihiufff Uo du t htung and
GenaUin zn empfehlen,
Ew. BockwnUgdboicn
Veriäh-
Bitte, Bidi
behsie idi
Denkschriften.
Betrachtnngfn
über
die Vereinigung
4er Intlierisclieii nnd reformirten Kirclie.
Rhein -Mosel -Departement. 1801.
JDcr Unterpräfekt des Bezirks Simmern (Rhein- und
Mosel -Departement) Vanrecum — ein sehr ausge-
zeichneter Administrator — erliefs unter dem 6. Fri*
maire 10. Jahres der französischen Republik (28. No-
vember 1801) unter No. 4353. einen gedruckten Be-
schlufs über die Verhältnisse der lutherischen und
reformirten Volkslehrer, indem gewichtige Klagen vor-
gebracht waren, dafs vor dem Krieg, in Ansehung
ihres Kultus, eine den guten Sitten und der Ruhe
des Staates angemessene Ordnung bestanden habe^
welche seit der Vereinigung des linken Rheinufers
mit der Republik nicht mehr bestehe.
Diese gedruckte Verfügung ward allgemein in
dem Departement vertbeilt, und veranlafste, dafs das
protestantische Konsistorium an Jean Bon St. Andre
den unter a. hier mitgetheilten Beridit machte. Die^
«., »
Tlt
«M. ^ift
^ir-r-v^i v;r.
üf? Ja
«i«C kf
ftHTlfa« et li pO-
%
- 257 -
lice da culte, tels qu'ils etaient etablis avant la
guerre, eprouverent egakment un choc, qui contri«
bua sur toat ä augmrater le grand mal, principa-
lement dans oet arrondissement, dont les habitans
läont en plus part du culte Protestant (oomptant
80. paroisses).
Sous le r^ime des anciens souvarains TegUse
protestante se trouva sous la survdllanoe et la di-
rection d'autant de consistoires ou conseils eccle«
siastiques, qu'il y avoit de divers souverains qui
avoient leur residence sur la rive droite avec les-
quels la communication deyoit necessairement cesser
pendant la guerre.
Les ministres du culte, mis hors de communi-
cation avec les dits consistoires, se trouvoient iso-
les, abandonnes ä eux memes, sans union, ce qui
cntraina peu ä peu une anarchie funeste dans l'egUse
protestante, et prodnisit une infiuence trop marquante
et prejudideuse sur le» moeurs des habitans de cet
arrondiss^nent, pour que nous ne dussions atten-
dre de notre Sous-Prefet et Citoyen Yanrecum, connu
par son desinteressement et sa ss^e administration
qui lui ont merite a tout egard Tamour et Testime
de tous ses admini§tres, des moyens pour y re-
medier.
n a plus que rq>ondu ä notre attente par son
arrete du 6. Frimaire demier, dont nous avons l'hon-
neur de vous transmettre d-joint un exemplaire.
Nous ne doutons pas, Citoyen Commissaire, que
cet arrete, absolument con^u dans Fesprit du gou-
vernement, qui organise notre -conseil ecclesiastique
17
pur
TCKre agreoMSt ec
Ell e%atamt Fcanifaitioii, toos doMMriez le Si-
gnal poor la mmiofi en gen^ral de oes deax ciil-
tes, et Im premi^fre dcaiarche ^taiit fidte^ mocu ganui*
liMone^ qii'il Votii sern fädle de parvenir ä im büt
que de grandös paissanoes d^Europe^ et de pai*
■ibki perei d'egliae oiit en vain ikobiu d'(
- 259 ~
Alors les habitane d'une m^me commune qui ne
sout separes que par la difference des cultes ne
prieroient leur pere universel que dans üne fieule
et meme eglise, ce qui prpfitetoit infiniment ä Fetal
relativement k Fentretien du culte et de ses mi*
nistres.
En' appuyant nos tueB^ qui sont celles de tou»
les hommes eclaires, le siede präsent Yous regar-
deroit comme son bienfaiteur et votre nom, qui bril-
leroit dans les annales de Phistoire äcclesiastique, ne
seroit lü qu'avec admirationi
Noi|s avons Thonneur de Vons saluer avec le
plus profond respect
J. P. iure«« F. SiiMOii*
H. PolUcb. K. £bert«.
b.
Observations
snr la r^union
des deux sectes du Culte Protestant.
Ce qu'on appelle Protestans, se divise en dmx
sectes: les Lutheriens et les Calvinistes on Btformes.
Cest principalemeut au stijet de la Oommtinion
qu'ils 6ont ^esunis, sur les dogmes de la foi, Topi-
nion des Lnth^iens a cet ^ard se rapproohe de
Celle des Catholiques; ceux-ci croyent qu'au mo«
ment oü . le prtoe öletant Fhostie prononce les
paroles sacramentales, la substance de l'hastie se
dange et deriost le vrai corps de Jesus -CSirist
17*
ipae4r Je-
de fa
jDsm x''£8BC um js fvmdik: iL carj^ et di smg, de
^maoBcit le ■bbbk sivr k
fks «i« BoiBs de soplosaMs
et de abd». seka le pie €« ie boos dUbi-
Ces secies iTii^irfiiM h ■wnni sv la pcrsouBe
de XsK-GlEBt ei siv li vemaiom des deox natoies.
Lei Laiibexats ccdbürot dans le l^c^^e siede
la Hill p"^«g*TKT de la KOre hniine de Jesus*
Clrast (ohtqnif») poor deBOSlrer q«!! etüt pos-
sUe qaä la coi»cnixMi de fko^ie la dhinite de
pm etre leelleBeBt pröenKL D'antzes
moias rigoiBeiix trovrerent dmlies Blo-
press pofv fsdre Taloir lear sysime stts s'attadier
ä la toote poumioe (olHqiDlaB).
Cei objet a dönae liea a des dispotes et des
dJa s cfrtio as friroles et absurdes qoi out cotäSmue avec
iriolence dq>iiis Voögtiie de oes deux sectes josipi'a
nos jonrs«
Dans le 16«« siecle les prinoes de rAUemagne
s'assemblerent souvent poar operer one reunion en-
tre les cultes; ils y attachaient saas doute one tres
— 261 —
grande jmportance, parceque ces vaines disputes
avaient une influence considerable 8ur la tranquillite
de leur pays, peut-etre aussi que leur attaohement
particulier ä leur opinion y entrait pour beaücoup.
Le plul( renomme de ces congr^s, nommes col*
loquia, se tint ä Marbourg, oü Ton vit brill^
ZwinglL
Toutes ces t^^tives pour panrenir ä la reu-
nion des deux sectes resterent toujours sans succes.
Enfin en Fan 1580 la fameuse formula concor-
diae signee a Torgau par les Theologiens de la
Saxe, oper^ une Separation totale entre les dejux
sectes. ' Ces formules forment le livre symbolique
des Lutheriens qui croient ä son in&Uibilete comme
les catholiques oroient ä Celle du pape. Le mal-
heureux. chancelier de Grell ä Dresde, perdit la
vie par ce qu'il Alt soupgonn^ de ne point croire
aux articles de foi etablis par le formulaire.
Des ce moment les deux sectes furent absolu-
ment separees, et eurent chacune a part leurs egli-
ses, leurs ministres, leurs ecoles etc. Geux qui
resterent fideles ä la doctrine de Luther, conserve-
rent le nom de Lutheriens en y ajoiltant l'epithete
eyangelique, voulant dire que les articles de leur
foi etaient conformes a Fesprit de Fevangile.
Les autres qui suivirent la doctrine de Calvin,
s'appel^rent Calvinistes, en y ajoutant le mot: re-
form es dans le sens que Calvin avait purifie et re-
forme, la doctrine de Luther. L'une et Fautre de
ces deux sectes ayant proteste contre plusieurs points
ple «Mit (fesr poiff' ia Ranoa. Tooks ces
applaamat ck nos jo«n et sanooi p«r h
de A09 cootm» svec la i«{NiUiq«e.
Cette comdevatkMi et ceOe qoe la p h |ml des
IttbiUBs de MOB arronditaffit pffofiesooil le colte
pfoCefUot, me detcnünerefit ä iiiTker a me fcvmou
Im inspedetirs de» deox cukes.
Je dontai« d'aotaat moms da succes, que ces
ingpectettr» sont des bomnies eeiaires, que je con-
Hgi^dflj^ depuis 15 ans, avec lesquels j'elais memo
- 208 -
en, relatioD, qui avaient en outre tres souvent mani-
feste le desir de se reunir,* et jEwt ä cet effet 1^
demarches preparatoires, par exemple, a Creutznach,
le ministre du culte reforme, en l'absence de celui
du culte Lutherien fait Toffice de ce dernier et re-
ciproquemoit ä Simmern sous Dhann, les Lutheriens
pour q)argaer les fraix d'entretien du mipistre vpnt
ä Feglise des reformes.
J'invitais les ci-devant inspecteurs des deux cul-
tes de reprendre leurs fonctions et a surveiller la
police Interieure du culte, afin d^eloigner pour fave-
nir des places de ministres IMgnorance et rimjno-
ralite, qui pendant la guerre ont sü s^ glisser par
rintrigue et d'autres moyens. Je les inyitais aussi,
afin de retablir Fordre ecdesiastique, a r^oiplacef
leurs consistoires qui se trouvent sur la rive droite.
Cette mesure de police etait d'autant plus ur^
gente que les communes ayant la librq election des
ministres de leur culte, il en r^sulte. prefsque tou*
jours des division» iunestes au repos et a la traur
quillite des oommunes.
. L'un et Tatttre parti invoque dan^ «Qe oas les
connaiasances et la moralite du . caodidat qa'il pro^
pose, ce qui met presque toujours le prefet dans
rimpossibiUte de juger sainement anqudi proce«» ver*
bal d'eleotipnkles de^x parties il doit donner la
{Nreferenc^i puisqull ne peut decider de la capa^it^
des oandidata. Cet inconyenient n'aiDca plus lieii au-
joiwd'hiu, Vu qu'ils doiveat pr(>duur0 un certificat de
rinspeoteur reepedttf oharge d^ les examiner sur leqrs
connaissances.
— 264 —
Les inspecteurs des deux cultes se sont asscm*
bl^s le 16. Frimaire dernier et notamment
les Citoyens:
Engelmann de Baebaracb
nges de Simmem f i^^^urs re-
Polich de Stromberg > fonnes
Ebertz de Creutznach
Gundersbeim de Sobernheiüi
Simon de Simmern sous Dbann
Starck de Castellaun [ Inspecteurs Lu-
Scbneegans de Cretutznacb ( theriens.
Rei(^bart de Trarbacb
Cos inspecteurs s'etant ooncertes avant cette as-
lemblee, sur Fobjet de la reunion avec les ministres
de leurs districts respectifs (au nombre de 80 dans
cet arrondissement) et etant munis de leurs pou-
ToirS) ils prirent Farr^te ci -Joint, d'aprfes lequel ils
ne formeront, pour ravenir, qu'un seul consistoire,
qui r^Iera a la fois les affaires des deux cultes,
sous la denomination de consistoire protestant —
Ils firent la promesse «formelle de ne jamais
s'assembler sans en prevenir Fofficier de police, de
se soumettre aux loix et riglemens de la repu-
blique, de n'entraver en rien la surveillanee qu'e-
xerce Fautorite civile sur les cultes par rapport
a la police administrative, de veiller sur les ele-
ctions des ministres par les communes, d'avoir
soin qu^elles aient Heu en presenoe du Maire pour
prevenir les desordres et dejouer Fintrigue ä qui
ces elections ouvrent un vaste cbamp et de soumet-
— 265 —
tre les proc^s verbaux d'election ä Fapprobation du
prefet.
Les Inspectenrs et tous les ministres des deax
cultes sont tellement d'aocord sur jcette demarehe,
et ils ont tellement oublie leor difference d'opinion
sur la foi, qu'ils ne savent eux memeä lequel a cede
ä Fautre.
Dans le premier moment de oe rapprochement,
ils vouloient aller jusqu'ä declarer dans leur acte de
reunion que les eglises seraient en commun, et qUe
Foffice serait fiiit conjointement. Mais la pnidenoe
les detourna de cette demarche prematuree. Des
malvdllans qui ne sont point a^tacbes au gouver-
nement, auraient pu trouver, dans cette reunion re-
ligieuse, le pretexte de fomentar Fesprit de discorde.
Uexperience de nos jours nous a d'ailleurs appris
qu'il ne faiit attaquer les prejuges religieux que
tres lentement et avec beaucoup de circonspection,
et qu'en voulant tout renverser ä la fois, on reyieiit
ä la fin au point d'oü Fon est sorti. D'apres ces
motifs, je leur ai conseille moi -016016 de se conten-
ter encore de cet acte de reunion, et de n^y rien
inserer qui puisse entraver la libert6 de consci^ice.
Par lä on a oppose une digue a Fintriguant poli-
tique qui auriut cberche dans cet eyenement reli-
gieux un pretexte pour susdter le meoontentement,
quoique nous sachions du reste que la liberte de
consdence chez le peuple cpnsiste ä faire et ä
croire tout ce que les ministres de son culte Ini
apprennent. ^ %
SHl n'existe plus de chef de parti, ou si les
- 266 -
QJbefs »out d^accprd entre eux, le culte cessie. Main-
tenant Ics ministrcs du culte protestant, vont pre-
obet alternativem^nt dans leg egli$^ des deux sectes.
L'an £ait au besoia Toffice de Fautre.
Le ci'devant inspecteur reforme videra,, oonjoin-
t^ment avec le ci-devant inspecteur Luth^rien, 1^
querelles concernant la police interieure du culte
Protestant eu geueral. Cet accord accoutumera peu
a peu le peuple aus principes de rcumon des deuic
QUltes, et en peu d'annees, par un pbeuomene qui
leür sm inexplicable^ ils se trouveront reunis sous
Tmipire des memes opinions. -
C'est cette marche, qui est la plus confoiroio a
Tesprit buoiaiii, et que tout refonnateur politico*
Vfdigieui devrait suivre, pour ne point etre si sou-
w»t forcß de retrograder.
!> U ji^suUe de ce que nous venons de dire, que
1a ireunion des sectes reformees et Lutherieuues n'exi^
flie quaüt ä preseut, qu'eutire leurs chefs; je ii'ai
{Knut Youlu operer une r^union ^tre les individus
dfuifl chaque eouunune, je n'ai pas du d'aiUeurs
l'essayer sans le cousentemeut du cominissaire ge-
neral et du prefet, quoique j^aurais pu repondre du
atcoes.
. Si daas le departement du Mont-Tonoerre^t
dans les arroudissemens communaux de Saarbrück
et de Birckenfeld (departement de la Sarre) ou
pouvait compter sur le succes d'une demarcbe de
^eette nature, et qu^on put par cette maniere reunir
les protestans de ces sept arrondissements ^Ma-
yenoe,- Spire, Deuxponts^ Saarbrück, Birckenfeld,
- 267 -
Kaiserslautern et Stmmern) qui comptent a pßu pres
300,900 ames profe^aans les dits oultes, il faudrait
natureUement que ie cönsistoire aetnd de Tarrom
dissement de ^imiiiern fiit diasousv et qu'il fat rem^
place par un oonsistoire pour les aept arromliasep
m&na, dont les membres pourraient 6tre chöiais povir
la premiere foi seulemeiii par le commissaire genei-
ral du gouvernement, et auxquela succederaient Im
plus anciens inspecteurs des deux cultes indtstin-
ctement
Par ce mpyen le nombre des mmistres du culte
diminuerait, leur salaire augmenterait et les mettrait
en etat de yivre plus honnetement. Uinfluence connue
du culte Protestant sur les succes de Fagriculture et
sur les moeurs produirait les effets les plus satis-
faisans.
L'homme eclaire ne connait d'autre dogmc que
la tolerance universelle^ seul moyen de rendre les
peuples satisfaits et d'eviter les dissentions. 11 faut
laisser s'user par le tems les prejuges qu'on ne peut
guerir par la raison. Mais a supposer que le peu-
ple ait besoin d'une religiön positive, ce qui est en-
core un probleme; il faut certainement prote^er sur-
tout Celle, dont les priucipes sont conformes ä la
Constitution et ne repugnent point ä la raison. —
Le philosophe raisonne ainsi; il se peut que la po-
litique en de certaines circonstances conseiUe une
autre opinion.
Je n'ai parle que des protestans habitans les
quatre nouveaux departemens, ceux des departemens
du haut, et du bas Bhin me paraissent encore trop
— 268 -
recules dans leurs principes, pour obtenir le succes
qu'on pourrait se promettre dans ces pays. Dans
leurs divers projets d' Organisation du Protestantisme,
on a tres soigneusement separe les deux sectes, on
y a cons^rve tout Tattirail d'Orthodo;Kie et d'Hierar-
chie, «nfin ils fourmillent encore de cbarletanisme.
Avant de se defaire de leurs prejuges, ils doivent
encore recevoir quelque tems Fexemple du ci-devant
palatinat -
Fait et redige par le soussigne Sous-Preiet de
Fanrondissement communal de Simmero.
*■ A Simmem, le 21. Ventdse an dix
de la r^publique.
Tanreemn.
-<'
Die Stadt fiSln am Rbein
in Beziehung
za den AlterthUmern der Provinz.
Den Freuoden im Rheinland und Wesiphalen gewidmet.
JDie Seite 94 hier zuerst mitgetheilten Briefe 6oe«
the's an den Königlichen Staatsminister v. Schuck-
mann scheinen eine passende Gelegenheit, um über
eine Schöpfung des verstorbenen Staatskanzlers Für-
sten Y. Hardenberg zu sprechen, die jetzt freilich
nicht mehr in ihrem Urning besteht Es war die-
ses die Verwaltung für Alterthumskunde in den Rhei-
nisch -Westphälischen Provinzen, welche der Staals-
kanzier im Jahr 1820 ins Leben rief, der, indem er
den Dr. Dorow zum Direktor derselben ernannte,
die in der Anlage a. enthaltenen Schreiben erliefs.
Die Leistungen wahrend des zweijährigen Be-
standes der Verwaltung liegen in deni bei Cotta er-
schienenen Werke: ,,Die Denkmale germanischer und
römischer Zeit in den Rheinisch- Westphalischeu Pro-
vinzen, 2 Bände 4. mit 67 Kupfer- und Steindruck-
tafeln in Folio," der Oeffentlichkeit und dem unpar-
theiischen Urtheil vor.
- 270 -
Die Bheiuländer, besonders die Stadt Köln, er-
kannten dankbar diese zeitgemäfse Schöpfung an;
doch war man mit dem Plan nicht einverstanden,
dafs die Alterthümer der Rheinlande in Bonn auf-
gestellt werden sollten. Besonders die Stadt Köln
wollte dieses Vorrecht für sich vindiciten, und schon
am 4. October 1820 schrieb in dieser Beziehung
der im Goethe'schen Briefe an v. Schuckmann ge-
schilderte Professor Ferdinand Franz Walraf *) drin-
gend an Dr. Dorow (Anlage b.). Nach vielfachen
Berathungen trat dieser der Ansicht bei, dafs K^öln
vorzugsweise die Stadt sein müsse, wo am zweck-
mäfsigsten die rheinischen Alterthümer zu vereinigen
und aufzustellen seien; in Köln, wo schon so Vieles
und Herrliches dieser Art vereinigt ist, "wo die al«
ten Kirchen und übrigen interessanten Bauwerke eine
so umfal»sende Grundlage der Sammlung bilden, fin«
det das Ein^dne Zusammenhang und Erklärung im
Ganzen. Das ruhige Fortbestehen einer solchen un->
abhängigen, rein vaterländischen Anstalt in einer
Umersitatsstadt schien, nach den in so kurzer Zeit
bereits gemachten Erfahrungen, unmöglich. Die Köl-
ner hatten auch Goethe in ihr Interesse gezogen, er
stimmte gleichfalls fürKöln,tindso ward eine Bittschrift
an den Staatskanzler verabredet, weldier Mafsregel
die Königliche Regierung in Köln beitrat, und sie
dadurch zu unterstützen hoffte, dafs Dorow als Di-
rektor des Central -Museums verbleiben, dodi mit
") Qeh. in Köln den 20. Jnli l?4d, gest. ebeilda^dbät
den 18. März 1824.
•
— 271 —
dem Titel und Range eines R^erungsraths zur Bear-
beitung dieser interessanten Abtheilcöig in den Rhein*
Provinzen der Königl. Regierung beigegeben werden
sollte. EHe dahin abzwedcenden Schritte geschahen!
die ersten Bürger Kdfais utit^zeichneten das Gesuch^
und die Regierung in Köln unterstützte dasiselbe auf
das Kräftigste. Doch es scheiterte an dem Einspruch
des dams^gen Oberpi^identen Grafen yon Solms*
Laubach, der die rheinische Universität eigenthümli*
eher Weise für seine Schöpfting hielt, und der Stadt
Bonn daher auch nicht das geringste Gute entziehen
wollte. Graf Solms übersah aber, dafs eine Samm*
lung vaterländischer Alterthümer^ die sich auf Land
und Volk, auf Geschichte, patriotischen Geist und
Sinn beziehen soll, nicht als Gegenstand und Mittd
des Lehrunterrichts auf Hochschulen angesehen wer«
den darf. Die dem Fürsten von Hardenberg vc**
schwebende Andicht war dem Grafen Solms nicht
klar geworden; er erkannte nicht den tiefen und
genialen Blick des Stifters dieses Provinzial-Mu^
seums in das menschliche Herz und in das Ge^-
webe der menschlidien Gefühle, welche, durch diö
Heimath angezogen, zÄr Theilnahme und Aneignung
des Provinziellen gestmgert, endlich zur höh^n Va-
terlandsliebe erhoben und ausgebildet werden; Graf
Solms ^kannte nicht) dafs der Staatskanzler, der
Schöpfer und Wiederhersteller der Institutionen ubh
serer Monarchie, dessen Blick das Entfernte wie das
Nahe, die Zukunft wie die Gegenwart als Ein Gail^
zes umfefste, überall, wi€f in den grb&teh Staats^
Instituten so auch in diesem Kleinen, eiM WttbiAuA
— 272 —
grojGse Idee zum Grunde legen wollte* Mit jugend-
lichem Feuer schenkte der Staatskanzler bei seinem
Aufenthalt in Engers den vaterländischen Alt^thü-
mern und den damaligen Ausgrabungen des Dr. Do-
row in Wiesbaden keine Aufmerksamkeit. Er sprach
oftmals zu demselben von demWerth der Alterthü-
mer, welchen die öffentliche Meinung und der Ya-
terlandsstolz ihnen mit Recht beilegt Denn wie der
einzelne Mensch an seine Familie, so hängt; der Pa-
triotismus des Bürgers an den Geschichten und dem
Ruhme seiner Heimath. Alle Denkmale seiner Vor-
zeit, zumal des Ruhms, Kunstsinns und Reichthums
seiner Vorfahren sind ihm heilig, und die Erklärung
und wissenschaftliche Benutzung derselben dünken
ihm wichtiger, als alle anderen gelehrten Arbeiten;
er meint selbst wichtig und ruhmwürdig zu werden
in einer wichtigen und ruhmvollen Heimath. Die
Thaten und der Ruhm seiner Vorfahren scheinen
ihm anzugehören, und er bewahrt jedes Denkmal
derselben als Zeugniis des eignen Werths. Dieses
Gefühl und dieser Patriotismus für die Heimath, depd
auch das Unbedeutende durch solche Beziehung wuch-
tig erscheint, ist gewiis ehrwürdig und wird jede
Vaterlandsliebe, welche die Erweiterung auf Stamm
und Volk, auf Provinz und Reich erfordert, bedin-
gen. In allen diesen Beziehungen erfreute man sich
der Idee einer Centralisirung und zweckmäfsigen Auf-
stellung der Alterthümer; Stadt- und Dorfgemein-
den beeilten sich, das bereits Vorhandene zu diesem
Zweck auszuliefern; man erkannte die Grundsätze,
die wahrhaft patriotische Absicht der Regierung, und
- 273 —
beorderte der Staatskanzler auch, dafs das Haupt-
Museum für Rheinland in Bonn seine Einrichtung -
finden ^llte, so war diese Wahl der Stadt nur ^u- ,
fällig und keineswegs damit die Absicht ausgespro«
chen, dafs dasselbe einen integrirenden Theil der
Universität ausmachen sollte. So konnte also auch
die Rheinisch -Westphälische Alterthümer- Sammlung
nicht irgend eines Lehrzwecks wegen wesentlich auf
die Rheinische Universität, als solche, sondern dem
Zwecke dieses Instituts gemäfs nur auf die Rhein-
lande und Westphalen und den Geist der Bewoh-
ner in patriotischer Hinsicht Bezug haben. Diesen
Geist fafsten die Kölner Bittsteller sehr wahr und
richtig auf, und das folgende interessante Aktenstück
(s. Anlage c.) verdankt dieser Gesinnung sein Eilt-
stehen; vor dem Absenden wurde dasselbe dem Re-
gierungs- Chefpräsidenten in Köln, Freiherrn v. Ha-
gen, ini^etheilt und von diesem mit der Bemerkung
zurückgestellt, dafs „dasselbe sehr gut redigirt sei,
und seinen Zweck hoffentlich nicht verfehlen werde.''
Der Fürst Hardenberg lehnte im Drange der
wichtigsten Staatsgeschäfte dieses Gesuch, dem Gut-
achten des Oberpräsidenten leider folgend, nicht al-
lein ab, sondern überwies die ganze Verwaltung,
welche bis dahin unter seiner unmittelbaren Lei-
tung als ein provinziales Staats -Institut gestanden,
in das Ressort des Staats -Ministers von Altenstein,
welcher, dasselbe der Universität überweisend, es
nach andern Grundsätzen und in anderer Form fort-
geführt wissen wollte; man hatte damals überdies
in diesem Departement keine Sympathie für vater*
18
- 274 —
ländische Alterthümer; man träumte nur von Kunst-
werken, von^ Museen griechischer und {^yptisdier
Denkmale. Aus diesen Ursachen und da beinahe
alle in den Rheinprovinzen disponiblen Alterthums-
gegenstände bereits gesammelt, inventarisirt und zum
Theil. nach Bonn geschaft waren, wurde dem Dr.
Dorow ein anderer Wirkungskreis wünscbenswerth,
den er auch erhielt
Diese Verhandlungen werden hauptsächUch des-
halb mitgetheilt, weil jetzt vielleicht der Zeitpunkt
sein mochte, sie wieder aufzunehmen' und zu einem
erwünschten Resultat zu bringen! — Es kann woU
die Hoffiiung gehegt werden, dafs der Sammlung
Rheinisch -Westphälischer Alterthümer, welche durch
Theilnahme der sämmtliehen Bewohner der Provin-
zen hauptsächlich entstanden -^ wieder Beachtung
und Einsetzung in ihr altes ursprüngliches Recht
wiederfahren werde. Aus der Stiftungs- Urkunde er-
hellt es deutlich, dais <fie Sammlung nicht an Bonny
sondern an die Rheiiq>rovinz geknüpft ist, und in
dieser Beziehung ersdeint jetzt nach Jahren und den
gemachten Erfahrungen die.Bdiauptung als durchaus
b^ündet, dafs Köln die Stadt sei, in welcher ei»
acldkes National -Museum alleni nur errichtet wer-
d^i kann, soll es den Zweck vollständig erfiälen.
Unendlidi vielfache kleine BeziehmgeR verbinden die
Einwohner des gesammten Rheinlandei mit den Köl-
nern, die Gewinne und Verluste, die ffeistigen und
leiblichen Interessen sind überall verkettet, und un-
zählige Fäden ziehen durch das Land ein grosses
Gewebe, weldies in Köln seinen Mktei^punkt iSndet
- 275 ~
SoU also das Pravinzial- Museum Bedeutung für die
Provinz erhalten; soll es im wahren Sinne des Wor-
tes provinziell werden, ein provinzieller Central-
puukt der gemeinsamen Interessen; ein Mittelpunkt
der geschichtlichen Erinnerungen des ganzen IjOa^
des^ ein Bindungsmittel zwischen den zerstreuten,
vereinzelten Lokalinteressen und den höheren 6m
gemeinsamen Vaterlandes, so mufs es ohne Zweifel
in Köln errichtet werden und nicht in Bonn, wo
es eben so vereinzelt stehet, ^Is die Altertbümer
bisher zerstreut an den einzelnen Orten. Ueberdies
haben in Köln die alten Kunstschätze noch ihren
Werth behalten. Daselbst werden sie gepflegt, ge-
achtet und gesammelt^ während in den übrigen Stad*>
ten am Rhein wohl einzelne Liebhaber, aber kein
allgemeines Interesse, keine Theilnahme des Volkes
gefunden wird. Eine lebendige Theilnahme würde
auch die übrigen Städte ergreifen, wenn ihre Bei-
träge mit gröfseren Denkmalen vereint und so im
Zusammenhange verständlich erscheinen. Dieses kann
aber nur von Köln aus hervorgerufen werden, nicht
aber von Bonn, welches bisher so wenig Interesse
f&r die AlterthümersMimhing bewiesen hat. Köln,
die wichtigste, vielleicht einzig bedeutende Sladt in
den mieinprovinzen, ist aiso der eina^e Ort aü
Rhein, w^ die Vereinigung aller rbeinis^en Alteis
thümer emen bedeulendeü Wevth tax <Se Gesdbiehte,
fik Wissenschaft und Kunst habe» würde; der eistt-
zige Ort, wo <fiQ Sounfnlung vollstän^ i^ dadurcäh-
bedeutend w^den kann^ der einige Ort, wo sie surf
das Volk und seine Ausbildung, auf Patriotismus, auf
18*
— 276 —
Erweiterung der Künste und Nachbildungen aller
Art, Industrie, polytechnische Anstalten, welche nur'
in der Hauptstadt der Provinz gedeihen, einen be-
deutenden Einflufs gewinnen kann. — Was Einzelne
über den Werth oder Unwerth, über Zweck und Ab-
sieht einer solchen Anstalt gesagt haben und noch
sagen mögen, kann wohl nicht entscheiden. Beach-
tung einstiger Selbstehre, entspringend" aus Hoch-
schätzung dessen, was unsere Voreltern geschaffen,
kommt hier allein zur Frage, und die Beantwortung
eben dieser Frage kann nur aus dem wirklichen
Leben genommen, nicht aber von der Zufälligkeit der
Neigung oder Abneigung einzelner Männer gegen va-
tttländische Institute, gegen vaterländische Kunst, ab-
hangig sein! —
Anlage tt«
An den Hofrath Dr. Dorow in Wiesbaden.
Berlin, den 4. Januar 1820.
Sie haben mehreremal den Wunsch geäu&ert,
die diplomatische Laufbahn, welche Sie seit Ihren
Kriegsdiensten in den beiden letzten Feldzügen be-
treten hatten, zu verlassen und dafür lieber ein Wis-
senschaft * thätiges Leben zu erwählen, das Ihrem
innern Beruf gemäfser wäre, und wo Sie zugleich
der Wissenschaft der historischen Forschuqg und
alterthümlicher Untersuchung nicht gänzlich entfirem-
— 277 —
det würden. Ihre mir deshalb eröffneten Mitthei-
lungen und gemachten Vorschläge haben meinen Bei-
fall, und ich bin daher gesonnen, Ihnen eine Lauf-
bahn zu eröffnen, wo Ihre Thätigkeit Stoff genug
finden wird, sich dem Vaterlande nützlich zu be-
währen.
Da in den Rheinisch -Westphälischen Provinzen
sehr viel Niederlassungen der Römer vorhanden wa-
reUj von denen Ueberbleibsel in Menge theils schon
gesammelt und beschrieben, theils noch zerstreut,
unbeschrieben, unbekannt, verstümmelt und wenig
geachtet existiren, da die von Ew. Wohlgeboren
veranstalteten Nachgrabungen in dem Nassauischen
eine so reiche Ausbeute schon geliefert, da Sie da-
durch Ihre Vorliebe für diese Untersuchungen, Ihre
Thätigkeit und zugleich durch Ihre im Druck er-
schienenen Beschreibungen y Commentare und Abbil-
dungen Ihre Geschicklichkeit doj^umentirt und eine
bedeutende Lücke in .dem Felde dieser Forschun-
gen ausgefüllt haben, so bestimme ich Sie zum Di-
rigenten eines auf der Universität zu Bonn zu er-
richtenden, vaterländischen und alterthümlichen^ Mu-
seums. Ich nehme die Anerbietung Ihrer im Nas-
sauisehen gefundenen Alterthümer, die Ihr Eigenthum
sind, mit Vergnügen zur Begründung dieses Museums
an. Der Werth dafür soll Ihnen, sobald die defi-
nitive Abschätzung erfolgt sein wird , baar vergütet
werden.
Das Museum selbst soll durch künftige Samm-
lungen ,• freiwillige Beiträge, allmälige Ankäufe und
- 278 -
NadibilduDgen verwandter Gegenstände in Oyps ver-
mehrt und so eingerichtet werd^ dals es zom Un-
terricht der Jagend, za historischen Forschungen
und zur Erhaltung schatzbarer Monumente dienen,
den Sinn für Bedeutung des vaterländischen Bodens
und die Geschichte der Vorzeit erregen und ernäh-
ren wird.
Sie werden zu diesem Zwecke die Rheinisch -
Westphälischen Provinzen bereisen, mit allen Ge-
genständen, die darauf Bezug haben, sich vertraut
maidien, die Orte bestimmen, wo Nachgrabungen
mit wahrscheinlichem Erfolg zu veranstalten sind;
den betreffenden Herrn Ober -Präsidenten, welche
idi nach der abschriftlichen Anlage, von Ihrem Un«
temehmen in Kenntnifs gesetzt, Anzeige machen; be-
deutende, der Aufbewahrung ohne Vorurtheil w^rth-
gesebätzte Fragmente sammeln; Eigenthümer solcher
Gegenstände durdi Darstellung der Nützlichkeit da-
hin zu bringen suchen, ihre Sammlungen mit denen
von Bonn zu v^einigen, und im Weigerungrfall sich
von denselben w^iigstens die Erlanbnüs auszuwir-
ken, die interessantesten Alterthümer abzuzeichnen
oder zu modelliren, und diese Abbildungen und
Zeichnungen im Museum lai Bonn alsdann aufisu-
stellen. So werden Ew. Wohlgeboren auch die
schon aufgestellten Museen von Trier, Neuwied und
Braunfels zu benutzen suchen, um die Inschriften
genau zu copiren, die Basreliefe, Büsten imd Sta-
tuen genau abzeichnen oder auch, wo es die Wich-
tigkeit erheischt) modelliren lassen.
Sie werden sich angelegentlichst bemühen, über-
- 27« -
all den Sinn für diese Art von Forschungen anzu«
reg&EL, jedock mit Takt und Umsicht alle Uebertr^-
bung und Mikrologie, in welche d^ Alterthumslieb-
haber so leicht verfallt, dabei mit Ernst zu vermdiden
suchen, um dadurch dem Geiste dieser Unt^nehmun-
gen nicht zu schaden.
Sie werden es mit Klugheit vermeiden , den '
Verdacht anzuregen^ als wolle man Monumente von
Punkten entfernen, welche durch ihre Lokalität das
Interesse daran erhöhen, und mit der gröfsten Vor-
sicht dem Scheine ausweichen, welcher den Städten
die Furcht einflöfsen konnte, als wolle man sie ih-
rer Alterthümer und Kunstwerke berauben, um ein
Central -Museum zu bilden. Sie müssen in Ihren
gesellschaftlichen Beziehungen und Verhältnissen da-
hin streben, Interesse für diese Sammlung einzuflö-
ßen, die Vaterlandsliebe dafür in Anspruch zu neh-
men, und durch Tausch und freiwillige Beiträge
Ihren Besitz zu vermehren.
Wenn Sie einen Tbeil des Sommars mit Auf-
suchung diesa: Gegi^istände und mit Besorgung Ifa-
rer Abbildungen werden augebracht haben, so wer-,
den Sie den übrigen Theil des Jahres zu Bearbei-
tung dieser Materialien für die Publication verwenden,
und bis die Menge und das Interessante des Aufge-
fiindenen Ew. Wohlgöboren wird in Stand gesetzt
haben, ein gröfiieres W^k, «vielleicht unter dem TJH
tel: ^MiiquUaies BAenmae, dem Publikum zu überge^
ben, werden Sie Fragmente Ihrer Ontersuchungen,
mit Zuziehung der in diesem Fache gelehrten Pro*
fossoren von Bonn, in den Annalen d^ dortigw
— 280 —
Unirersität oder aoch ganz nach Ihro* freien Wahl
in andern Zdtsdiriften mit den dazn noth^en Zeidi-
nnngen bekannt machen, mn die Anfinerksamk^t ond
Tlieilnahme diesa* ProTinzen für diesai Gegenstand
zu beleben und za unterhalten.
C. F. IT.
An des Königlichen Oberpräsidenten Herrn
Staats-Ministers y. Ingersleben Excellenz
zu Coblenz.
DesgL an des Königl. Oberpr. Herrn Grafen
y. Solms-Lanbach Hochgeboren in Köln,
und an des Königl. Oberpräsidenten Herrn
V. Vincke Hoch^ohlgeboren in Münster.
Beriin, den 4. Janaar 1820.
Um die interessanten Fragmente aus der römi-
schen Zeit vor Zerstörung und Verstümmelung sicher
zu stellen und für ihre künftige Erhaltung zu sor-
gen, und durch eine genauere Bekanntschaft mit der
Vwgangenheit die Liebe zum vaterländischen Boden
noch zu vermehren, und die gelehrte Welt mit die-
sen schatzbaren Ueberresten des Alterthums näher
bekannt zu machen, und durch Beschreibung und
Abbildungen ein allgemeineres Interesse für diese
Antiquitäten zu erwecken, als bis jetzt bei ihrer
bisherigen Isolirung geschehen könnte, so habe ich
den Hofrath Dorow zum Dirigenten eines Antiqui-
täten-Museums in Bonn bestimmt, und ihm die Be-
fagniis ertheilt, für den Zweck der künftig anzustel-
lenden Nachgrabungen, Erhaltung der Alterthümer,
— 281 —
Abbädung der interessantesten und Sammlung der
disponibleii Kunstwerke für das Museum die Bliei«
nisch-Westphälischen Provinzen zu bereisen und mit
Ew. Excellenz sich deshalb in unmittelbare X^ommu-
nication zu setzen. Bei dem Interesse, das Ew. Ex-
cellenz bei jeder Gelegenheit für die Geschichte der
Ihrer Obhut anvertrauten Provinzen an den Tag ge-
legt haben, zweifle ich keinen Augenblick, dafs Sie
den Untwnehmungen des Hofraths Dorow, den ich
Ihrem Wohlwolle^i noch ganz besonders empfehle,
der seinen Eifer, seine Thätigkeit und seine Ge-
schicklichkeit durch frühere, von ihm geleitete Nach-
grabungen im Nassauischen und durch sein darüber
erschienenes Werk hinlänglich beurkundet hat, mit
hiilfreicher Hand entgegen kommen, und in allen
seinen Forschungen und Unternehmungen auf die
wirksamste Art unterstützen werden.
Die Ernennung des Hofrath Dorow involvirt
zwar keinesweges die Absicht, andere Individuen an
Nachgrabungen zu hindern und aus diesen Unter-
nehmungen ein Monopol zu bilden. Ich hoflfe viel-
mehr, dafs diurch das planmäisige und zusammen-
hängende Verfahren, das von der Regierung in die-
sem Falle ausgebt, das Interesse und der Wetteifer
Mehrerer für Nachforschungen dieser Art erst recht
lebendig soll geweckt werden.
Ingleichen steht es wie bisher frei, Nachgra-
bungen auf seinem Grund und Boden anzustellen,
und über die dort gefundenen Fragmente als sein
E^enthum frei nach Willkür zu disponiren, und
' der eta Dorow hat deshalb in seiner Instruction
- 282 -
die Weisung erhalten, nur auf dem Wege freier
Convention fiir das Beste der Wissenschaft zu wir-
ken. Alle Nachgrabungen jedoch, die auf Kosten
der Regierung fortan gemacht werden, mögen unter
der speciellen Leitung des Dorow künftighin stehen.
Zur Bestreitung der durch diese Nachgrabun-
gen yeranlafsten Kosten autorisire ich Ew. Excellenz
dem Dorow die Summe von Tfaalern bei d^
dortigen Begierungs- Hauptkasse vorschufsweise zur
Disposition zu stellen, und behalte mir vor, w^n
deren Verrechnung zu seiner Zeit das Nöthige zu
bestimmen.
Ict)i schmeichle mir, dafs in dieser Anordnung
&te Rheinprovinzen einen neuen Beweis des Inter-
esses sehen werden, welches die R^ierung von je-
der Seite für ihre Bildung und für d^i Flor der
Wissenschaft und Künste bei ihnen nimmt.
Anlage 1l*
An den Hofrath Dr. Dorow in Bonn.
Köln, de« 4/OetoWr 1820.
Ein vielleicht auch noch ungegrüudeter Ruf oder
Verdacht setzt unser gutes Köln nach bereits erlitte-
nen, so ungeheuren Verlusten an Allem, Vermögen, an
Kredit und Schätzen, an Vorzügen, Ornamenten, wis-
senschaftlichen und historischen, sowohl kirchlichen
als weltlichen Hülfsmitteln u. s. w., in eine Veiiegen«
heit und Furcht, als wenn bei der Aufnehmung« und
Wegnahme der noch hi^ von mir Unterzeidmetem
- 288 —
kfifluiierlich und kostbar noch geretteten Alt«rtlw<>
mer auch die Reihe der Wegnahme diese gute Stadt
treffen könntaii Es ist mein^ Kühnheit und Liebe
für meine Geburtsstadt nicht zu verdenken, wenn
ich, obwohl noch nicht mit einer feierlichen Prote-
statton, dennoch mit einigen zuvorkonunenden Grün-
den mich selbst dagegen waffne, jedodi aber vorher
die Freiheit brauche, Ew. Wohlgeboren zu bitten,
mir zu bedeuten, in wie weit diese Drohung g^en
Köln wahr oder unwahr und nicht zu fürchten s^.
Mit derselben Kühnheit erlaube ich mir vid-
mehr, es zu behaupten, dafs Se. Königliche Majestät
unser allergnädigster Herr und Se. Hochfürstlicbe
Durchlaucht der Herr Staatskanzler es sehr billig
und fast unumgänglich nodiwendig erachten müiktc^,
dieser gröfsten, ältesten und ersten Stadt unserer
Rheinprovinz nicht nur das Indigenat unserer aller
hier und in uns^m Bezurk von jeher entdeckten und
noch zu entdeckenden Altearthümer det uralten und
mittleren Zeit zu verleihen die Gnade und BiUigkdt
haben müfsten.
Ma|nz, Trier und Köln, die ersten, ältesten,
volkreichsten und bedeutendsten Hauptstädte, diir*
fen ja nimmermehr so ins Dunkel ihres Werths und
ihrer Greschichte hinsinken, dafs sie als die vor-;
nehmsten Mutterstädte sich hinter dem unnachbar-
lich^i Stolz ihrer Jüngern neugepujtzten Tochter *)
verkriechen sollten; denn von hier ging der Gianas
der Religion, des Rechts, der Handdschaft und des
*) WoU BoM.
- 284 —
getreuen Volkthums aus; der Reisende sucht in ih-
nen, was in ihnen so grofs und kräftig entstanden
ist. Wie schön ist es selbst in diestn Hauptpunk-
ten den ursprünglichen Glanz noch in den übrig
dort erhaltenen Ruinen zu entdecken, wovon Bü-
cher und Geschichte zeugen. Wie viel mehr glänzt
der Reichthum des alten Glanzes hier überall, als
in einem kleinen Orte, wohin der Volkszusammen-
flufs sich unbeholfen hindrängen mufs, und die Mei-
nen Spuren des unbekannten Ursprungs sich verlie-
ren und vergessen, und die dennoch für ihren klei-
nen Umfang genug haben, um eine Menge Reisender
einige Tage in sich aufzuhalten. Hingegen kommt der
Forscher und Bewunderer der Alterthümer von Mainz
nach Trier, von Trier durch die kleinen Zwischen-
örte^ deren jeder seine eignen Merkwürdigkeiten für
einige Tage besitzt.
Ich bitte ateo Ew. Wohlgeboren, das Gesuch
der Erhaltung oder vielmehr der gänzlichen Aufstel-
lung aller in unserer Gegend aufgefundenen oder auf-
zufindenden Alterthümer, sowohl früherer als nähe-
rer Zeit, in der Provinz - Hauptstadt Köln al)ein auf-
zustellen zu erbitten, wodurch denn auch meine
eigenen ansehnlichen Sammlungen an ihrem Lokal
einen desto gröfseren Reichthum und Glanz der
ganzen Rheingegend darbieten werden.
Lassen Ew. Wohlgeboren sich von einemi alten
erfahrenen Manne hierin gütigst rathen, und kom-
men Sie mit allen Ihren Alterthümem und Schätzen
dieser Art nach Köln. Hier allein ist der Ort, wo
ein Museum dieser Art in der Rheinprovinz verhält-
— 285 -
niüsmäfsig glänzen kann und neben den wirklich hoch
hier glänzenden, örtlichen Monumenten des ersten
Ranges gedeihen kann. Ich erbiete mich, aus lan«
ger Erfahrung in diesem Fache, der jiingern Gene-
ration freundlich die Hand zu bieten, und diese
wird zum Danke durch thätiges Handeln, damit ein
Museum aufgestellt w^rde, welches Umfang und Grö-
fse hat und Freude der Provinz ist, mir den Kranz
aufsetzen, welchen ich für mein thätiges Leben ver-
dient zu haben glaube. Hier in Köln wird das AI-
t^, die Erfahrung dem raschen Schritte der Jugend
zpr Seite gehen.
Empfangen Sie hiermit die freudigste Versiche-
rung meiner Hochachtung und meines Vertrauens. .
Ferdiitaiid l¥»llr»r.
Anlage C*
An den Staatskanzler Fürsten von Harden-
berg in Berlin.
Köln, den 22. April 1821.
Durchlauchtigster Fürst!
Hochgebietender üetr Staatskanzler,
Gnädigster Fürst und Herr! ^
Euer Durchlaucht hochgefälligen Verwendung
verdanken die Bheinprovinzen seit Kurzem einen
neuen Beweis der allerhöchsten Gnade Sr. Majestät
in der Bildung einer eigenen Anstalt zur Centralisi-
rung und Erhaltung der heimischen Alterthümer.
Die Stadt Köln, deren Geschichte sich vrobl
unter al^n deutsdien Städten der ältesten Erinne-
- 286 -
rungen, und bereits in den frühesten Zeiten, ^o die
meisten jetzt blühenden Städte noch nicht existir-
ten, eines bedeutenden Einflusses auf das westliche
Deutschland rühmen darf, fühlt doppelt den Werth
dieser Stiftung.
EHe unterzeichneten Bewohner derselben wagen
es, in ihrem und ihr^ Mitbürger Namen, für diese
Gnade den allgemein und innigst gefühlten Dank
darzubringen, und demselben in Beziehung auf ihre
Vaterstadt einige Bemerkungen hinzuzufügen, welche
in dem Vertrauen auf die Nachsidit Euer Durch«
laucht und in dem hohen Interesse, welches alle
Gebildete für diese Anstalt belebt, Entwdiuldigung
finden, und die Bitte begründen mdgen^ die Stadt
Köln zum Centralponkt aller Sammlungen der rhei-
nischen Alterthümer gnädigst zu erklären.
Die Stadt Köln besitzt, wie Ew. Durchlaucht
bekannt ist, eine ziemlich vollständige Reihenfolge
architektonischer und anderer Kunstdenkmäler, von
der Herrschaft der Römer bis auf die neuesten Zei-
ten. Die Reste römischer Baukunst schliefsen sich
durch eine höchst merkwürdige Reihe byzantinischer
Kirchen an das anerkannte Meistet w«rk dc^ gothi-
schen Baukunst, den leider nicht vollendeten Pom,
waA durch eine nicht ndnder vollständige Reihe der
spanisch •italienischen Kunstversuche der nenarn Ar-
chitektur an.
Das Studium ^er Künste und Alterthuaskoiide,
gestützt auf solche umfassende, in ihren Folgen uu*
unterbrochene Reihe von Gebäuden, Aer einzigen
reellen Basis all^ Kunstgeschichte, wird dlttck mh
- 287 ~
zähUge kleinere Denkmäler der Kunst, rbmische An-
tiken und Anticaglien, Statuen und Gemälde altdeut-
scher Kunst^ yon den Zeiten der fränkischen Könige
durch alle Jahrhunderte des Mittelalters bis auf im-
&exe Zeiten herab unterstützt und zu einem grofsen
Ganzen vervolbtändigt. Der ehemalige Reichthum
an Kunstirerk^ aller Art, welcher freilich jetzt be-
deutend zusammen geschmolzen ist, hat die Grün-
dung mehrerer Kabinette und die reichen Privat-
Sammlungen der Herren Boisseree \ind früherhin
die des Freiberrn y. Hübsch, aber die Sot^losigkdt
der damaligen Regferung leider auch ihre Verschlep-
pung ins Ausland mogtich' gemacht
Der Verlast möchte, zum Theil wenigstens, zu
ersetzen sein, w&in die Alterthümer und Kunstwcarfcev
wdche in kldneren Orten d^ Provinz aufbewahrt
werden, hier wieder vereinigt würden.
EV^. Durchlaucht haben die Nothwendigkeit und
Zweckmäiaigkeit der Centralisirung ausgesprochen;
ohne dieselbe wird weder die Erhaltung auf lange
Zeit, noch die zweckmäfsige Benutzung der verein-
zelten Stücke für die Kunstgeschichte, welche mur
durch das Ganze und den Zusammenhang der ein-
zelnen Stikke Licht erhak, möglich.
Köln war die Stütze und der Hauptsitz der rö*-
mischen Macht am Niederrhein; e» war der Mittdi-
punkt der Merovingisch- fränkischen Periode^ die er*
ste Theilnehmerin des Aufblühen» der Rheinlmde is
der Carolingiscbeti Epoche und die Werkstätte und
das Centrum aller Künste, des Niederrheins imd
Wes^haleBs fiir An ganze Mitlelalt«r. Hier lebten
- 288 -
jene römischen Veteranen und ersten Familien, wel-
che Agrippina von Rom aus sandte, ihnen Tempel,
Pratorien, Amphitheater und allen Schmuck ihrer
Vaterstadt schenkte, und von hier aus wurden ihre
Villa's in der Nachbarschaft mit römischen Kunst-
Bchätzen ausgestattet und ihr Andenken verewigt«
Hier war der Sitz der fränkischen Könige, der Ver-
dinigungspunkt der Grofsen des Landes, deren Bur-
gen aus den Trümmern römischer Castelle oder nach
solchen und nach den in der Hauptstadt entstande-
nen Mustern erbaut wurden, und der Geist des
Christenthumes , welcher die lieidnischen Tempel zu
christlichen umgeschaffen hatte, ei^riff auch die kraf-
tigen Ankömmlinge, und liefs eine neue vaterländi-
sche Kunst, an der alten gebildet und aufgewachsen,
für die veränderten Bedürfnisse eines neuen Glau-
bens und den eigenthümlichen Sinn der Deutschen
entstehen. Hier wohnten die Stifter und Wohlthä-
ter der Kirchen, welche auf dem Lande entstanden,
die Künstler, welche sie bauten oder mit Kunstge-
bilden aller Art versorgen mufsten.
Die Zurückbringung derselben von den ehema-
ligen Villa's, aus den Kirchen und Klöstern, den
kleinern Städten, Schlössern und Dörfern des Nie-
deirheines nach Köln würde also nur eine Rück-
kehr zur Heimath sein. Euer sind sie gearbeitet,
erdacht und entstanden; hier finden sie ihre Gegen-
bilde, ihre Originale, ihre Must^ oder Nachbildun-
gen; von hier aus sind sie umhergesandt worden.
Hier würden sie, wieder vereinigt, sich gegenseit%
«Uären» die Bestimnnng ihres Alias» ihrer Bedeo-
- 280 -
tung, oft sogar des Namens ihres Meisters m&glicli
macbcn, tind über die dunkeln Stellen der Künste
geschichte des Mittelalters ein neues Licht vet«>
breiten.
Ohne den Besitz des Hauptstocks all^ 'Künste
schätze des Rheinlandes, welcher sich hi^ befindet,
ohne unsere Kirchen und Gebäude, also ohne Ba**
sis der Kunstgeschichte, überall nur durch charak«
teristische Baudenkmale möglich, welche die Zeit^
Bedeutung, .Entwiokelang und Fortbildung aller bh*
dern Kunstwerke als dienende Verzierungen und uh*»
tergeordnete Glieder des Ganzen bestimmen, werden
die üln-igen Alterthümer der Bheinlande nirgends eine
genügende Erklärung oder zuverlässige Deutung er*
halten.
Der Vorschlag, dafs Bonn der Centralpunkt, die
Vereinigung aller rheinisclien Alterthümer werdeh
möge, hat wohl nur den Zweck, den Verein so yie*
1er ausgezeichneten Gelehrten für die Untersuchung,
Bestimmung und Deutung d^ Denkmäler zu be^
nutzen^, und dadurch die Kunst und Wissenschaft
um so rasche zu fordern; aber dieser Zweck möchte
wohl um so besser erreicht werden, wenn, statt
Bonn, Köln zu einem solchen Centralpunkte gewählt
würde.
Die Entfernung von wenigen Stunden wird die
Gelehrten nicht abhalten, zu so wichtigen Untersu-
chungen herüber zu kommen; sie müssen es ohne?
dies, wenn «ie irgend etwas Bedeutendes dieser Art
am Rheine sehen wollen, und würden auch in dw
vereinigten Sammlung aller übrigen noch immer kei-
19
~ 2»0 -
um Ersatz, der die misrige entbehrlidi madite, fin-
den« Sie wiirden aber, wie gern sie jetzt schon
den Genuls der hiesigen Konstschätze thdlen, ge-
wi& noch glücklichere Untersuchungen anstellen kön-
nen, wenn sie Alles hier vereinigt, und auf diese
Weise das vollständige Material, welches allein zu
glficklichen Resultaten fuhren kann^ zur Untersuchung
und Vergleichung vor Augen hätten. Untersuchungen
dieser Art können wohl überhaupt nur durch Zu-
sammenstellung und Vergleichung einer grofsen Menge
Materialien, desen organischer Zusammenhang und
genetische Entwickelung sich im Einzelnen nachwei-
sen und im Ganzen übersehen lafst, gefördert wer-
den. Die wissenschaftliche Darstellung mag auch
ferner den Gelehrten auf der Studierstube überlas-
sen werden; die Forschungen und Ideen, welche
derselben zum Grunde liegen, können aber nur bei
einer vollständigen Total -Uebersicht gewonnen und
berichtigt werden.
Wir glauben daher, den Mitgliedern der Uni-
versität in Bonn selbst die Beschäftigung mit den
rheinischen Alterthümem und die wissenschaftliche
Benutzung derselben bedeutend zu erleichtern, und
folglich auch ihren Wunsch, wie den all^ wissen-
schaftlich gebildeten und für die Sache selbst sich
interessirenden Rheinländer auszusprechen, wenn wir
bitten, die Sammlung, Au&tellung und Aufbewah-
rung der Alterthümer gänzlich von den gelehrten
Arbeiten der Universität zu trennen, und, damit d«
edlen Absicht Ew. Durchlaucht g^näCs etwas Voll-
ständiges, die Wiss^ischaft Qnd Kunst wiiklidi För-
— 291 —
V
demdes zu Stande gebracht werden könne, die Stadt
Köln zum Centralpunkte, wo alle rheinische Sanun-
lungen dieser Art vereinigt und wissenschaftlich ge-
ordnet aufgestellt werden sollen, gnädigst zu be-
stimmen.
Wir hoffen, durch diese Bitte den Direktor der
Anstalt, Herrn Hofrath Dorow, dessen Thätigkeit
und Umsicht die Sammlung in Bonn ihr Entstehen
und Gedeihen verdankt, nicht zu« verletzen, und sind
überzeugt, dals die ernste Prüfung der Gründe, wel-
che für die Centralisirung in Köln sprechen, auch
ihn bewegen wird, sich dem Besten der Sache und
unsern Wünschen zu fügen.
Die Wichtigkeit des Gegenstandes und der Wunsch,
dais die erhabenen Absichten Ew. Durchlaucht bei
dieser neuen Schöpfung für die Rheinprovinzen voll-
standig erreicht werden, lassen uns Verzeihung hof-
fen, wenn wir die fernere Bitte wagen, dafs es Ew.
Durchlaucht gefsdlen möge, durch gesetzliche Be-
stimmungen über den Besitz, Verkauf und Erwerb
eigentlicher Kunstdenkmäler die Erhaltung der noch
geretteten dem Vaterlande zu sichern *), Die herr-
*y In Dänemark besteht ein sehr weises Gesetz über
Alterthümer, welche von Privaten in der Erde gefunden
oder ausgegraben werden. Bs lautet im Auszug so:
Placat, betreffend Vergütignng aus der königlichen
Kasse für alte Münzen, so wie für andere Selten-
heiten , die man in Dänemark oder Norwegen ent-
decken möchte. —•
Wir Friedrich der Fünfte, von Crottes Gnaden König von
19*
— 292 -
KfuiBtsch&üEe wefrden fortwährend ins Aa«^
laad Terechleppt, d^ Nachkömmliiigen der Stifter
und Künstler, wie der Nacheifernng tmd der Er-
bauung des künftigen Geschledits entzogen, vielleicht
für immer der Kunst und Wissenschaft entfiremdet.
Wenn diesem verderblichen Gewerbe nicht bald ge-
steuert wird, so ist vorauszusehen, dafs alle Kunst-
werke, weldie jetzt nodi in Kirchen, städtisob«a
Dfineinark «ic, tb«o Jedem zu wiMent dalis, obir^U alles
daiyeni^e, was in Uoserm Reiche Päaemafk ift dei^ Erde,
in Wäldern, im freien Felde, in Häusern oder anderwärts
vergraben und verborgen sein möchte, aii Gold, Silber,
Metall oder dergleichen Schätzen und wozu sich kein ^i-
genthamer meklei, zuMge der dänischen C^^setsre, Cfns als
Dane Fan (in Dänemark Vergrabenes ) zugehört; so wie
Vdjb auch, nach den aord|9ehea Geseizea.ein Theil vorb^
kalten 19^ von allem dem, was an Geld oder Geldeswertb
in der Erde gefunden wird; haben Wir doch aus hoher
königlicher Gnad^ und zur Ermunterung Unserer lieben
ntid getrauen Ünterthanen , welche dergleichen Sachen' eht-
detken m6elitea • atlergnädigst liir gut geaidhtet und be)#il-
Ifeget, M wie Wir a)ael|:zur Ifaichricht für Jedermaiin b<e^
kannt machen, daü^ derjenige» der irgendwo Münzen des
Altertbums oder dergleichen andere Sachen von der Be-
schaffenheit .finden möehte, dafs sie Unserer Rentkammer
gehörigemafsen ehigesandi werden müssen, au« Unserer
Kasse den vollen Belauf des Werihs erhalten soll. Uebri-
gens verbleibt es bei den Gesetzen und der bemeldeien
Vikrordnung, und sollte sich Jemand erdreisten, dasjenige,
was er findet, zu verheimlichen, so soll derselbe einer
verdienten Strafe deswegen unterworfen sein.
Schlofs Frcdensburg, den 7. August ITS'S;
Friedrick R*
1^
— 293 —
und Privat -SaDliiiiluBgcii voriianden «ind, bald ins
Avsland wandern, und in den Privat- Sammlungien
reicher Engländer und Amerikaner, allen Freunden
und Pflegern der Kunst unzugänglich, vermodern»
werden. Mit dem Reicfathum jeaeft Nationen wird
die Kunstliebe des Yateriandes auf die Dauer nicht
wetteifern können. JDde Summen, welche von ihnen
geboten werden, sind zu verführerisch, als dafs mt
ntht bald alle Hindernisse, welche Kunstgenuis und
Vateriandsstolz dem Verkaufe entgegen stellen möch-
ten, überwinden sollten. Sie werden wahrlich das
Vatierland nicht blühender machen, wenn auch Ein-
zelne ohne Arbeit und daher wohl nur vorüberge-
bmd bereiehein, aber die Kunst, welche Qhne Mu-
ster und äufsere Anre^ng nieht wieder aufblühea
kan»*; wahrsdieBilich vernichten, und unsere Nadb^
komm^ gewifs des edelsten Erbes ihrar Väter, der
Monumente ihrer Andacht und ihres Kunstsinnes
und der Fülle /der höchsten und schönsten Gedan-
ken und Gefühle einer grofsen Vorzdt auf ewig be-
rauben, weil der Eigennutz des Tages die Kunst-
werke mit. dem Ertrage der Feld^ und Maschinen
in gleiche Kat^orie gestellt, und ein unseliges MUs-,
veiBtändnifs der Staatslehrer diese hdillose Theorie
legalisirt hati^
Es möchte indefs. schwerlich hinretehen, das
Verbot der Ausfuhr blofs auf öffentliche Anstal-
ten, Kirchen, Gemeinden und Corporationen, wel-
che ohnedies der höheren GontroUe unterworfen
sind, zu beschränken. Auch der ^;>e€Mlatioiisgeist
tSv Alf f naihnag
121 Xf!S
frvr!ea ikqr. ma zaiis
•3» E^ I^ipsiuuuäc vMhiilnl-
>fa :ȣ. jiUM aur
IUI JM«K ^
- 295 -
zuerst die Veranlassung gab, Ew. Durchlaucht dar-
auf aufmerksam gemacht zu haben.
Wir ersterben in tiefster Ehrfurcht
Ew. Durchlaucht
uttterfhänigjM Difner
Fried* Mmwmtmtt ▼• «|er Iieyen, Kö-
mgl Commerzien-Raih. iloli« Pliil« Hei«
mimn» KönigL P«mierzien-Rath. Carl
Cr»f asurUppe« A^Seltaamiaiuien*
Carl RliO<llail9 Kaufmann, w. ÜWiUm
Senstetn* lAyvenherg. Hr« De-
Itoel. Br.ir»llraf; Dr*l¥illmmiii»
▼•Sejwresk« Cloeliel* Ceory Helnr.
Koeli. Heinr. Slerteiifl. Fr* toü
Hervre^li» Cim^. Siwnsen* ▼•Hmii«»
sdiait« €(• 0. T. CMUU B. ▼« Bear»
«ekeiat, ILRObant. l^rtllt* JjHli^ariMrii
renJIiers. Urw nrjUmmm ^ Oberlehrer.
Br. flillieiiilorf 9 Stadtphjsikos. H* H*
Iä51iiil8, J. Herfltatt« ▼• den IVe-
* irten* Jaeoli Mantm*
2a
wm4 tniU Idee
%n t\%^f Liidwehr ii Preissen.
\hh M^ tn «iiwMT aUgÄtneinen National -Bewaffnung
ut Vnnifuim wird haoptiÄchlich dem General von
HiihurriliorÄt /ugoiicJiriftben, welcher sie in der letz-
•itii lliifru, t\nn Jahre« 1808 zuerst zur Sprache ge-
hrti(M Imlxm koII. K» liegen jedoch viel frühere
MpiiKiirnn vor, wolrh« schon im Jahr 1803 u. 1808
nUM||uiiili(iltnt wurdon, und von welchen letzteres im
Miii» I80H Sr. MtyoittHt dorn hochseligen Konige
ühm* ilitijion wii^litigon Uogonstand eingereicht wor-
dou int.
>Voun o* »w wtMt führten wünle. dieselben hier
wdUiaiulig uüt^uthoilou « so $ei dvnrh durch einiflce
\\\>rt^ d^iorü^ul' hiug^Hiieu mit der Hoäuung« di£s
vU^KmvK vielleicht vier l^nhrk derselben herbeigeliuhit
IVc ^tefÄt^e Oenerdt • Lieutenau« von Lcs»s$au •\
— 297 —
damals Hauptmann im Generalstabe, verfafste im
Juli 1803 einen Aufsatz, in welchem die Noth wen-
digkeit einer allgemeinen Militairpfiichtigkeit nebst
den daraus sich ergebenden Folgen aur außerge-
wöhnlichen Verstärkung der Armee dargestellt wurde.
Es wird der Grundsatz darin ausgesprochen und die
Nothwendigkeit einer Durchführung desselben nach-
gewiesen, daüs:
„jeder Bewohner . des. Staaits ohne Unterschied
„der Geburt der gebotae Vertheidiger des-*
„selben sein muiis."
Markwürdig, da& damals <1803) Herr v. Lossau
es schon m diesem Aufsatze zu beweben bemüht
war, was heute, ^e es scheinen möchte, sich noch
nicht allgemeine Aneikennung gewonnen hat! Dais
es: „keiner Klasse det Unterthanen in dem' Staate
„zur Schande gereichen dürfe, jede Art von Ge-
„werbe zu treiben. Nur das alleia mü&te die grölste
„Schande sein, von der Vertheid^ung des Vaterlax^
„des ausgeschlossen zu sein. Die das Ganze bela«
„stenden und dem Soldatenstande nicht sonderlich
„ehrenden Exemtionen, würden dann ohnehin weg^
„fallen, so auch die Aufnahme der Ausliinder ii|
„die Armee." Diese den Zeitansichtea des Jahres
1803 in Preufsen fast unglaublich vorauseilenden '
Betraditungen theilte Herr v. Lossau dem damali*
gen Oberst v. Phull (gestorben als russischer Ge-
neral-Lieutenant) mit, und die Antwort desselben
hat sich noch erhalten ^ und lautet:
20'
An den Kapitain t. Lossao.
BcrliA, dem tt. Jali 18fi3L
Em. UocbfroUgeboren tage idi den TcrboMl-
Bebften Dank fitr die frwmdtdbaftKche MitArihn^
Ihres Anfgalzef ober die nrilitaifiadie Organisinmi^
MU «f abrem Vergnogen babe ich dffwdben geleMO.
Ich bin Ihrer Meintmg. Nor glaube idb, nmCi man
diesen Gegenstand ndt Tirier BehntsamkA berohr^i
mid nur gegen Mensdien, weldie für densdben em-
p&nglidi sind Die Wahrheit gleicht einer Medizin^
welche nicht eher gegeben werden kann, ab nadi-
dem der. Kranke einige Pnrganzen genommen' hat
Wir haben zn Tiele Kranke und nor zn wenige Qe*
snnde. Mündlich ein Mehreres.
Nach der Katastrophe des Jahres 1806 nahm
der Herr y« Lossan, überzengt, dafe nur dnrdi die
Bewaffnung der ganzen Nation eine nöthige Umwäl-
zung vorzubereiten sei, seine frühere Idee wieder auf
und sendete aus TVeptow a. d. K unter dem 21« März
1808, damals als Major, Sr. Majestät dem Konige
ein Memoire ein, betitelt: „Gedanken über die mi-
litairische Organisation der preufsischeu Monarchie/'
Der Herausgeber glaubt nicht, die Diskretion zu ver*
letzen, wenn er über diesen so viel besprochenen
wichtigen Gegenstand ein Schreiben des Herrn Ge-
noral • Lieutenants V, Lossaa hier folgen läfst
- 299 -
An den Dr. Dorow in Berlim
Berlin, den 15. April 1841.
Aus Ihr^ gütigen MittheiluDgen erfalire i<^,
dafr man noch steU nicht völlig darüber einig ist,
if^ SNierst die Idee zu dner Landin^ehr gegeben
habe« Hierüber kann ich Ihnen nun zwar keine
cntiBoheidende Aui^kanft geben, da mir niemals et*
was Bestimmtes darüber bekannt geworden ist. In*
zwischen eHaube ich mir, Sie an den Ihnen vor
einiger Zeit mitgetbeilten Au&atz zu mnnern, wel'^
eben ich Anfangs des Jahres 1808 schrieb, und. den
ich, wie solches '£e Ihnen ebenfalls vorgelegte 'Kö^
nigliche vorzüglich gnädige Kabinets - Ordre vom
11. April 1808 bewtist *), unter dem 21. März dcb
gedachten Jahres Sr. Majestät dem hochseligen Kö-
nige eingereicht hattd. In dieser Abhandlung: „übor
die militairische Organisation der preußischen Mo-
narchie,'' bt von der allgemeinen Militairpflichtig*
keit die Rede, und ich stelle den Grundsatz aul:
„Jeder Bewohner des Staats hat, weil derselbe die
*) Mein lieber Afajor von Lossau! Ich habe In eurdr
Mir unter ^öm 21. t. M. eingerMchten Abhandlung ' M^^t
die neue mllÜAirisehe Organisatien deis Staats sehr ((utb
Ide^n gefiiaden, «nd lusse eurer Sachkenniiii£i und eqHtr
Benriheiliuig der Ge|$en«i&ade Crereektigkei^ wiederfjiihr^ii,
bezeuge euch auch Meine Zufriedenheit über den dadurok
ZU Tage gelegten Eifer für das allgemeine Beste, iind bin
euer wohlgeneigter König
Königsberg, den II. April 1 808.
Friedrich Wiikdm.
WM^MOk ia V
Zeil des Kneges miler die Waffisn tre-
Dies w der ia jenen Ai6atz TolUtlndig
, — fi i nndf i geieiile md suf das Genauste eatmAdte
nnsptgrilMh mid der BaaptaiAt nach die Idee
der Landfrdkr, wie Nifimd bider gelei^Bet' hat.
Zagleidl strfhe ich den Grandsatz anf and entwik-
kdte die Nothwendigkeit einer Feststdlong dessel-
ben, dals ^^Jedem, der die Pfficht der Landesrer-
tb^digmig auf sich hat, die höchsten militairischen
Worden zu errdchen oflfen stehen mä&te, wenn
derselbe sich der Beförderung werth zeigt Die
Ansprüche wären gleich, nicht aber die Rechte der
Forderungen.''
Ohne nun Anderen den Preis ^. die erste Idee
zur Errichtung einer Landwehr, zu bestreiten, glaube
ich demnach behaupten zu dürfen, dafs, im Fall Nie-
— 301 —
mmd erweisen konnte, b^^ts vor dem Juli des
Jahres 1803 im AUgemeinai and vor dem Monat
Maiz 1806 joie Idee ausführlich auseinand^^esetzt
und mhgethdlt zu haben, ich mich wenigstens
schmächeln dürfte, zu joier Zeit schon mit ihr be-
schaftigt gewesoi zu sdn. Ob ein Anderer das-
sdbe vor mir oder gleichzeitig mit mir gethan hat,
ist mir unbekannt Das Vorstehende aber kann ich
ungescheut behaupten und als die Wahrheit ver-
treten.
Mit vorzüglichster Hochachtung
Ihr
ganz ergebenster Freund
Nach diesen Vorlagen und Allem, was bis
jetzt über eine National -Bewaflhung, sowohl im*
Allgemeinen als im Spedellen, öffentlich bekannt
geworden ist, würde man mit vollem Rechte die
Behauptung au&tellen können, dafs es der General-
Lieutenant v. Lossan ist, der zuerst 1803 und 1808
ausfuhrliche Arbeiten über die Organisirung einer
Landwehr jgeliefert hat, so dals ihm die erste Idee
zur Erriohtung einer solchen Landesbewaffnung nicht
füglich abgesprochen werden kann.
^^
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3 tlOS DV4jiT2_73t_
DATE DUE
JUN 2 9 193
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S«fe_
STANFORD UNIVERSITY LIBRARIES
STANFORD, CALIFORNIA
94505